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23.09.2014
Unternehmensrecht

Satzungsgemäß beschlossene Vorstandsverkleinerung kein wichtiger Grund für die Abberufung eines Vorstandsmitglieds

Verringert sich die Anzahl der Vorstandsmitglieder durch Verkleinerung des Vorstandes entsprechend einem Beschluss des Aufsichtsrates, so bedeutet dies nicht, dass „überzählige“ Vorstände schlicht abberufen werden können. Dies würde ansonsten dem Grundsatz widersprechen, dass die Abberufung eines weisungsunabhängigen Vorstandes nur aus wichtigem Grund erfolgen kann.

Das LG Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 22. April 2014 (Az. 3-05 O 8/14) entschieden, dass die vom Aufsichtsrat satzungsgemäß beschlossene Verkleinerung des Vorstands der Commerzbank AG keinen wichtigen Grund gem. § 84 Abs. 3 AktG darstelle, mit dem das Unternehmen die Abberufung ihres Vorstandsmitglieds begründen könne. Ein wichtiger Grund würde auch dann nicht vorliegen, wenn die Vorstandsverkleinerung im Zuge eines umfangreichen Personalabbaus erfolgen soll. Gegen dieses erstinstanzliche Urteil wurde beim OLG Frankfurt am Main (Az. 5 U 111/14) Berufung eingelegt.

I. Sachverhalt

Die Commerzbank AG plante einen erheblichen Personalabbau, wonach etwa 10 % der Stellen in Deutschland abgebaut werden sollten. In diesem Zusammenhang wollte man auch den Vorstand verkleinern. Da nach der Satzung des Unternehmens der Aufsichtsrat über die Größe des Vorstands zu bestimmen hatte, beschloss der Aufsichtsrat u.a., den Kläger als Vorstandsmitglied abzuberufen; das schuldrechtliche Anstellungsverhältnis wurde nicht gekündigt. Daraufhin beantragte der Kläger, beim LG Frankfurt festzustellen, dass der Widerruf seiner Bestellung nichtig sei und beantragte zudem, ihn zu unveränderten Bedingungen bei der beklagten Commerzbank AG weiterzubeschäftigen.

II. Entscheidung

Das LG Frankfurt hat der Klage teilweise stattgegeben. Der Aufsichtsratsbeschluss über den Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied der Beklagten wurde für nichtig erklärt und der Weiterbeschäftigungsanspruch wurde als bislang unbegründet abgewiesen.

Die Beklagte war mangels Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ gem. § 84 Abs. 3 S. 1 AktG nicht zum Widerruf der Bestellung des Klägers berechtigt. Ein wichtiger Abberufungsgrund würde nach herrschender Meinung dann vorliegen, wenn die Fortsetzung des Organverhältnisses für die Aktiengesellschaft bis zum Ende der Amtszeit aufgrund von beispielsweise grober Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung (vgl. § 84 Abs. 3 S. 2 AktG) unzumutbar sei; dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Auch betriebsbedingte wichtige Gründe können die Abberufung des Vorstands rechtfertigen, wenn eine Fortsetzung der Bestellung bis zum Ende der regulären Amtszeit nicht zumutbar wäre. Das LG Frankfurt hielt den erheblichen Personalabbau, die Umstrukturierung von Geschäftsfeldern mit dem Abbau von Segmenten und die nach der Satzung zulässig beschlossene Verkleinerung des Vorstands nicht für einen wichtigen betriebsbedingten Grund für die Abberufung des Klägers. Die Beklagte hätte nicht dargelegt, dass die Abberufung aus schweren wirtschaftlichen Gründen erfolgte und eine Weiterbeschäftigung bis zum Ende der Amtszeit unzumutbar sei. Auch die Satzungsregelung, wonach der Aufsichtsrat dazu ermächtigt sei, den Vorstand zu verkleinern, würde nicht ausreichen, um den Kläger als Vorstandsmitglied abzuberufen. Diese Satzungsermächtigung würde den Aufsichtsrat nur dazu befähigen, die Anzahl der Vorstandsmitglieder zu bestimmen, nicht jedoch die bestellten Vorstandsmitglieder ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, und damit abweichend von § 84 Abs. 3 AktG, abzuberufen. Der Zweck des § 84 Abs. 3 AktG sei es gerade, die freie Unternehmensleitung des Vorstandsmitglieds abzusichern und ihn nicht durch die Androhung der Widerruflichkeit seiner Bestellung zum ausführenden Organ des Aufsichtsrats machen zu lassen. Würde man den satzungsgemäßen Beschluss des Aufsichtsrats, den Vorstand zu verkleinern, als wichtigen Abberufungsgrund ausreichen lassen, wäre der Aufsichtsrat dadurch in der Lage, jederzeit selbst einen wichtigen Grund für die Abberufung zu schaffen. Die Unabhängigkeit des Vorstands wäre dadurch gefährdet.

Der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung als Vorstandsmitglied wurde vom LG Frankfurt für unbegründet erachtet, da gemäß dem Wortlaut des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG der Widerruf der Bestellung zum Vorstand so lange wirksam sei, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt werde. Danach endet das Organverhältnis mit dem Zugang der Widerrufserklärung sogar dann, wenn ein wichtiger Grund nicht vorgelegen haben sollte. Erst mit einer rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufs lebt die Organstellung des Vorstandsmitglieds wieder auf. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung würde jedoch noch nicht feststehen, dass die Unwirksamkeit des Widerrufs rechtskräftig werde. Die Abberufung wäre somit erst dann ex nunc unwirksam, wenn das stattgebende Urteil des Landgerichts in Rechtskraft erwachsen würde.

III. Hinweise für die Praxis

Die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft sind im Gegensatz zu GmbH-Geschäftsführern (vgl. § 47 Abs. 1 GmbHG) nicht weisungsabhängig, sondern handeln eigenverantwortlich und unabhängig (§ 76 Abs. 1 AktG) und können daher nur aus wichtigem Grund durch den Aufsichtsrat abberufen werden. Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn der Aktiengesellschaft die Fortsetzung des Organverhältnisses mit dem betroffenen Vorstandsmitglied bis zum Ende der regulären Amtszeit unzumutbar wäre (§ 84 Abs. 3 S. 1 AktG). Als wichtige Abberufungsgründe kommen auch betriebsbedingte Gründe in Betracht, die von der Rechtsprechung für die Fälle der Abberufung auf Druck Dritter (siehe BGH, NZG 2007, 189) anerkannt wurden. Vorausgesetzt wird dann aber, dass im Einzelfall die Nichtabberufung des Vorstandsmitglieds schwere Schäden für die Aktiengesellschaft zur Folge hätte.

Eine vom Aufsichtsrat beschlossene Vorstandsverkleinerung stellt nach Auffassung des LG Frankfurt keinen betriebsbedingten wichtigen Grund für den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied dar. Zur Verkleinerung des Vorstands verbleiben dem Aufsichtsrat angesichts des Urteils des Landgerichts nur die Möglichkeiten der einvernehmlichen Beendigung der Organstellung oder, falls eine einvernehmliche Lösung scheitern sollte, ein Zuwarten auf die Beendigung der Amtsperiode des Vorstandsmitglieds, ohne das frei gewordene Vorstandsmandat neu zu besetzen. Im Vorfeld einer Bestellung, wiederholten Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit eines Vorstandsmitglieds könnte der Aufsichtsrat in bestimmten Fällen auch eine kürzere Amtszeit als das gem. § 84 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG zulässige Maximum von fünf Jahren bestimmen.

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