FG Nürnberg: Bewertung einer Pensionsrückstellung bei Entgeltumwandlung
Aktuell: Entgegen der Auffassung des FG kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass bei einer Pensionsverpflichtung, die einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer aufgrund einer Entgeltumwandlung gewährt worden ist, kein gegenüber dem Teilwert höherer Barwert zu passivieren ist, da die künftigen Pensionsleistungen nicht aufgrund gesetzlicher Regelung (BetrAVG) unverfallbar sind.
BFH, Urteil vom 27.05.2020, XI R 9/19, siehe Deloitte Tax-News
FG Nürnberg (Vorinstanz):
Bei einer Pensionsverpflichtung, die einem Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund einer Entgeltumwandlung gewährt worden ist, ist auch dann ein gegenüber dem Teilwert höherer Barwert zu passivieren, wenn die künftigen Pensionsleistungen nicht aufgrund gesetzlicher Regelung (BetrAVG), sondern aufgrund vertraglicher Vereinbarung unverfallbar sind (entgegen Finanzverwaltung in R 6a Abs. 12 S. 4 EStR 2012).
Sachverhalt
Eine GmbH gewährte ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Versorgungszusage aus Entgeltumwandlungen, die eine vertragliche Vereinbarung hinsichtlich der Unverfallbarkeit von künftigen Pensionsleistungen enthielt. Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung war dabei nicht festzustellen. Für diese arbeitnehmerfinanzierte Pensionszusage passivierte die Klägerin eine Rückstellung in Höhe des Barwerts der unverfallbaren künftigen Pensionsleistungen. Das Finanzamt gelangte hingegen zu der Ansicht, dass die Rückstellung für die Versorgungszusage nicht mit dem (höheren) Barwert, sondern mit dem Teilwert zu bewerten sei. Denn der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer falle nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Seine Anwartschaft sei folglich nicht gesetzlich unverfallbar, sondern nur vertraglich geregelt. Und bei vertraglicher Unverfallbarkeit gelte der Barwert-Teilwert-Vergleich nicht (R 6a Abs. 12 S. 4 EStR 2012).
Entscheidung
Das FG kommt hingegen zu dem Ergebnis, dass auch für Gesellschafter-Geschäftsführer bei einer Entgeltumwandlung ein gegenüber dem Teilwert höherer Barwert als Rückstellung zu passivieren ist. Dem stehe nicht entgegen, dass die künftigen Pensionsleistungen nicht aufgrund gesetzlicher Regelung, sondern aufgrund vertraglicher Vereinbarung unverfallbar sind.
Bewertung von Pensionsrückstellungen
Nach § 6a Abs. 3 S. 1 EStG darf eine Pensionsrückstellung höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung angesetzt werden. Als Teilwert einer Pensionsverpflichtung gilt vor Beendigung des Dienstverhältnisses des Pensionsberechtigten gem. § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 1 EStG der Barwert der künftigen Pensionsleistungen am Schluss des Wirtschaftsjahres abzüglich des sich auf denselben Zeitpunkt ergebenden Barwerts betragsmäßig gleich bleibender Jahresbeträge, bei einer Entgeltumwandlung i.S.v. § 1 Abs. 2 BetrAVG mindestens jedoch der Barwert der gemäß den Vorschriften des BetrAVG unverfallbaren künftigen Pensionsleistungen am Schluss des Wirtschaftsjahres (Barwert-Teilwert-Vergleich).
Kein eindeutiges Auslegungsergebnis aufgrund des Wortlauts des § 6a Abs. 3 S. 1 EStG
Der Wortlaut des § 6a Abs. 3 S. 1 EStG ist jedoch nach Ansicht des FG hinsichtlich der Streitfrage, ob die Bewertung der Pensionszusagen bei Gesellschafter-Geschäftsführern dem Grunde und der Höhe nach mit Zusagen gegenüber unter das BetrAVG fallenden Arbeitnehmern identisch ist, nicht eindeutig. Auch wenn der Wortlaut des § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 1 Hs. 2 EStG mit seiner Bezugnahme auf das BetrAVG es nahelege, dessen Anwendbarkeit vorauszusetzen, so gehe der Wortlaut nicht so weit, dass er eine eindeutige Regelung für die Pensionsleistungen formuliere, die nicht durch das BetrAVG begründet sind.
