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11.08.2022
Rechnungslegung

BFH: Wirtschaftliches Eigentum bei Einräumung von Filmverwertungsrechten

Einem Nutzungsberechtigten kann das wirtschaftliche Eigentum an Filmrechten dann nicht zugerechnet werden, wenn der zivilrechtliche Eigentümer während der Nutzungsdauer der Filmrechte durch erfolgsabhängige Vergütungen weiterhin an Wertsteigerungen der Filmrechte beteiligt ist. Die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze können nicht uneingeschränkt übertragen werden (anders wohl BMF-Schreiben vom 23.02.2001, Rz. 16), da eine verlässliche Einschätzung der Wertentwicklung von Filmrechten bei Vertragsabschluss regelmäßig anders als bei Leasingverträgen über materielle Wirtschaftsgüter nicht möglich ist.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Filmproduktionsgesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG, war alleinige Eigentümerin an den Rechten eines Films. Sie übertrug die Verwertungsrechte an dem Film für einen Zeitraum von 42 Jahren an die (ausländische) Lizenznehmerin F. Der Klägerin standen neben fixen Zahlungen variable Beteiligungs-Lizenzgebühren zu, die sich an den Erlösen aus der Verwertung des Films orientierten. Für das Auslaufen des Vertrages wurden verschiedene Endschaftsregelungen vereinbart. So konnte die Vertragslaufzeit einvernehmlich verlängert werden. Kam es nicht zu einer entsprechenden Vertragsverlängerung, stand F eine Kaufoption zu. Eine Verkaufsoption der Klägerin bestand nur in den Fällen der Auflösung, Liquidation oder Insolvenz der F bzw. in Fällen von Vertragsstörungen oder -verletzungen. Wurde weder die Vertragslaufzeit verlängert noch die Kaufoption seitens F ausgeübt, konnte die Klägerin von F ein zinsloses Darlehen verlangen.

Das Finanzamt war der Meinung, die Übertragung der Filmverwertungsrechte habe zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Filmrechten auf F geführt. Dem widersprach das FG. 

Entscheidung

Der BFH gelangt nun ebenso wie das FG zu dem Ergebnis, dass die Klägerin mit dem Abschluss des Filmvertriebsvertrags das wirtschaftliche Eigentum an den Filmrechten nicht auf F übertragen und daher keine (abgezinste) Kaufpreisforderung zu aktivieren hat.

Gesetzliche Grundlage

Wirtschaftsgüter sind nach § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO).

Wirtschaftliches Eigentum bei Nutzungsüberlassung

Ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers wird in der Rechtsprechung u.a. angenommen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat. Auch eine Nutzungsüberlassung kann wirtschaftlich eine Veräußerung des Rechts darstellen. 

Allerdings hat ein Nutzungsberechtigter in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut. Etwas anderes kann gelten, wenn der Nutzungsberechtigte statt des Eigentümers die Kosten der Anschaffung oder Herstellung eines von ihm selbst genutzten Wirtschaftsguts trägt und ihm für die voraussichtliche Nutzungsdauer Substanz und Ertrag des Wirtschaftsguts wirtschaftlich zustehen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28.05.2015, IV R 3/13, vom 13.10.2016, IV R 33/13 und vom 02.06.2016, IV R 23/13).

Allgemeine Zurechnungsgrundsätze

Eine wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO kommt auch bei entgeltlichen Nutzungsüberlassungen in Betracht, bei denen das Gesamtentgelt die vom Eigentümer getragenen Anschaffungs- und Herstellungskosten abdeckt, wenn sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Gegenstands und die Grundmietzeit annähernd decken oder zwar die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer erheblich länger als die Grundmietzeit ist, jedoch dem Nutzungsberechtigten ein Recht auf Verlängerung oder Kauf zusteht und bei Ausübung der Option nur ein geringer Mietzins oder Kaufpreis zu entrichten ist, d.h. bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung mit der Ausübung des Rechts zu rechnen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28.05.2015, IV R 3/13, vom 13.10.2016, IV R 33/13 und vom 02.06.2016, IV R 23/13). Hierfür muss dem Nutzungsberechtigten allerdings eine entsprechende rechtliche Befugnis z.B. in Gestalt einer Verlängerungs- oder Kaufoption zustehen. Hieran fehlt es, wenn lediglich eine Befugnis des Eigentümers z.B. in Gestalt eines Andienungsrechts besteht, selbst wenn dies von Anfang an so ausgestaltet ist, dass seine Ausübung als wirtschaftlich vernünftig erscheint (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.2016, IV R 33/13). 

