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30.11.2012
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Arbeitslohn von dritter Seite

Arbeitslohn kann (ausnahmsweise) auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn diese im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Davon kann ausgegangen werden, wenn der Dritte anstelle des Arbeitgebers die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgilt, indem der Arbeitgeber etwa einen ihm zustehenden Vorteil im abgekürzten Weg an seine Mitarbeiter weitergibt. Arbeitslohn liegt in solchen Fällen nicht allein deshalb vor, weil der Arbeitgeber an der Verschaffung der Rabatte mitgewirkt hat. Dies gilt erst recht, wenn er von der Rabattgewährung nur Kenntnis hatte oder hätte haben müssen (entgegen BMF-Schreiben vom 27.09.1993, auf das sich das BMF-Schreiben vom 27.01.2004 bezieht).

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Klägerin, deren Mitarbeiter verbilligt Waren von einem Lieferanten der Klägerin bezogen haben, insoweit zum Lohnsteuerabzug verpflichtet war.

Die Klägerin, Trägerin eines Krankenhauses, bezog Apothekenartikel aller Art von der Firma X. X lieferte darüber hinaus im Rahmen eines sog. "Mitarbeiter-Vorteilsprogramms" an die Mitarbeiter der Klägerin ebenfalls Apothekenartikel aller Art, wobei die Mitarbeiter einen Nachlass auf den üblichen Apothekenendpreis erhielten. Das Mitarbeiter-Vorteilsprogramm war von X initiiert und den Mitarbeitern bekannt gemacht worden, was die Klägerin in ihrem Betrieb geduldet hatte.

Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte das Finanzamt, dem Prüfer folgend, zu der Auffassung, die von X den Mitarbeitern eingeräumten Rabatte seien als Arbeitslohn von dritter Seite anzusehen und entsprechend lohnzuversteuern. Das Finanzamt erließ gegenüber der Klägerin einen entsprechenden Haftungsbescheid. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage war erfolgreich.

Entscheidung

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin wegen der Vorteile ihrer Arbeitnehmer aus dem verbilligten Bezug von Apothekenartikeln der X nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet war.

Der Arbeitgeber haftet für die Lohnsteuer, die er bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn - auch soweit er durch einen Dritten gewährt wird - für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und abzuführen hat (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Arbeitslohn kann (ausnahmsweise) auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn diese ein Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (z.B. BFH-Urteile vom 24.02.1981 und vom 10.05.2006).

Die Beantwortung der Frage, ob eine Zuwendung (eines Dritten) durch das Dienstverhältnis veranlasst ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Die Gesamtwürdigung des FG, nach der hinter dem Mitarbeiter-Vorteilsprogramm vor allem das Interesse von X, Kunden zu gewinnen, an sich zu binden (nicht zuletzt auch die Klägerin) und trotz der rabattierten Preise durch Synergieeffekte einen zusätzlichen Gewinn zu erwirtschaften, steht, ist im Streitfall naheliegend. Allein der Umstand, dass X den Preisnachlass lediglich den Mitarbeitern der Klägerin und nicht auch Arbeitnehmern anderer, nicht von ihr belieferter Krankenhäuser gewährt hat, vermag den erforderlichen Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteilsgewährung und Arbeitsleistung nicht zu begründen. Denn dadurch stellt sich ein Preisnachlass (noch nicht) als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber dar. Davon kann erst ausgegangen werden, wenn sich die Zuwendung als durch den Dritten vermittelter Arbeitslohn des Arbeitgebers darstellt, der Arbeitgeber beispielsweise einen ihm zustehenden Vorteil etwa im abgekürzten Zahlungswege als Arbeitsentgelt an seine Mitarbeiter weitergibt. Dies beurteilt sich jedoch nicht ausschließlich nach dem Empfängerkreis der Drittzuwendung, sondern nach deren Rechtsgrund und damit nicht zuletzt danach, ob der Dritte den Vorteil aus eigenwirtschaftlichem Interesse oder im Interesse des Arbeitgebers gewährt.
In dem Umstand, dass die Klägerin in die Einführung des Mitarbeiter-Vorteilsprogramms eingewilligt, die Belegschaft über die Preisvorteile durch einen Aushang am "schwarzen Brett" informiert und Störungen im Betriebsablauf durch die "Auslieferung" der Apothekenartikel geduldet hat, vermag der BFH kein aktives Mitwirken an der Gewährung der Rabatte durch X erkennen. Im Übrigen gehören Preisvorteile, die ein Dritter Arbeitnehmern einräumt, nicht allein deshalb zum Arbeitslohn, weil der Arbeitgeber an der Verschaffung der Rabatte mitgewirkt hat. Zwar kann die Mitwirkung des Arbeitgebers an Preisvorteilen (Rabatten), die Arbeitnehmern von dritter Seite eingeräumt werden, dafür sprechen, dass die Drittzuwendung wirtschaftlich betrachtet Arbeitslohn ist. Zwingend ist dies jedoch nicht. Die insoweit gegenteilige Auffassung der Finanzbehörden (BMF-Schreiben vom 27.09.1993, auf das sich das BMF-Schreiben vom 27.01.2004 zu der ab dem 01.01.2004 gültigen Rechtslage bezieht) teilt der BFH nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob die Zuwendung des Dritten Prämie oder Belohnung für eine Leistung ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt (z.B. BFH-Urteil vom 24.02.1981).

Betroffene Norm
§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 38 Abs. 1 S. 1 und 3, § 38 Abs. 3 S. 1 EStG, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG
Streitjahre 2004 bis 2006

Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 17.11.2011, 11 K 128/10, EFG 2012, S. 364

Fundstelle
BFH, Urteil vom 18.10.2012, VI R 64/11

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 24.02.1981, VIII R 109/76, BStBl II 1981, S. 707
BFH, Urteil vom 10.05.2006, IX R 82/98, BStBl II 2006, S. 669
BMF, Schreiben vom 27.09.1993, IV B 6-S 2334-152/93, BStBl I 1993, S. 814
BMF, Schreiben vom 27.01.2004, IV C 5-S 2000-2/04, BStBl I 2004, S. 173

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