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20.04.2023
Rechnungslegung

BMF: Entwurf eines Schreibens zur Einzelwertberichtigung bei Kreditinstituten

Mit Entwurf eines Schreibens zur Einzelwertberichtigung bei Kreditinstituten hat sich die Finanzverwaltung erstmals konkret zu den Vorrausetzungen für die Anerkennung in der Steuerbilanz geäußert. Verbände haben nun bis zum 10.05.2023 Zeit, sich hierzu zu positionieren und Stellung zu nehmen.

1. Einzelwertberichtigung dem Grunde nach

Für Kreditinstitute gelten neben den allgemeinen Vorschriften zur Bilanzierung nach dem HGB auch die Sondervorschriften nach Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute vom 11. Dezember 1998 (RechKredV).

Für die Steuerbilanz sind Kundenforderungen i.S.d. § 15 RechKredV bei Zugang grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten, mithin dem Nominalbetrag auszuweisen (§ 253 Abs. 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 6 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG). Zweifelhafte Forderungen, bei denen ein akutes Ausfallrisiko besteht, sind handelsrechtlich auf Grund des strengen Niederstwertprinzips nach § 253 Abs. 4 HGB auf den niedrigen Wert am Stichtag abzuschreiben. Dies gilt auch für vorübergehende Wertminderungen. Es gilt nach § 252 Nr. 3 HGB das Prinzip der Einzelbewertung.

Steuerlich besteht hingegen nach § 5 Abs. 6 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG ein Wahlrecht, zum Stichtag den niedrigeren Teilwert anzusetzen, wenn und soweit die Wertminderung voraussichtlich dauerhaft niedriger ist. Der Teilwert soll dabei den abstrakten Betrag widerspiegeln, den ein Erwerber des gesamten Betriebs für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wenn dieser den Betrieb danach fortsetzt. Eine dauerhafte Wertminderung liegt insoweit nur vor, wenn die Gründe hierfür bis zum Tag der Bilanzaufstellung anhalten. Die Bilanzaufstellung hat spätestens bis zum Ablauf des dritten Monats, welcher auf den Bilanzstichtag folgt, zu erfolgen (§ 26 Abs. 1 KWG).

Die Wertberichtung bei zweifelhaften Forderungen kann entweder im Rahmen der Einzelwertberichtigung („EWB“) oder der pauschalen Einzelwertberichtigung („pEWB“) erfolgen. Hierfür muss zunächst eine EWB dem Grunde nach möglich sein. Das BMF stellt klar, dass im Gegensatz zur Pauschalwertberichtigung („PWB“) ein konkreter Anhaltspunkt dafür vorliegen muss, dass der Schuldner die ausstehende Forderung nicht oder nicht vollständig bedienen können wird. In Tz. 9 des Entwurfs definiert das BMF folgende Kriterien für eine EWB:

a) 90 Tage ununterbrochener Zahlungsverzug am Bilanzstichtag und bis zum Tag der Aufstellung der Bilanz (ein ununterbrochener Zahlungsverzug liegt nicht mehr vor, wenn drei vereinbarte Zahlungen hintereinander bis zur Bilanzaufstellung geleistet werden);

b) drei aufeinanderfolgende rückständige Raten je Darlehenskonto am Bilanzstichtag und bis zum Tag der Aufstellung der Bilanz (ein ununterbrochener Zahlungsverzug liegt nicht mehr vor, wenn drei vereinbarte Zahlungen hintereinander bis zur Bilanzaufstellung geleistet werden);

c) Insolvenzantrag am Bilanzstichtag;

d) Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO durch den Schuldner am Bilanzstichtag oder

e) Tod des Schuldners bei überschuldetem Nachlass am Bilanzstichtag.

