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20.11.2019
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Änderung der Rechtsprechung zu zusätzlichem Arbeitslohn

Aktuell: 

Mit BMF-Schreiben vom 05.01.2022 hebt die Finanzverwaltung nun das BMF-Schreiben vom 05.02.2020 (siehe Deloitte Tax News) für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 wieder auf. Damit ist in allen offenen Fällen der Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 das BFH-Urteil vom 01.08.2019 (VI R 32/18) über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Für Veranlagungszeiträume ab 2020 sind die Regelungen des § 8 Abs. 4 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 zu beachten (siehe Deloitte Tax News).

BMF, Schreiben vom 05.01.2022, siehe Deloitte Tax News
                                                                                                                      

BFH, Urteil vom 01.08.2019
Zusätzlicher Arbeitslohn liegt vor, wenn dieser nur verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat (Rechtsprechungsänderung). Das Zusätzlichkeitserfordernis ist auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung zu beziehen. Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den ohnehin geschuldeten Arbeitslohn für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen (entgegen Finanzverwaltung). 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Einzelunternehmer, traf im Jahr 2011 mit einigen Arbeitnehmern Vereinbarungen über die Herabsetzung ihrer Bruttolöhne bei gleichzeitiger Vereinbarung über die Zahlung von Zuschüssen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (bzw. erster Tätigkeitsstätte an 2014) sowie für die Internetnutzung. Bis einschließlich 2013 fielen diese zusätzlichen Leistungen nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt. In 2014 schlossen der Kläger und die einzelnen Arbeitnehmer eine Freiwilligkeitsvereinbarung, wonach die Zuschüsse ab dem 01.01.2014 rein freiwillig gewährt wurden und keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers begründeten. Finanzamt und FG versagten die Pauschalierung der Lohnsteuer für die streitigen Zusatzleistungen. 

Entscheidung

Dagegen kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass eine Pauschalversteuerung der Zuschüsse für die Internetnutzung sowie für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeits- bzw. erster Tätigkeitsstätte zulässig ist. Es handele sich insoweit um zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen.

Gesetzliche Grundlagen

Gem. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, soweit er den Arbeitnehmern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Internetnutzung zahlt. Ferner kann der Arbeitgeber für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (bis VZ 2013) bzw. erster Tätigkeitsstätte (ab VZ 2014) die Lohnsteuer nach § 40 Abs. 2 S. 2 EStG unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Pauschsteuersatz von 15 % erheben.

Bisherige Rechtsprechung

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH ist der "ohnehin geschuldete Arbeitslohn" der lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteil, der arbeitsrechtlich geschuldet ist (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 19.09.2012, VI R 54/11 und VI R 55/11). Der „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ ist danach derjenige, auf den der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich keinen Anspruch hat, der folglich freiwillig vom Arbeitgeber erbracht wird.

Rechtsprechungsänderung

Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung geht der BFH nun davon aus, dass der zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn der Arbeitslohn ist, den der Arbeitgeber nur verwendungs- bzw. zweckgebunden leistet. Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn sei mithin derjenige, den der Arbeitnehmer verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erhält. Im Allgemeinen unterliegt dieser Lohn der Regelbesteuerung. Demgegenüber sei der hinzutretende verwendungsgebundene (zusätzliche) Lohn in den vorgenannten Vorschriften insofern begünstigt, als er vom Arbeitgeber mit einem Pauschsteuersatz besteuert oder – wie in anderen Fällen (§ 3 Nrn. 15, 33, 34, 34a, 37 und 46 EStG) – unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei erbracht werden kann.

Auf die Frage, ob der Arbeitnehmer auf den fraglichen Lohnbestandteil arbeitsrechtlich einen Anspruch hat, kommt es nach Ansicht des BFH daher nicht mehr an. Der Wortlaut des Gesetzes zwinge nicht zu dem Verständnis, der zusätzlich zum ohnehin geschuldete Arbeitslohn dürfe seinerseits nicht geschuldet sein. Vielmehr könne auch zu einer Zahlung, auf die im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht, eine weitere ebenfalls arbeitsrechtlich geschuldete Leistung hinzutreten (ebenso BMF-Schreiben vom 22.05.2013).

Unschädlichkeit eines Lohnformenwechsels für die Steuerbegünstigung

Zudem folgt nach Auffassung des BFH aus dem in § 11 Abs. 1 S. 1 und 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG verankerten Zuflussprinzip, dass das Zusätzlichkeitserfordernis auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung zu beziehen ist. Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel sei deshalb nicht begünstigungsschädlich. Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, bestehe für den Arbeitgeber die Möglichkeit, diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt auszugleichen. Diese würden nunmehr zum Zahlungszeitpunkt zum ohnehin geschuldeten Lohn hinzutreten und somit "zusätzlich" zu diesem erbracht (a. A. Finanzverwaltung in R 3.33 Abs. 5 S. 2 LStR und BMF-Schreiben vom 22.05.2013).

Die eigentliche Bedeutung des Zusätzlichkeitserfordernisses und des Ausschlusses sog. "Gehaltsumwandlungen" liegt demnach nach Ansicht des BFH vielmehr in einem Anrechnungsverbot auf den unverändert bestehenden Lohnanspruch.

Ergebnis

Nach diesen Grundsätzen habe der Kläger die Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Internetnutzung sowie für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeits- bzw. erster Tätigkeitsstätte zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt. Unerheblich ist nach Ansicht des BFH dabei, dass die zusätzlichen Leistungen zunächst arbeitsvertraglich geschuldet waren. Der Lohnformenwechsel sei auch weder willkürlich noch rechtsmissbräuchlich. Denn Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien grundsätzlich frei, ihre arbeitsrechtlichen Beziehungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend zu gestalten.

Betroffene Norm

§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG, § 40 Abs. 2 S. 2 EStG

Streitjahre 2011 - 2013

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, 11 K 3448/15 H (L), EFG 2018, S. 1487

Fundstelle

BFH, Urteil vom 01.08.2019, VI R 32/18 

Parallelentscheidungen:

BFH, Urteil vom 01.08.2019 VI R 21/17, nicht zu amtlichen Veröffentlichung vorgesehen 

BFH, Urteil vom 01.08.2019, VI R 40/17, nicht zu amtlichen Veröffentlichung vorgesehen

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 05.01.2022, siehe Deloitte Tax News

BMF, Schreiben vom 05.02.2020, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 19.09.2012, VI R 54/11, BStBl II 2013, S. 395

BFH, Urteil vom 19.09.2012, VI R 55/11, BStBl II 2013, S. 398

BMF, Schreiben vom 22.05.2013, IV C 5-S 2388/11/10001-02, BStBl I 2013, S. 728

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