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28.10.2014
Unternehmensrecht

Zur Auslegung einer arbeitsvertraglichen Vertragsstrafenklausel

Die arbeitsvertragliche Regelung einer Vertragsstrafe für den Fall der „Beendigung“ des Vertrages durch den Arbeitnehmer ohne Einhaltung der Kündigungsfrist erfasst nicht die vertragswidrige Leistungsverweigerung, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt entschieden hat (BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 8 AZR 130/13).

I. Sachverhalt

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war der Beklagte seit 2010 bei der C-GmbH als Verfahrensingenieur angestellt. Der zugrunde liegende vorformulierte Arbeitsvertrag sah eine Kündigungsfrist von sechs Monaten für beide Vertragsparteien vor und enthielt ferner folgende Regelung:

„Beenden Sie den Vertrag ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, so verpflichten Sie sich, als Vertragsstrafe für jeden Tag der vorzeitigen Beendigung einen Betrag in Höhe des durchschnittlichen Tagesverdienstes der letzten drei Monate, höchstens jedoch bis zu einem Brutto-Monatsgrundgehalt, zu zahlen.“

Nachdem am 30. September 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C-GmbH eröffnet wurde und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt wurde, kündigte der Beklagte am 11. November 2011 das Arbeitsverhältnis „zum nächstmöglichen Termin“ und erschien ab dem 1. Dezember 2011 nicht mehr zur Arbeit.

Trotz mehrfacher Aufforderungen durch den Kläger an den Beklagten, seine Arbeitsverpflichtungen aus dem Vertrag zu erfüllen, weigerte sich der Beklagte, seiner Arbeitsverpflichtung nachzukommen, da er sich bereits in einem neuen Arbeitsverhältnis befand.

Daraufhin kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung und machte im Klagewege die Vertragsstrafe geltend. Zur Begründung führte der Kläger aus, der Beklagte habe mit der Verweigerung der Arbeitsleistung die Vertragsstrafe verwirkt, sei also zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet. Die Verweigerung sei seine „Beendigung“ des Vertrages im Sinne der Vertragsstrafenklausel.

Der Beklagte vertrat hingegen die Ansicht, dass er das Arbeitsverhältnis fristgemäß, also zum 29. Februar 2012, beendet habe. Am 1. Dezember habe er nur die Erbringung der Arbeitsleistung eingestellt. Die Arbeitseinstellung sei gerade nicht von der Vertragsstrafenklausel erfasst, sondern nur die rechtliche Beendigung des Vertrages.

II. Entscheidung

Wie schon die beiden Vorinstanzen, wies auch das BAG die Klage ab.

Das BAG entschied, dass im konkreten Fall keine Verpflichtung des Beklagten bestehe, eine Vertragsstrafe zu zahlen.

Wie das BAG zunächst noch einmal klar-stellte, sei wegen der Besonderheiten im Arbeitsrecht gemäß § 310 Abs. 4, S. 2, 1. Halbsatz BGB eine Vertragsstrafenklausel im vorformulierten Arbeitsvertrag entgegen § 309 Nr. 6 BGB nicht generell unzulässig. Allerdings sei im Interesse des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen.

Die im Arbeitsvertrag des Beklagten enthaltene Vertragsstrafenklausel entspreche nur dann dem Bestimmtheitsgrundsatz im Sinne des § 307 Abs. 1, S. 2 BGB, wenn das die Vertragsstrafe auslösende Verhalten präzise beschrieben werde.

Vor diesem Hintergrund sei daher die Formulierung „Beenden Sie den Vertrag ...“ nur dann wirksam, wenn sie auf die rechtliche Vertragsbeendigung beschränkt sei. Eine Erweiterung auf eine fristgemäße Kündigung des Arbeitnehmers, eine bloße Arbeitsverweigerung oder auch Lossagung vom Vertrag scheide damit aus, da diese Vorgänge das Arbeitsverhältnis nicht beenden.

Vorliegend habe die fristlose Kündigung des Klägers das Arbeitsverhältnis zwar rechtlich beendet, allerdings stehe der Bestimmtheitsgrundsatz auch einer Erweiterung auf den Fall der fristlosen Kündigung aufgrund unberechtigter und beharrlicher Arbeitsverweigerung entgegen.

Die bloße Nichtleistung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung sei keine Beendigung des Vertrags. Solle die „Beendigung“ auch die „Nichtleistung“ erfassen, verstoße die Klausel wohl gegen das Transparenzgebot des § 307 Absatz I 2 BGB. Die Vertragsstrafe sei nicht für den Fall der Beendigung durch den Arbeitgeber vereinbart. Deshalb komme es nicht darauf an, ob der Beklagte durch eine unberechtigte und beharrliche Verweigerung seiner Arbeitsleistung einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung geschaffen habe.

Für den Kläger komme daher gegebenenfalls lediglich ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten in Betracht.

III. Hinweise für die Praxis

Sofern ein Arbeitnehmer ohne Einhaltung der für ihn geltenden Kündigungsfrist kündigt oder schlicht nicht mehr an seinem Arbeitsplatz erscheint, kann dem Arbeitgeber durch das plötzliche Fernbleiben ein Schaden entstehen. Zwar hat der Arbeitgeber dann die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer zu erheben und diesem zu kündigen, allerdings wird der entstandene Schaden in der Regel nur schwer zu beziffern sein, so dass der Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers regelmäßig wertlos ist.

In der Praxis fügen Arbeitgeber daher in den Arbeitsverträgen häufig Vertragsstrafenklauseln ein, die den Arbeitnehmer zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichten, wenn er das Arbeitsverhältnis "vertragswidrig löst". Diese Formulierung hat das BAG in vergangenen Entscheidungen als verständlich und somit als unproblematisch angesehen.

Ist allerdings in einer Vertragsstrafenklausel nicht von einem "vertragswidrigen Lösen" vom Vertrag die Rede, sondern, wie im vorliegenden Fall, von einer "Beendigung des Vertrags ohne Einhaltung der Kündigungsfrist", ist auf den ersten Blick nicht klar, was damit gemeint ist.

Wie das Urteil des BAG zeigt, stellt die Rechtsprechung an die rechtliche Zulässigkeit formularmäßig vereinbarter Vertragsstrafenklauseln sehr hohe Anforderungen, so dass die Wirksamkeit der gesamten Klausel durchaus an den hohen Bestimmtheits- und Transparenzanforderungen scheitern kann.

Daher sollten Arbeitgeber darauf achten, die in der Vertragsstrafenklausel beschriebene Pflichtverletzung so genau wie möglich zu definieren.

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