Systematische und historische Auslegung
Nach Auffassung des FG findet bei § 6a EStG keine Differenzierung nach der Rechtstellung des Pensionsberechtigten, insbesondere, ob er unter das BetrAVG fällt, Gesellschafter-Geschäftsführer ist oder in einem anderen Rechtsverhältnis zum Pensionspflichtigen steht, statt. Es sei ferner kein systematischer Ansatz ersichtlich, wonach für Berechtigte außerhalb des Anwendungsbereichs des BetrAVG eine andere Bewertung, dem Grunde, der Höhe oder dem Zeitpunkt nach, vorzunehmen wäre. Sofern, wie im Streitfall, keine gesellschaftsrechtliche Veranlassung festzustellen sei, erfolge aus Sicht der Verpflichteten und Berechtigten die Bewertung der Pensionsansprüche in allen Varianten, unter Berücksichtigung der Berechnungsgrößen, nach denselben Grundlagen.
Neben dieser systematischen Auslegung der Norm sprechen nach Ansicht des FG auch die Motivation des Gesetzgebers und die historische Entstehung dafür, für die Pensionsrückstellung des Gesellschafter-Geschäftsführers ebenso den Barwert-Teilwert-Vergleich vorzunehmen. Die Regelung des § 6a EStG habe seit ihrer Existenz keine Differenzierung hinsichtlich der Bewertung der Pensionsverpflichtung gegenüber Arbeitnehmern, die unter das BetrAVG fielen, und anderen Berechtigten enthalten. Ganz im Gegenteil hat der BFH erst jüngst in seinem Urteil vom 07.03.2018 (I R 89/15) klargestellt, dass er beide Personengruppen in dem in diesem Verfahren zu entscheidenden Aspekt der Erdienbarkeit gleichstellt.
Verfassungskonforme Auslegung
Soweit der Wortlaut des § 6a EStG auch eine Auslegung dahin zuließe, dass der Barwert-Teilwert-Vergleich nicht bei Entgeltumwandlungen außerhalb des BetrAVG vorzunehmen sei, gebiete es jedenfalls die verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift des § 6a EStG ihr den Inhalt beizumessen, der sich aus dem Prinzip der Folgerichtigkeit aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitet. Nach Auffassung des FG ist danach kein Kriterium ersichtlich, das es sachlich rechtfertigen würde, die Pensionsverpflichtung aus einer Entgeltumwandlung mit sofortiger Unverfallbarkeit der Ansprüche anders zu bewerten, wenn sich die ansonsten gleich hohen Ansprüche anstatt aus dem BetrAVG aus vertraglichen Vereinbarungen ergeben. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn – wie im Streitfall – die Unverfallbarkeit entsprechend § 1b Abs. 5 Hs. 1 BetrAVG nachgebildet ist.
Offengelassene Fragestellung
Da die Normauslegung somit ergebe, dass die Pensionsverpflichtung nach § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 1 Hs. 2 EStG mit dem höchsten Wert aus dem Barwert-Teilwert-Vergleich anzusetzen ist, könne dahinstehen, ob bei der Teilwertermittlung auch künftige Entgeltumwandlungen nach dem Bilanzstichtag einzubeziehen sind. Die auf eine Literaturmeinung gestützte Ansicht des Finanzamts, dass künftige Entgeltumwandlungen einzubeziehen seien, stünde jedenfalls im Widerspruch zu dem Bewertungsgrundsatz für Rückstellungen.
Betroffene Norm
§ 6a Abs. 3 EStG
Streitjahr 2014
Anmerkungen
Abweichende Auffassung im Schrifttum und der Finanzverwaltung
Abweichend von dem hier dargestellten Urteil des FG Nürnberg vom 02.04.2019 (1 K 836/18) wird im Schrifttum unter Hinweis auf die im Streitfall auch vom Finanzamt herangezogenen R 6a Abs. 12 S. 4 EStR 2012 die Ansicht vertreten, dass eine vertraglich vereinbarte Unverfallbarkeit der künftigen Pensionsleistungen für die Vornahme des Barwert-Teilwert-Vergleichs nicht ausreiche. Eine parallele Problematik bestehe in § 6a Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 EStG, wo ebenfalls auf § 1 Abs. 2 BetrAVG Bezug genommen wird; auch hier werden entsprechende vertragliche Vereinbarungen nicht mit der gesetzlichen Unverfallbarkeit gleichgesetzt.
Rechtsprechung zu Erdienbarkeit
Es bleibt abzuwarten, ob der BFH die gegenteilige Ansicht der Finanzverwaltung in R 6a Abs. 12 S. 4 EStR 2012 kippen wird, wie er dies bereits hinsichtlich der Erdienbarkeit von Entgeltumwandlungen bei Gesellschafter-Geschäftsführern getan hat (BFH-Urteil vom 07.03.2018, I R 89/15).
Fundstellen
BFH, Urteil vom 27.05.2020, XI R 9/19, siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 02.04.2019, 1 K 836/18, EFG 2019, S. 1378
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 07.03.2018, I R 89/15, BStBl. II 2019, S. 70, siehe Deloitte Tax-News