BFH: Feststellung der Privatnutzung zur Anwendung der 1%-Regelung
Über die Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das Finanzgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner gewonnen Überzeugung. Eine fehlende Feststellung der Privatnutzung kann auch nicht durch einen Anscheinsbeweis ersetzt werden.
Sachverhalt
Die E-GmbH stellte ihrem alleinigen Geschäftsführer, dem Kläger, in den Streitjahren 2003 und 2004 ein Dienstfahrzeug zur Verfügung. In einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag („Car Policy“) war geregelt, dass die Nutzung des Fahrzeugs sich nicht auf den privaten Bereich erstreckt und das Fahrzeug ausschließlich durch den Mitarbeiter genutzt werden darf, nur im Bedarfsfall ist der Ehegatte zugelassen. Bei einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger kein Fahrtenbuch geführt hatte und ein privater Nutzungsvorteil bislang nicht besteuert worden war. Das Finanzamt nahm daraufhin die Versteuerung eines geldwerten Vorteils aus der Fahrzeugüberlassung vor.
Entscheidung
Die unentgeltliche oder vergünstigte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitsgeber an den Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung führt zu einem als Lohn zu erfassenden steuerbaren Vorteil des Arbeitnehmers. Unerheblich dafür ist, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer die private Nutzung in Anspruch nimmt.
Über die Frage, ob der Dienstwagen ausdrücklich oder konkludent auch zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das Finanzgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung. Die im Streitfall gewonnene Überzeugung des Finanzgerichts, dass der Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen worden sei, hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Denn weder aus der „Car Policy“, nach der ausdrücklich eine private Nutzung ausgeschlossen ist, noch daraus, dass im Bedarfsfall der Ehegatte zugelassen ist, was sich ersichtlich jedoch nur auf die dienstliche Nutzung des Pkws bezieht, folgt dies.
Einen – auf der allgemeinen Lebenserfahrung gründenden – Erfahrungssatz, nach dem ein angestellter Alleingeschäftsführer generell arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht achtet, kann der BFH nicht erkennen. Die Annahme einer privaten Nutzung kann auch nicht darauf gestützt werden, dass eine Überwachung des Verbots der privaten Nutzung fehlt. Schließlich begründet die Nutzung eines Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte noch keine Überlassung zur privaten Nutzung.
Das Finanzgericht hat nun aufzuklären, ob dem Kläger der Dienstwagen ausdrücklich oder zumindest aufgrund einer konkludent getroffenen Vereinbarung tatsächlich zur privaten Nutzung überlassen war. Diese Feststellung kann auch bei einem Alleingeschäftsführer nicht durch einen Anscheinsbeweis ersetzt werden.
Hat sich das FG mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass dem Kläger der streitige PKW tatsächlich zur privaten Nutzung überlassen war, sind weitere Feststellungen insbesondere zu den Nutzungsverhältnissen nicht erforderlich. Der Vorteil ist unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen entweder mit der Fahrtenbuchmethode oder, wenn – wie im Streitfall – kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt wird, mit der 1%-Regelung zu bewerten (BFH-Urteil vom 21.03.2013).
Betroffene Norm
§ 8 Abs. 2 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG
Streitjahre 2003, 2004
Anmerkungen
In zwei weiteren Urteilen vom 21.03.2012 und vom 18.04.2013 (VI R 46/11 und VI R 23/12) hat der BFH ebenfalls festgestellt, dass die 1%-Regelung nur dann Anwendung findet, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Dienstfahrzeug durch Arbeitsvertrag oder zumindest durch eine konkludent getroffene Nutzungsvereinbarung tatsächlich überlassen hat.
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 17.01.2012, 5 K 1240/09, EFG 2012, S. 1733
Fundstellen
BFH, Urteil vom 21.03.2013, VI R 42/12
BFH, Urteil vom 21.03.2013, VI R 46/11
BFH, Urteil vom 18.04.2013, VI R 23/12
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 21.03.2013, VI R 31/10, siehe Deloitte Tax-News