Das BMF räumt auch die Möglichkeit ein, andere als die oben genannten Kriterien zur Feststellung einer akuten Zahlungsstörung heranzuziehen. Allerdings muss dann das jeweilige Kreditinstitut nachweisen, dass der Wert der Forderung am Bilanzstichtag dauerhaft gemindert ist. Wie dieser Nachweis konkret auszusehen hat, wird nicht vom BMF ausgeführt und dürfte daher in der Praxis zu Unsicherheiten führen.

Das Wertaufholungsgebot § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i.V.m. Nr. 1 S. 4 EStG ist zudem an den folgenden Bilanzstichtagen zu beachten.

2. Einzelwertberichtigung der Höhe nach

Als Obergrenze für den Teilwert sind die Anschaffungskosten (Nominalwert) und als Wertuntergrenze der erzielbare Wert im Veräußerungsfall heranzuziehen. In der Praxis kann die Bestimmung des niedrigeren Teilwerts aufgrund eines akuten Ausfallrisikos nur im Rahmen einer sachgerechten Schätzung erfolgen. Diese muss auf einer objektiven Grundlage (Vergangenheitserfahrungen) beruhen und darf zukünftige Entwicklungen nicht einbeziehen. Die hierfür notwendigen Informationen können mit Hilfe eines EDV-gestützten Systems ermittelt werden. Mit Hinblick auf zukünftige Betriebsprüfungen ist jedoch immer sicherzustellen, dass die Daten maschinell auswertbar und für die Finanzverwaltung nachvollziehbar sind. Es sind die Grundsätze zur Führung von elektronischen Aufzeichnungen und Unterlagen zu beachten (GoBD).

Die Höhe der Wertberichtigungsquote ergibt sich aus den institutsspezifischen Vergangenheitswerten und wird insbesondere durch die folgenden Faktoren beeinflusst:

  • vorhandene Sicherheiten,
  • Dauer der Zahlungsstörung und
  • Umfang noch zu erwartender Tilgungsanteile.

Ebenfalls zu berücksichtigen ist sind die erzielbare Insolvenzquote im Insolvenzfall, bestehende Restschuldversicherungen, der erzielbare Erlös bei Verkauf der zweifelhaften Forderungen an Inkassounternehmen und eigene Maßnahmen des Kreditinstituts zur Beitreibung der ausstehenden Forderungen.
Der Teilwert ergibt sich rechnerisch wie folgt:

a) Unbesicherte Darlehen

Nominalwert der Forderung ./. zu erwartende Tilgung = Wertberichtigung
Nominalwert der Forderung ./. Wertberichtigung = Teilwert

Der Teilwert entspricht also der zu erwartenden Tilgung.

b) Besicherte Darlehen

Nominalwert der Forderung ./. Sicherheitenwert ./. zu erwartende Tilgung = Wertberichtigung
Nominalwert der Forderung ./. Wertberichtigung = Teilwert

Der Teilwert entspricht also der zu erwartenden Tilgung zzgl. dem Wert der Sicherheit, welche direkt oder indirekt im Zusammenhang mit der Forderung steht. Das BMF geht hierbei auch auf den Wertansatz für verschiedene Sicherheiten ein (bspw. Grundschulden, Bürgschaften oder Sicherungsübereignung).

3. Pauschale Einzelwertberichtigung (pEWB)

Aufgrund der hohen Anzahl an Forderungen (vor allem im Rahmen des Massekreditverfahrens) ist die EWB für jede einzelne Forderung oft systematisch zu aufwendig. Es können daher homogene Gruppen / Portfolios gebildet werden, welche mit einem einheitlichen Wertminderungssatz abgeschrieben werden. Die Portfoliobildung muss auf einheitlichen, institutsspezifischen Kriterien basieren und der Finanzverwaltung offengelegt werden, sowie für diese nachvollziehbar sein.

Auch für die pEWB müssen die Kriterien für eine EWB dem Grund nach (siehe oben unter 1.) erfüllt sein.

