Die überarbeiteten Vorgaben des Nachweisgesetzes 2022 an die Vergütung im Arbeitsverhältnis.
Am 1. August 2022 ist die Neufassung des Nachweisgesetzes (NachwG 2022) in Kraft getreten. Die Praxis hat bei der Umsetzung den Fokus bisher vor allem auf die erstmals im NachwG 2022 geregelten Nachweispflichten (u.a. zur Anordnung von Überstunden, zur Probezeit, zur Arbeit auf Abruf sowie zum Verfahren bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses) gelegt. Das NachwG 2022 enthält auch erweiterte Vorgaben zur Nachweispflicht zu den im Arbeitsverhältnis gewährten Vergütungsbestandteilen (inklusive der betrieblichen Altersversorgung). In diesem Client Alert erörtern wir die relevanten Implikationen für die Praxis.
Der Gesetzgeber setzt mit dem NachweisG 2022 die entsprechenden Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union („EU-Nachweis-RL II“) um. Die EU-Nachweis-RL II hatte die ursprüngliche EU-Nachweis-Richtlinie (91/533/EWG) abgelöst, die wiederum die Grundlage für die bisherige Fassung des Nachweisgesetzes („NachwG I“) bildete. Der deutsche Gesetzgeber hatte am 2. Mai 2022 einen Entwurf zum NachwG 2022 veröffentlicht (s. dazu den Deloitte Legal-Client Alert) und hat das NachwG 2022 am 20. Juli 2022 erlassen.
Das Nachweisgesetz bestimmte schon in seiner bisherigen Fassung (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 NachwG I) die Nachweispflicht für die im Arbeitsverhältnis gewährten Vergütungsbestandteile, konkret zur Zusammensetzung und zur Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit. Dies – mit Blick auf den Gesetzeszweck –, um den Arbeitsvertragsparteien und vor allem dem Mitarbeiter Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für die relevanten Vergütungsbestandteile zu verschaffen. Von dieser Vorgabe konnte der Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 3 NachwG I nur abweichen für Vergütungsbestandteile, die aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebs-/Dienstvereinbarung gewährt wurden, indem er auf die einschlägige kollektivrechtliche Regelung hinwies.
Die Anforderungen des NachwG I wurden in der Praxis mitunter nicht in der vom Gesetzgeber intendierten Weise umgesetzt, indem der Arbeitgeber vor allem bei freiwillig gewährten Leistungen die von ihm gewünschte Flexibilität zu Lasten des Nachweises der inhaltlichen Parameter des konkreten Vergütungsbestandteils beibehalten wollte. Materielle Rechtsfolgen musste er aus einem dann gegebenen Verstoß gegen die gesetzlichen Nachweispflichten nicht befürchten: Der Mitarbeiter konnte, abgesehen von seinem Anspruch auf den Nachweis der Arbeitsbedingungen, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nur einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber geltend machen, wenn er den nicht verschriftlichten und einer (mindestens dreimonatigen) Ausschlussfrist unterliegenden Vergütungsbestandteil wegen Unkenntnis innerhalb der Ausschlussfrist nicht geltend machen konnte. In der Praxis konnte der Mitarbeiter allerdings oft nicht die erforderliche Kausalität zwischen der Verletzung der Nachweispflicht und dem – im monetären Gegenwert des Vergütungsbestandteils liegenden – Schaden schlüssig darlegen, so dass entsprechende Klagen für Mitarbeiter risikobehaftet waren und in der Regel nicht erhoben wurden. Die Praxis sah daher die Nachweispflichten nach dem NachwG I oft als ‚zahnlosen Tiger‘.