Übertragbarkeit der Grundsätze für Leasingverträge

Diese allgemeinen Grundsätze gelten nach dem BFH auch für die Nutzungsüberlassung von Filmrechten, allerdings seien die hier bestehenden Besonderheiten zu beachten. Diese schließen es nach Ansicht des BFH aus, die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze uneingeschränkt auf die Nutzungsüberlassung von Filmrechten zu übertragen. Die Finanzverwaltung vertritt dagegen in dem BMF-Schreiben vom 23.02.2001, Rz. 16, die Auffassung, dass wenn die Vertriebsvereinbarungen feste Laufzeiten und zusätzlich Verwertungsabreden (z. B. An- und Verkaufsoptionen und Ähnliches) vorsehen, die für Leasingverträge geltenden Grundsätze entsprechend heranzuziehen sind.

Der BFH begründet die Nichtübertragbarkeit der Leasinggrundsätze damit, dass es sich bei Filmrechten um immaterielle Wirtschaftsgüter handelt, die anders als Leasinggegenstände nicht in bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter unterschieden werden können. Zudem weist der BFH darauf hin, dass anders als bei einer Leasingvereinbarung, keine verlässliche ex ante-Einschätzung der Wertentwicklung von Filmrechten möglich sei, da in der Regel nicht absehbar sei, ob der Film erfolgreich sein wird. Dies zeige sich auch daran, dass bei der Überlassung von Filmrechten – anders als in Leasingvereinbarungen über materielle Wirtschaftsgüter – neben festen regelmäßig auch variable, an den Ertrag der Filmrechte geknüpfte Lizenzraten vereinbart werden. Während die Vertragsbeteiligten bei der Nutzungsüberlassung von materiellen Wirtschaftsgütern angesichts branchentypischer Erfahrungswerte den nutzungsbedingten Werteverzehr, die Wertentwicklung und die technische Überalterung vergleichsweise zuverlässig einschätzen könnten, sei dies bei Filmrechten nicht möglich. Dies führe letztlich auch dazu, dass die Bewertung der Konditionen einer Kaufoption und die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Ausübung dieses Rechts nur bedingt möglich sei, zumal es bei Filmrechten an einem annähernd proportionalen Zusammenhang von Herstellungskosten und Nutzungspotential fehle.

Wirtschaftliches Eigentum bei Filmrechten

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann dem Nutzungsberechtigten zwar ausnahmsweise das wirtschaftliche Eigentum an Filmrechten zuzurechnen sein. Dies kommt dem BFH zufolge allerdings nur in Betracht, wenn der zivilrechtliche Eigentümer infolge der vertraglichen Vereinbarungen während der gesamten voraussichtlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von deren Substanz und Ertrag wirtschaftlich ausgeschlossen ist. Hieran fehle es z.B., wenn der zivilrechtliche Eigentümer durch erfolgsabhängige Vergütungen während der gesamten Vertragslaufzeit weiterhin von Wertsteigerungen der Filmrechte profitiert.

Übertragung auf den Streitfall

Nach Würdigung aller im Streitfall getroffenen Vereinbarungen kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass F die Klägerin auf der Grundlage des Filmvertriebsvertrags nicht für die gesamte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Filmrechte wirtschaftlich aus ihrer Stellung als Eigentümerin verdrängen könne. Auch die ungewöhnlich lange Laufzeit des Filmbetriebsvertrages könne keinen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bewirken. Denn eine sich mit Ablauf der Vertragslaufzeit ergebende Wertlosigkeit der Filmrechte könne in Anbetracht der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von 50 Jahren auch bei einer Vertragslaufzeit von 42 Jahren nicht angenommen werden. Dass das Nutzungspotential von Filmrechten regelmäßig in den ersten Jahren überproportional hoch ist, könne ebenfalls nicht begründen, dass der Wert des Filmrechts am Ende der Vertragslaufzeit verbraucht sei.

Auch die vertraglichen Endschaftsregelungen stünden dem nicht entgegen. Unter Berücksichtigung der fortbestehenden Teilhabe der Klägerin an etwaigen Wertsteigerungen der Filmrechte während der Vertragslaufzeit hätten die Endschaftsregelungen keinen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Filmrechten auf F bewirkt.

Betroffene Normen

§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO

Streitjahr ​2009, 2010

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 11.09.2019, 3 K 2193/17, EFG 2020, S. 1205

Fundstelle

BFH, Urteil vom 14.04.2022, IV R 32/19, BStBl II 2022, S. 832

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 02.06.2016, IV R 23/13, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 13.10.2016, IV R 33/13, BStBl. II 2018, S. 81, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 28.05.2015, IV R 3/13

BMF, Schreiben vom 23.02.2001, BStBl. I 2001, S. 175

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