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29.11.2018
Rechnungslegung

BFH: Kein Abzinsungsgebot bei nachträglich vereinbarter Verzinsung

Wird ein zunächst unverzinsliches Darlehen in ein verzinsliches Darlehen umgewandelt, ist auch dann keine Abzinsung vorzunehmen, wenn die Verzinsungsabrede zwar vor dem Bilanzstichtag erfolgte, der Zinslauf aber erst danach begann.

Sachverhalt

Die Klägerin nahm 2010 zum Erwerb von Aktien der B-AG bei ihrem Alleingesellschafter X ein jederzeit mit einer Frist von 30 Tagen kündbares Darlehen ohne feste Laufzeit auf. Das Darlehen sollte ursprünglich nur dann verzinslich sein, wenn die B-AG Dividenden zahlt (bedingte Zinsvereinbarung in Höhe von 3 %), die zur Zinszahlung eingesetzt werden sollten. Es bestand die Absicht, die Beteiligung an der B-AG noch in 2010 wieder zu veräußern und aus dem Erlös das Darlehen zurückzuzahlen. Nachdem sich indes die wirtschaftliche Situation der B-AG verschlechterte, blieben Dividendenzahlungen an die Klägerin und in der Folge Zinszahlungen der Klägerin an C aus und auch ein Verkauf der Beteiligung zeichnete sich nicht mehr ab. Daraufhin vereinbarte die Klägerin mit C noch im November 2010, allerdings erst mit Wirkung ab dem 01.01.2011 eine Mindestverzinsung.

In ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2010 passivierte die Klägerin die Darlehensverbindlichkeit in voller Höhe. Das Finanzamt folgte dem nicht und zinste die Verbindlichkeit gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG (über eine geschätzte Restlaufzeit von 12 Jahren) mit 5,5% ab und erhöhte den Gewinn. Einspruch und Klage blieben erfolglos. 

Entscheidung

Entgegen der Auffassung des FG kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass sich vorliegend um ein verzinsliches Darlehen zum Bilanzstichtag handelt. Somit ist dieses mit dem Nominalbetrag zu passivieren. Eine Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG ist nicht vorzunehmen.

Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen. Ausnahme von der Abzinsung bilden Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit am Bilanzstichtag von weniger als 12 Monaten sowie Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruhen.

Befreiung vom Abzinsungsgebot für verzinsliche Verbindlichkeiten

Von einer verzinslichen Verbindlichkeit ist auszugehen, wenn das Darlehen mit einer Zinsvereinbarung verbunden ist (BFH-Urteil vom 27.01.2010, I R 35/09). Dabei steht die Nichtzahlung der vereinbarten Zinsen einer Verzinslichkeit nicht entgegen (BFH-Beschluss vom 29.06.2009, I B 57/09). Nach der Gesetzesbegründung soll eine Abzinsung nur deshalb erfolgen, um einen Zinsvorteil zu verhindern. Ist jedoch das Darlehen verzinst, ist der Darlehensnehmer mit einer in der Zukunft zu erfüllenden Verpflichtung nicht weniger belastet als mit einer sofortigen Leistungspflicht. Bezüglich der Höhe der Verzinsung bestehen nach dem Gesetzeswortlaut keine Anforderungen. Die Finanzverwaltung verlangt einen "Zinssatz von mehr als 0 %" (BMF-Schreiben vom 26.05.2005, Rz 13). Wird eine kurzzeitige Verzinsung von vornherein vereinbart, so ist nach Ansicht des BMF eine verzinsliche Verbindlichkeit gegeben und eine Abzinsung soll unterbleiben (BMF-Schreiben vom 26.05.2005, Rz 17).

Spätere Zinsvereinbarung

Wird zunächst ein unverzinsliches Darlehen hingegeben und eine Verzinsung später vereinbart, so geht die Finanzverwaltung ebenfalls von einer verzinslichen Verbindlichkeit aus (BMF-Schreiben vom 26.05.2005, Rz 18). Auch das FG Berlin-Brandenburg ist der Auffassung, dass ab dem Zeitpunkt der Abrede einer Verzinsung von einer verzinslichen Verbindlichkeit auszugehen ist (Beschluss vom 06.01.2009, 12 V 12283/07). Das sieht auch die Literatur so.

Zinsvereinbarung vor dem Bilanzstichtag für Zeit danach

Offen ist aber, was gilt, wenn vor dem Bilanzstichtag eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde, die aber erst für Zeiträume nach diesem Bilanzstichtag eine Verzinsung vorsieht. Das BMF scheint auch in diesem Fall von einer verzinslichen Verbindlichkeit auszugehen (BMF-Schreiben vom 26.05.2005, Rz 18 i.V.m. Rz 17). Auch der BFH gelangt zu der Ansicht, dass eine spätere (unbedingte) Verzinsungsabrede zu einer verzinslichen Verbindlichkeit i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG führt, die zum Zeitpunkt des folgenden Bilanzstichtages zu berücksichtigen ist. Dies gelte aufgrund des Zwecks der Vorschrift auch dann, wenn die Verzinsung erst nach dem Bilanzstichtag erfolgt. Da bereits bei der Ermittlung des anzusetzenden Betrags für die Verbindlichkeit (= Zeitpunkt des Bilanzstichtages) Zinsaspekte der Zukunft zu berücksichtigen sind, greife zu diesem Zeitpunkt auch die Befreiung vom Abzinsungsgebot.

Keine Frage eines wertaufhellenden oder wertbegründenden Ereignisses

Eine Differenzierung zwischen wertaufhellenden und wertbegründenden Tatsachen ist nur bei Tatsachen beachtlich, die nach dem Bilanzstichtag und bis zur Aufstellung der Bilanz eingetreten sind oder bekannt bzw. erkennbar werden. Im vorliegenden Fall war die maßgebliche Zinsvereinbarung vom 24.11.2010 am Bilanzstichtag 31.12.2010 bekannt.

Betroffene Norm

§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG

Streitjahr 2010

Anmerkungen

Der BFH lässt in seinem Urteil die Beurteilung von einigen in der Praxis beachtlichen Fallkonstellationen offen:

  • Lag schon im Zeitpunkt der ursprünglichen bedingten Darlehensvereinbarung eine verzinsliche Verbindlichkeit vor? Nach Ansicht des BFH könnte dafür sprechen, dass auch eine bedingte Verzinsung (im Streitfall 3 % im Fall einer Dividendenzahlung der AG) eine Zinsvereinbarung darstellt.
  • Kann auch für Fälle einer kurzfristigen oder einer minimalen Verzinsung eine „verzinsliche Verbindlichkeit“ i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG angenommen werden? Der Finanzverwaltung genügt ein "Zinssatz von mehr als 0 %" (BMF-Schreiben vom 26.05.2005, Rz 13). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich hierzu aber – soweit ersichtlich – noch nicht geäußert. 

Vorinstanz

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.02.2016, 11 K 12058/13, EFG 2016, S. 1161, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 18.09.2018, XI R 30/16, BStBL. II 2019, S.67

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 27.01.2010, I R 35/09, BStBl. II 2010, S. 478

BFH, Beschluss vom 29.06.2009, I B 57/09, BFH/NV, S. 1804

BMF, Schreiben vom 26.05.2005, IV B 2 -S 2175- 7/05, BStBl. I 2005, S. 699

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.01.2009, 12 V 12283/07, rechtskräftig, EFG 2009, S. 564

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