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02.09.2014
Unternehmensrecht

OLG Hamburg: Keine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Ermittlung von Schwellenwerten in der Unternehmensmitbestimmung

Das Bundesarbeitsgericht hat in der jüngeren Vergangenheit entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung von Schwellenwerten für die Erforderlichkeit eines Interessenausgleichs, für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und für die Bestimmung der erforderlichen Zahl an Betriebsratsmitgliedern unter bestimmten Voraussetzungen zu berücksichtigen sind. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob Leiharbeitnehmer auch bei der Ermittlung der Schwellenwerte in der Unternehmensmitbestimmung mitzuzählen sind, existiert bislang nicht. Nunmehr hat das OLG Hamburg hierzu entschieden.

Sachverhalt

Gegenstand der Entscheidung war die Besetzung des Aufsichtsrats eines Unternehmens, das in der Vergangenheit in den in Deutschland unterhaltenen Betriebsstätten insgesamt mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt hat und deshalb einen nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes zu besetzenden Aufsichtsrat hatte. Im November 2012 hat das Unternehmen im Bundesanzeiger veröffentlicht, dass der Aufsichtsrat nicht mehr gesetzmäßig zusammengesetzt sei, weil weniger als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt würden und deshalb ein Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz zu bilden sei. Hiergegen haben die Antragsteller Antrag beim LG Hamburg auf gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gestellt (§ 98 Abs. 1 Aktiengesetz). Der Antrag wurde damit begründet, dass die Zahl der Arbeitnehmer unter Einrechnung einer Anzahl von 139 Leiharbeitnehmern nicht dauerhaft unter den Schwellenwert von 2.000 gesunken sei.

Das LG Hamburg hat entschieden, dass der Aufsichtsrat nach den Regelungen des Drittelbeteiligungsgesetzes zu besetzen sei. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde der Antragsteller zum OLG Hamburg.

Entscheidung

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung von mitbestimmungsrechtlich relevanten Schwellenwerten und der davon abhängigen Bildung oder Besetzung von Aufsichtsräten unter Arbeitnehmerbeteiligung trotz der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu berücksichtigen sind.

Im entschiedenen Fall war daher ein Aufsichtsrat nach den Bestimmungen des Drittelbeteiligungsgesetzes zu bilden. Demnach ist der Aufsichtsrat im betroffenen Unternehmen zukünftig nicht mehr zur Hälfte, sondern nur noch zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt.

Das OLG Hamburg begründet seine Entscheidung im Wesentlichen mit zwei Aspekten. Zum ersten sei eine vollständige Gleichstellung von Leiharbeitnehmern mit den übrigen Arbeitnehmern des Betriebes vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Zum zweiten seien die Interessen der Leiharbeitnehmer und der Stammbelegschaft im Rahmen der unternehmerischen Mitbestimmung nicht im gleichen Maße betroffen. Die Tätigkeit des Aufsichtsrates sei nämlich auf eine langfristige Unternehmenspolitik und die Kontrolle strategischer Entscheidungen der Geschäftsführung gerichtet und diene deshalb dazu, das mittel- und langfristige Gesellschaftsinteresse zu wahren. Dieses sei für die Leiharbeitnehmer, denen insbesondere im Falle der Notwendigkeit betriebsbedingter Kündigungen die Rückkehr zum entleihenden Betrieb verbleibe, von jedenfalls geringerer Bedeutung als für die Stammbelegschaft des Betriebes. Deshalb sei es im Ergebnis trotz der neuen differenzierenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der wachsenden Bedeutung der Leiharbeit nicht geboten, Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung von mitbestimmungsrechtlich relevanten Schwellenwerten zu berücksichtigen.

Betroffene Norm

 § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG

Anmerkungen

Das OLG Hamburg bestätigt mit seiner Entscheidung eine frühere Entscheidung aus dem Jahre 2007 (OLG Hamburg, Beschluss vom 29.10.2007, 11 W 27/07) und eine Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2004 (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.05.2004, 3 W 2/04) ebenfalls zu dieser Fragestellung. Dabei berücksichtigt das OLG Hamburg ausdrücklich die neuere Tendenz des Bundesarbeitsgerichts, die gestiegene praktische Bedeutung der Leiharbeit auch in rechtlichen Fragestellungen zu berücksichtigen – in der Regel zu Lasten der Entleihunternehmen. Gegen die Entscheidung des OLG Hamburg haben die Antragsteller Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben. Es bleibt abzuwarten, wie höchstrichterlich entscheiden werden wird. Sollte sich der Bundesgerichtshof der Rechtsprechung des OLG Hamburg nicht anschließen, so würde der Einsatz von Leiharbeitnehmern für den Entleiher in Zukunft eine weitere Gefahr bergen, weil er dazu führen könnte, dass entweder überhaupt ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden ist oder die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gestärkt wird.

Vorinstanz

LG Hamburg, Beschluss vom 12.08.2013, 411 HKO 130/12

Fundstelle

OLG Hamburg, Beschluss vom 31.01.2014, 11 W 89/13, NZA 2014, S. 858 ff.

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