Niedersächsisches FG: Ansammlungszeitraum bei einer Rückstellungsberechnung für eine Mieter-Abbruchverpflichtung bei Mietvertragsverlängerung
Ein neuer Miet- oder Pachtvertrag über ein Grundstück, für das bereits eine Ansammlungsrückstellung gebildet wurde, führt nicht zu einer Neuberechnung des Ansammlungszeitraums und teilweisen Auflösung dieser Rückstellung. Vielmehr ist eine bereits gebildete Rückstellung nur an die Preisentwicklung bis zum jeweiligen Bilanzstichtag anzupassen und nach Maßgabe des Zeitraums bis zu dem Beginn der Erfüllung abzuzinsen.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, die für ihr Handelsunternehmen ein Betriebsgrundstück nutzte, für das sie zunächst mit der Fa. X als Verpächterin einen Unterpachtvertrag für den Zeitraum vom 01.06.1984 bis 30.09.1991 geschlossen hatte. Anschließend schloss sie unmittelbar mit Y als Grundstückseigentümerin einen Pachtvertrag. Die Laufzeit war vom 01.10.1991 bis zum 30.09.2001 vereinbart, wurde 1996 jedoch bis zum 30.09.2011 verlängert. 2003 wurde dieser Pachtvertrag einvernehmlich aufgehoben und durch einen neuen Mietvertrag, mit einer Mietzeit vom 01.07.2003 bis 30.06.2018, ersetzt.
Die GmbH war von Beginn der Grundstücknutzung an aufgrund der Pachtverträge bzw. des Mietvertrages dazu verpflichtet, alle auf dem Pachtgrundstück befindlichen baulichen Anlagen bei Pacht- bzw. Mietende zu beseitigen. Für die zu erwartenden Abbruchkosten bildete sie in ihren Jahresabschlüssen eine Rückstellung. Diese Rückstellung war spätestens bis zum Jahr 1996 in Höhe der vollen, von ihr geschätzten Abbruchkosten gebildet; seither nahm die GmbH lediglich Zuführungen in Höhe der geschätzten Preissteigerungen vor.
Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass bei Verlängerung eines Miet- oder Pachtvertrages oder anderweitiger Fortführung dieses Dauerschuldverhältnisses über den ursprünglich vereinbarten Zeitraum hinaus, eine bereits gebildete Ansammlungsrückstellung neu zu berechnen und (neu) auf den Zeitraum vom ursprünglichen Beginn des Nutzungsverhältnisses bis zu dessen voraussichtlichem Ende zu verteilen sei. Der Ansammlungszeitraum erstrecke sich nunmehr auf den Zeitraum vom 01.06.1984 (Tag, an dem die Abrissverpflichtung entstanden ist) bis zum 30.06.2018 (Tag, an dem die Baulichkeiten voraussichtlich zu beseitigen sind).
Entscheidung
Das FG hält die Rechtsauffassung der GmbH für zutreffend, wonach ein neuer Miet- oder Pachtvertrag über das bisher bereits genutzte Grundstück nicht zu einer Verlängerung des Ansammlungszeitraums führt. Die Abbruchkosten waren im Wege der Ansammlungsrückstellung lediglich auf die ursprünglich vereinbarte Nutzungsdauer zu verteilen.
Errichtet ein Mieter auf fremden Grund und Boden bauliche Anlagen, ist er – sofern mit dem Vermieter keine anders lautende Vereinbarung getroffen worden ist – zivilrechtlich verpflichtet, die Anlagen bei Ende des Mietverhältnisses zu beseitigen (§ 556 Abs. 1 BGB). Besteht für den Mieter eine Entfernungsverpflichtung, muss er für die anfallenden Abbruchkosten in der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) eine Rückstellung in Höhe der am jeweiligen Bilanzstichtag zu erwartenden Abbruchkosten ausweisen. Zu erwartende Preissteigerungen bis zum Erfüllungszeitpunkt sind steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen. Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, sind zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d S. 1 EStG). Solche Rückstellungen – sog. Ansammlungsrückstellungen – sind für Verpflichtungen zu bilden, die am Bilanzstichtag bereits feststehen, aber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die für ihr Entstehen ursächlichen Geschäftsjahre verteilt werden müssen (BFH-Urteil vom 05.05.2011).
Im Streitfall ist die GmbH eine Verpflichtung zum Abbruch der am 01.06.1984 bereits errichteten Gebäude erstmals bei Abschluss des (Unter-)Pachtvertrages eingegangen. Hierdurch war diese Verpflichtung rechtlich bereits entstanden. Wirtschaftlich war sie durch die damals vereinbarte Nutzungsdauer verursacht. Die GmbH hatte die Abbruchkosten deshalb im Wege der Ansammlungsrückstellung auf die ursprünglich vereinbarte Nutzungsdauer zu verteilen (vgl. BFH-Urteil vom 10.02.1975, § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d S. 1 EStG). Durch die später vereinbarte Verlängerung des Nutzungszeitraums hat die GmbH insoweit keine neue Verpflichtung begründet, sondern lediglich eine Vereinbarung getroffen, durch die der Zeitpunkt, zu dem der Abbruch zu erfolgen hat, in die Zukunft verlagert wurde.
Das FG geht davon aus, dass die GmbH bei Abschluss des Pachtvertrages 1992 bereits eine Ansammlungsrückstellung in Höhe der vollen Kosten für die Beseitigung der ursprünglich vorhandenen Baulichkeiten gebildet hatte, da das ursprüngliche Nutzungsverhältnis am 30.09.1991 endete. Für eine Neuberechnung des Ansammlungszeitraums aufgrund der späteren Verlängerungen der Nutzungsdauer war insofern kein Raum, weil eine Ansammlungsrückstellung im Sinne des BFH-Urteils vom 19.02.1975 und im Sinne des heutigen § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d S. 1 EStG bereits gebildet war. Die gesamten Abbruchkosten wurden also bereits während des ursprünglich vereinbarten Nutzungsverhältnisses angesammelt. Zu jedem nachfolgenden Bilanzstichtag musste lediglich eine Anpassung an zwischenzeitlich erfolgte Kostensteigerungen (heute § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG) erfolgen.
Eine teilweise Auflösung der bereits gebildeten Ansammlungsrückstellung nach § 249 Abs. 3 S. 2 HGB 2004 (heute § 249 Abs. 2 S. 2 HGB) hat nicht zu erfolgen. Da die rechtliche Verpflichtung der GmbH fortbestand, ist der Grund für die Bildung der Ansammlungsrückstellung nach Auffassung des FG nicht entfallen.
Der Abschluss des neuen Mietvertrages führt allerdings dazu, dass nunmehr ein neuer Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung der Verpflichtung (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG) anzunehmen ist, was zu einer entsprechenden Abzinsung des Rückstellungsbetrages führt.
Die Revision wurde zugelassen, da die Frage, ob eine Ansammlungsrückstellung teilweise aufzulösen ist, wenn das zugrunde liegende Nutzungsverhältnis verlängert oder anderweitig fortgesetzt wird, grundsätzliche Bedeutung hat.
Betroffene Norm
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d S. 1, Buchst. e, Buchst. f EStG
Streitjahr 2004
Fundstelle
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 10.05.2012, 6 K 108/10, EFG 2012, S. 1628, BFH-anhängig: I R 46/12
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 05.05.2011, IV R 32/07, BStBl II 2012, S. 98, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 19.02.1975, I R 28/73, BStBl II 1975, S. 480