Das Verfahren zur Ermittlung der Wertminderungsquote kann ebenfalls EDV-gestützt ermittelt und dokumentiert werden. Das Scoringverfahren im Rahmen der Bonitätsprüfung muss dabei für die Anwendung die im BMF-Schreiben dargestellten Voraussetzungen erfüllen. Die pEWB kann nach dem Berechnungsschema für PWB (BMF-Schreiben vom 10. Januar 1994) ermittelt werden und darf diese als Obergrenze nicht überschreiten.

4. Steuerliches Vereinfachungsverfahren

Es wird nicht beanstandet, wenn anstelle des oben dargestellten Verfahrens zur Ermittlung der EWB und pEWB für alle Forderungen gegenüber Kunden i.S.d. § 15 RechkredV eine standardisierte Wertminderungsquote angewandt wird. Die Wertminderungsquote wird dabei auf alle Forderungen einheitlich angewandt. Der handelsbilanzielle Ansatz darf nicht unterschritten werden.

Für besicherte und unbesicherte Forderungen sind unterschiedliche Wertminderungsquoten anzuwenden, daher muss die Unterteilung der beiden Gruppen dokumentiert werden. Eine Restschuldversicherung ist dabei als Besicherung zu werten.

Bei einem Zahlungsverzug von unter 90 Tagen erfolgt keine Wertberichtigung. Bei einem Zahlungsverzug von mindestens 90 Tagen gelten die der Tabelle nach Tz. 58 aufgeführten einheitlichen Wertberichtigungsquoten (bspw. Berichtigungsquote bei Zahlungsverzug von 180 Tagen: unbesicherte Forderungen 40 %, besicherte Forderungen 4 %). Bei unbesicherten Forderungen beginnt die Wertberichtigung mit 10 % und erhöht sich alle 30 Tage um weitere 10 % bis zu einer vollständigen Abschreibung nach Ablauf von 360 Tagen Zahlungsverzug. Bei besicherten Forderungen beginnt die Wertberichtigung mit 1 % und erhöht sich alle 30 Tage um weitere 1 % (bis 660 Tage Zahlungsverzug, max. 20 % des Nominalwerts der Forderung auf den pauschalen Sicherheitenwert). Wenn die Sicherheit vollständig verwertet wurde, ist die restliche Forderung vollständig abzuschreiben.

Das Vereinfachungsverfahren darf erstmals für Wirtschaftsjahre in Anspruch genommen werden, die nach der Veröffentlichung des finalen BMF-Schreibens im Bundessteuerblatt enden und ist letztmals für vor dem 1. Januar 2031 endende Wirtschaftsjahre anwendbar.

Fazit

​Im Rahmen des zu erwartenden BMF-Schreibens gibt die Finanzverwaltung endlich klare Kriterien vor, an welchen sich Kreditinstitute hinsichtlich der Einzelwertberechtigung orientieren können und schafft somit mehr Sicherheit für künftige Betriebsprüfungen. Kreditinstitute sollten nun individuell prüfen, inwiefern das bisher angewendete Verfahren zur Bestimmung der Einzelwertberechtigung beibehalten kann oder angepasst werden muss. Zudem sollte sowohl aus bilanzieller als auch aus organisatorischer Sicht das optimale Verfahren zum Ansatz in der Steuerbilanz auf Institutsebene evaluiert werden. In diesem Rahmen ist auch zu prüfen, ob die aktuellen EDV-Systeme alle notwendigen Daten zur Nachvollziehbarkeit bieten und die Dokumentationserfordernisse der GoBD erfüllt sind.

Betroffene Normen

​§ 6 EStG, § 252 HGB, § 253 HGB, § 5 EStG, § 15 RechKredV

Fundstelle

BMF, Entwurfschreiben vom 12.04.2023 

Ihre Ansprechpartner

Birgit Köhler
Partner

bkoehler@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 5033

Sophia Ritzmann
Manager

soritzmann@deloitte.de
Tel.: +49 69 7569 57535

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