Der Gesetzgeber hat dies erkannt und – in Umsetzung des Art. 19 der EU-Nachweis-RL II – in § 4 NachwG 2022 die Verletzung der Nachweispflichten als Ordnungswidrigkeit deklariert, demnach ein Verstoß, u.a. auch gegen die Anforderungen zum Nachweis der (einzelnen) Vergütungsbestandteile, mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 2.000 EUR geahndet werden kann. Bußgeldbewährt ist nur ein vorsätzlicher Verstoß (§ 10 OWiG). Ein fahrlässiger Verstoß gegen die Nachweispflichten (auch bei einem subjektiv vorwerfbaren Irrtum des Arbeitgebers über den Inhalt/den Umfang der einzelnen nachzuweisenden Vergütungsparameter) ist nicht bußgeldrelevant. Arbeitgeber sollten daher für Zweifelsfälle die für die Verneinung der Nachweispflicht für den konkreten Vergütungsparameter angestellten Überlegungen dokumentieren (Papierspur), um dem Vorwurf eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die Nachweispflicht vorzubeugen.
Neben den formalen Nachweispflichten unterliegt bereits nach der bisherigen Rechtslage die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen kraft Arbeitsvertrag bzw. Gesamtzusage gewährten Vergütungsbestandteile den Anforderungen der AGB-Kontrolle nach Maßgabe der §§ 305ff. BGB unter Berücksichtigung der hierzu vom BAG abgesetzten (AGB-)Rechtsprechung. Insbesondere das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmte Transparenzgebot hält Arbeitgeber dazu an, die Konditionen des einzelnen Vergütungsbestandteils vor allem bei einer intendierten Flexibilisierung (etwa mittels eines Widerrufsvorbehalts oder mittels einer ermessensbasierten Festlegung dem Grunde und/oder der Höhe nach) für den Mitarbeiter nachvollziehbar zu regeln und zu dokumentieren. Zudem bestimmen (nur) für einzelne Arbeitgeber anwendbare besondere gesetzliche Vorgaben weitergehende Dokumentationsanforderungen, etwa § 13 InstitutsVergV für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in Bezug auf die inhaltlichen Parameter der einzelnen (variablen) Vergütungsbestandteile. Diese Anforderungen bestehen neben den formalen Vorgaben des NachwG 2022 fort.
Der Gesetzgeber hat im NachwG 2022 den Katalog der nachweispflichtigen Vergütungsparameter fortgeschrieben und um die Parameter der Art der Auszahlung und der getrennten Ausweisung der einzelnen Vergütungsbestandteile ergänzt. Für die einzelnen Parameter resultieren daraus die nachweispflichtigen Angaben
Anzugeben sind dabei nur tatsächlich vereinbarte Zuschläge, Zulagen, Prämien, Sonderzahlungen und/oder andere Vergütungsbestandteile. Die Nachweispflicht beinhaltet keine Negativ-Verlautbarung des Arbeitgebers.
Ebenfalls fortgeschrieben hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 4 S. 1 NachwG 2022 die Möglichkeit des Arbeitgebers, für Vergütungsbestandteile, die aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebs-/Dienstvereinbarung gewährt werden, die Nachweispflicht bereits durch den Verweis auf die einschlägige kollektivrechtliche Regelung zu erbringen. Das BAG hatte hierzu bereits zur inhaltsgleichen Vorgabe des § 2 Abs. 3 NachwG I erkannt, dass der Arbeitgeber bei tarifvertraglichen Vergütungsbestandteilen die Nachweispflicht bereits durch den Verweis auf die einschlägige tarifliche Regelung erfüllt und daher in der Dokumentation keine konkrete Darlegung (/Subsumtion) der maßgeblichen inhaltlichen Parameter für den konkreten Vergütungsbestandteil vorzunehmen hat (BAG Urt. v. 08.06.2005, 4 AZR 406/04: Dort konkret keine Verpflichtung des Arbeitgebers, in Bezug auf die Eingruppierung des tariflichen Mitarbeiters für die Fixvergütung auf die maßgeblichen Eingruppierungsmerkmale zu verweisen – ausreichend ist bereits die Verlautbarung der relevanten Tarifgruppe).
