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16.11.2017
Unternehmensrecht

Umsetzung der BGH-Rechtsprechung zu individuellen Netzentgelten

 Nur Unternehmen, die Rechtsmittel eingelegt haben, profitieren auch rückwirkend. Bundesnetzagentur setzt für individuelle Netzentgelte BGH-Rechtsprechung zur Ausweitung des Berechtigtenkreises um, jedoch ohne allgemeine Rückwirkung

 Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat Unternehmen, die einen Teil ihres Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen decken, den Zugang zu reduzierten individuellen Netznutzungsentgelten erleichtert. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) beabsichtigt jetzt, diese Erleichterung nur für Unternehmen, deren Bescheide noch offen gehalten wurden, in einer Änderungsfestlegung umzusetzen.

 Erneut bestätigt sich, dass Unternehmen nicht davon profitieren, wenn sich nachträglich die Rechtsansicht der Bundesnetzagentur als falsch herausstellt, es sei denn sie haben einen – ggf. zunächst aussichtslosen – Antrag gestellt und Rechtsmittel eingelegt. Vor diesem Hintergrund ist die frühzeitige Einholung von Rechtsrat zur Wahrung entsprechender Rechte zu empfehlen.

 Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hatte mit seinem Urteil vom 13. Dezember 2016 (EnVR 38/15) entschieden, dass im Rahmen einer kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung von erneuerbarem Strom der Bezug von netzentgeltpflichtigem Ersatzstrom bei der Mindestbenutzungsdauer (7000 h) als Voraussetzung für ein sog. individuelles Netzentgelt gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) mitzählt. Dies eröffnet vielen Unternehmen, die einen Teil ihres Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen, im Übrigen jedoch aus dem Netz decken, erstmals die Möglichkeit auf ein entsprechend reduziertes Netznutzungsentgelt.

Bei der kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung wird der Verbrauch vor einer Entnahmestelle eines öffentlichen Netzes der allgemeinen Versorgung der physischen Einspeisung von erneuerbarem Strom in ein Netz der allgemeinen Versorgung gleichgestellt. Es wird dabei fingiert, dass der erneuerbare Strom in das öffentliche Netz eingespeist und im Gegenzug „grauer" Strom aus dem Netz bezogen wird, obwohl tatsächlich der erneuerbare Strom zuvor verbraucht und im entsprechenden Umfang physikalisch kein Strom aus dem öffentlichen Netz entnommen wird. Der kaufmännisch-bilanziell Einspeisende erhält dafür die Vergütung/Prämien nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz und muss sich für diesen „Ersatzstrom“ genauso eindecken wie für einen etwaigen darüber hinausgehenden Strombedarf.

Der BGH begründet dies maßgeblich damit, dass für den Ersatzstrom Netzentgelte anfielen, so wie dies auch für physikalisch aus dem öffentlichen Netz bezogenen Strom gelte. Es sei daher inkonsequent, Ersatzstrom im Rahmen der Voraussetzungen für individuelle Netzentgelte anders zu behandeln.

Dieses Argument ist allerdings zweifelhaft, weil es sich bei § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV nicht um eine allgemeine Entlastungsnorm für stromintensive Unternehmen handelt, die eine Einbeziehung der Ersatzstrommengen rechtfertigen könnte. Die individuellen Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV sollen den jeweiligen Beitrag des Unternehmens zu einer Senkung der Kosten der Netz- oder Umspannebene widerspiegeln. Die tatbestandliche Voraussetzung einer bestimmten Mindestnutzungsdauer beschränkt diese Erleichterung auf Fälle einer gleichwohl kontinuierlichen und deshalb netzstabilisierenden Nutzung über das Kalenderjahr. Mithin kommt es nach Sinn und Zweck dieser Norm grundsätzlich auf die physikalische Stromentnahme aus dem Netz an.

Letztendlich unterscheidet sich die Situation im Hinblick auf den eigentlichen Zweck der Vorschrift nicht gegenüber der Situation der teilweisen Eigenversorgung mit Strom aus fossilen Energieträgern, die eine bilanziell-kaufmännische Einspeisung nicht kennt. Tatsächlich hatte das Unternehmen im vorstehenden Verfahren hilfsweise geltend gemacht, dass die netzstabilisierende Wirkung unabhängig davon eintrete, ob Letztverbraucher den Strom physikalisch in einer dem Netz der allgemeinen Versorgung nachgelagerten Kundenanlage verbrauchen oder direkt aus einem Netz der allgemeinen Versorgung entnehmen. Dies gälte dann aber unabhängig von der Eigenschaft als grüner Strom. Der BGH hat diese Frage ausdrücklich offengelassen, so dass hier für Unternehmen mit fossiler Eigenversorgung Handlungsbedarf bestehen könnte.

Die Beschlusskammer 4 der BNetzA hat am 4. Oktober 2017 ein Verfahren zur Änderung der Festlegung hinsichtlich der sachgerechten Ermittlung individueller Entgelte gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV vom 11. Dezember 2012 (Az.: BK4-13-739) unter dem Aktenzeichen BK4-13-739A02 eingeleitet. Darin übernimmt die BNetzA die Rechtsprechung des BGH, ohne ihr jedoch allgemein eine Rückwirkung zuzubilligen bzw. selbst Unternehmen, deren Anträge (rechtswidrig) abgelehnt worden sind, welche aber keine Rechtsmittel dagegen ergriffen haben, neu zu bescheiden.

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