BFH: Bilanzkorrektur bei fehlerhafter Aktivierung eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens
Wurden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in einem bestandskräftig veranlagten Jahr nur unvollständig aktiviert, führt der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs zu einer erfolgswirksamen Nachaktivierung im ersten verfahrensrechtlich noch offenen Jahr. Nicht einschlägig im Fall der fehlerhaften Aktivierung eines Wirtschaftsguts ist die BFH-Rechtsprechung zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze, nach der bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Berichtigung eines Bilanzwertes dann nicht geboten ist, wenn sich der Fehler in den folgenden Jahren durch Ansatz des zutreffenden AfA-Satzes von selbst aufhebt und der richtige Totalgewinn gewährleistet ist.
Sachverhalt
Der Kläger betrieb einen Einzelhandel, bestehend aus den Teilbetrieben in A und B. Die Filiale in A betrieb der Kläger in angemieteten Räumen, die er im Jahr 1998 umbaute. Er hatte sich dabei gegenüber der Stadt A zur Ablösung von sieben notwendigen Kraftfahrzeugstellplätzen verpflichtet. Den Ablösungsbetrag passivierte der Kläger im Jahresabschluss zum 31.12.1998 als kurzfristige sonstige Verbindlichkeit, wobei er als Gegenkonto "sonstige Aufwendungen" buchte.
Zum 01.03.2000 veräußerte der Kläger den Teilbetrieb in A. Nach einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass der Ablösungsbetrag zu den Herstellungskosten der Mietereinbauten gehöre und deshalb kein "sofort abziehbarer Aufwand" sei. Da der Bilanzansatz für das Wirtschaftsgut "Mietereinbauten" zum 31.12.1999 unrichtig und die Bilanz nicht mehr änderbar sei, müsse der Fehler im Rahmen der ersten offenen Bilanz erfolgswirksam berichtigt werden. Dies sei die Bilanz, die im Rahmen der Teilbetriebsveräußerung zum 29.02.2000 aufzustellen sei. Infolgedessen gelangte das Finanzamt zu einem geminderten Veräußerungsgewinn und zu einer entsprechenden Erhöhung des laufenden Ergebnisses des Jahres 2000. Einspruch und Klage gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 blieben erfolglos.
Entscheidung
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Ablösungsbetrag zum 29.02.2000 als Herstellungskosten der Mietereinbauten zu berücksichtigen, der laufende Gewinn aus Gewerbebetrieb vom 01.01. bis 29.02.2000 zu erhöhen und der Veräußerungsgewinn entsprechend zu mindern war.
Der begünstigte Veräußerungsgewinn ist vom laufenden Gewinn des Gesamtbetriebs abzugrenzen, ohne dass bei einer Teilbetriebsveräußerung eine Schlussbilanz aufzustellen ist. Der Wert des Betriebsvermögens ist auf den Zeitpunkt der Veräußerung (im Streitfall auf den 29.02.2000) zu schätzen.
Als Herstellungskosten sind Ablöseverpflichtungen, die in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Herstellung eines Gebäudes anfallen, zu aktivieren. Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass der Ablösungsbetrag für die Kfz-Stellplätze im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den Baumaßnahmen am Mietgrundstück stand, so dass er bei den Herstellungskosten der Mietereinbauten hätte aktiviert werden müssen.
Eine Aktivierung des Ablösungsbetrags war zwar weder zum 31.12.1998 noch zum 31.12.1999 möglich, da für beide Jahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Der Ablösungsbetrag als Teil der Herstellungskosten der Mietereinbauten kann aber zugunsten des laufenden Gewinns bei der Ermittlung der Buchwerte der Wirtschaftsgüter des veräußerten Teilbetriebs zum 29.02.2000 berücksichtigt werden.
Nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs müssen Bilanzen für Zwecke der Veranlagung und der Gewinnfeststellung grundsätzlich im Fehlerjahr und in den Folgejahren berichtigt werden. Ist eine solche Berichtigung jedoch nicht mehr möglich, weil die Feststellungs- oder Steuerbescheide bereits formell und materiell bestandskräftig sind, ist die erfolgswirksame Korrektur in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in der sie mit steuerlicher Wirkung möglich ist. Diese Grundsätze sind ebenso zu beachten, wenn bei einer Teilbetriebsveräußerung auch ohne Erstellung einer Schlussbilanz der Veräußerungsgewinn zu ermitteln ist.
Der BFH hat entschieden, dass in den Fällen, in denen Aufwendungen auf ein Wirtschaftsgut, die sofort abziehbare Betriebsausgaben waren, fehlerhaft als nachträgliche Anschaffungskosten aktiviert wurden, die Bilanz in der Weise zu berichtigen ist, dass die zu Unrecht aktivierten Aufwendungen erfolgswirksam abgeschrieben werden (BFH-Urteil vom 12.11.1992). Konsequenterweise muss dann auch bei dem umgekehrten Vorgang, wenn Aufwendungen auf ein Wirtschaftsgut, die nachträgliche Herstellungskosten waren, zu Unrecht aber als sofort abziehbare Betriebsausgaben behandelt wurden, in der ersten noch offenen Bilanz eine Berichtigung möglich sein. Für den Streitfall, in dem der Ablösungsbetrag im Jahr 1998 fehlerhaft als Betriebsausgabe abgezogen wurde, bedeutet dies, dass der fiktive Restbuchwert des Wirtschaftsguts (hier: Mietereinbauten einschließlich des Ablösungsbetrags unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich abziehbaren AfA) bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns anzusetzen ist, so wie er im Rahmen einer Schlussbilanz anzusetzen wäre.
Da es sich um eine fehlerhafte Aktivierung eines Wirtschaftsguts handelt, ist die BFH-Rechtsprechung zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze nicht einschlägig, nach der bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Berichtigung eines Bilanzwertes dann nicht geboten ist, wenn sich der Fehler in den folgenden Jahren durch Ansatz des zutreffenden AfA-Satzes von selbst aufhebt und der richtige Totalgewinn gewährleistet ist (vgl. BFH-Urteile vom 11.12.1987 und vom 04.05.1993). Der BFH sieht keine Notwendigkeit, über diese - eng begrenzte - Rechtsprechung hinaus weitere Ausnahmen vom Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs zuzulassen.
Betroffene Norm
§ 5 EStG, § 255 Abs. 2 HGB
Streitjahr 2000
Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.10.2010, 15 K 261/09
Fundstelle
BFH, Urteil vom 09.05.2012, X R 38/10, BStBl II 2012, S. 725
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 12.11.1992, IV R 59/91, BStBl II 1993, S. 392
BFH, Urteil vom 11.12.1987, III R 266/83, BStBl II 1988, S. 335
BFH, Urteil vom 04.05.1993, VIII R 14/90, BStBl II 1993, S. 661