Die wesentlichen Vertragsbedingungen (inklusive der im Arbeitsverhältnis gewährten Vergütungsbestandteile) sind innerhalb vorgegebener Fristen gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 und S. 4 NachwG 2022 vom Arbeitgeber schriftlich niederzulegen, die Niederschrift ist zu unterzeichnen und dem Mitarbeiter auszuhändigen. Geblieben ist im NachwG 2022 der Hinweis, dass ein Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ausgeschlossen ist. Der bedarfsgerechte Weg, die Nachweispflicht durch den Abschluss des die wesentlichen Vertragsbedingungen beinhaltenden Arbeitsvertrags zu erfüllen, ist dadurch nicht möglich, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag elektronisch signieren lässt. In diesem Fall muss der Arbeitgeber zusätzlich die Bedingungen schriftlich zusammenfassen und dem Mitarbeiter innerhalb der genannten Fristen zukommen lassen. Hierzu bleibt abzuwarten, ob sich in der Praxis – auch unter Berücksichtigung der formalen gesetzlichen Vorgaben – ein bedarfsgerechterer Dokumentationsweg finden lässt.
Die erweiterten Nachweispflichten beziehen sich auf bAV-Zusagen, die der Arbeitgeber in einem externen Durchführungsweg (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds, Unterstützungskasse) durchführt und für die er dem Mitarbeiter den Namen und die Anschrift dieses Versorgungsträgers nachzuweisen hat (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 NachwG 2022). Der in § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 NachwG 2022 ebenfalls bestimmte Entfall der Nachweispflicht bei eigenständiger Informationsverpflichtung des externen Versorgungsträgers erfasst die Durchführungswege der Pensionskasse (für den eine eigenständige Informationsverpflichtung des externen Versorgungsträgers nach § 234m VAG besteht), Pensionsfonds (§§ 237 Abs. 1 S. 1, 234m VAG) und Direktversicherung (§§ 144 Abs. 1, 234m VAG). Von der erweiterten Nachweispflicht erfasst sind daher im Ergebnis nur bAV-Zusagen im Durchführungsweg der Unterstützungskasse.
Für diese erfüllt der Arbeitgeber die Nachweispflicht unverändert durch eine allgemeine Angabe der Leistungsparameter und ihre Festlegung.
Werden die Leistungsparameter durch eine Zielvereinbarung bzw. einseitige Zielvorgabe des Arbeitgebers festgelegt, genügt ein allgemeiner Hinweis hierauf; die Nachweispflicht umfasst nicht die einzelne Zielvereinbarung bzw. Zielfestlegung für den konkreten Referenzzeitraum.
Bei einer ermessensbasierten Festlegung genügt der Arbeitgeber seiner Nachweispflicht mit dem Hinweis hierauf; zugleich wird er aus materiellen arbeitsrechtlichen Gründen im Einzelfall die ermessensbasierten Parameter gegenüber dem Mitarbeiter verlautbaren; für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute folgt diese Vorgehensweise auch aus § 13 InstitutsVergV. Bezieht sich der Ermessensvorbehalt auch auf die Festlegung der Höhe des variablen Vergütungsbestandteils, ist dies im Nachweis mit aufzunehmen – der Arbeitgeber ist insoweit nicht zu weitergehenden Angaben zur Vergütungshöhe gezwungen.
Arbeitgeber haben die Dokumentation zum Nachweis der im Arbeitsverhältnis gewährten Vergütungsbestandteile auf ihre Konformität mit dem NachwG 2022 zu überprüfen und etwaige Nachjustierungen vorzunehmen. Im Einzelfall kann es sinnvoll oder sogar geboten sein, die Nachjustierung der Nachweispflichten direkt zu inhaltlichen Anpassungen des einzelnen Vergütungsbestandteils zu nutzen und das Vergütungssystem damit „wieder zukunftssicher“ zu machen.
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