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31.01.2019
Unternehmensrecht

Mögliche Änderungen der Haftung eines Betriebserwerbers in der Insolvenz

Abweichung von der bisherigen Auslegung des § 613a Abs. 1 BGB bei eröffnetem Insolvenzverfahren: Entscheidung des EuGH könnte substanziell das Risiko zusätzlicher Kosten für den Erwerber erhöhen.

Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat am 16.10.2018 (Az. 3 AZR 139/17 (A), 3 AZR 878/17 (A)) den EuGH in zwei Verfahren um eine Vorabentscheidung zu der Frage ersucht, ob seine bisherige einschränkende Auslegung des § 613a Abs. 1 BGB bei eröffnetem Insolvenzverfahren in Bezug auf Verpflichtungen des Erwerbers zu Zahlungen betrieblicher Altersversorgung mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist.

Gegenstand der Ausgangsverfahren

Den Klägern wurden während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt. Diese Betriebsrente berechnet sich nach Maßgabe der einschlägigen Versorgungsordnung nach der Anzahl der anrechnungsfähigen Dienstjahre und der Höhe des Bruttomonatsgehalts an einem bestimmten Stichtag vor dem Ausscheiden. Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde im März 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Einer der Kläger erhält seit August 2015 von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von rund EUR 145,00 und vom Pensionssicherungsverein eine monatliche Rente in Höhe von rund EUR 817,00, also insgesamt eine monatliche Zahlung von rund EUR 962,00 brutto.

Ohne Insolvenz des Arbeitgebers und ohne Betriebsübergang im Rahmen der Veräußerung des Geschäftsbetriebs des insolventen Arbeitgebers hätte der Kläger unstreitig bei Anwendung der Versorgungsordnung einen Anspruch auf eine monatliche Rente in Höhe von EUR 1.111,50 brutto erhalten. Die Differenz zur tatsächlich ausgezahlten gesamten Betriebsrente (EUR 149,50) folgt daraus, dass der Pensionssicherungsverein nur den Anteil der Rente auszahlt, der vor Eintritt der Insolvenz unverfallbar erdient wurde und dass der Erwerber nur den Anteil der Rente auszahlt, der sich aus einer Berücksichtigung der Dienstzeit ab Eintritt der Insolvenz errechnet.

Ein Kläger macht mit seiner Klage beim BAG geltend, die Beklagte, der Pensionssicherungsverein, müsse ihm eine höhere Betriebsrente zahlen. Diese müsse sich nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung auf der Basis des zum Stichtag vor dem Versorgungsfall bezogenen Gehalts unter bloßem Abzug des Betrags errechnen, den er vom Pensionssicherungsverein erhalte, also unter Berücksichtigung der gesamten nach der Pensionsordnung anrechnungsfähigen Dienstjahre und nicht nur unter Berücksichtigung der anrechnungsfähigen Dienstjahre nach Eintritt der Insolvenz.

Ein anderer Kläger verfügte bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht über eine gesetzlich unverfallbare Anwartschaft, sodass ihm bei Eintritt des Versorgungsfalls kein Anspruch gegen den Pensionssicherungsverein zusteht (§ 7 Abs.2 BetrAVG). Er hält die Beklagte verpflichtet, ihm künftig eine Betriebsrente in voller Höhe zu zahlen, also unter Berücksichtigung sämtlicher nach der Pensionsordnung anrechnungsfähiger Dienstjahre.

Aktuelle Rechtsprechung der deutschen Arbeitsgerichte

Derzeit legen die deutschen Arbeitsgerichte den für die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs maßgeblichen § 613a Abs. 1 BGB beim Erwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einschränkend aus. Soweit die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts für bereits entstandene Ansprüche oder Anwartschaften der Arbeitnehmer eingreifen, sollen diese § 613a Abs. 1 BGB vorgehen.

Im Ergebnis beschränkt sich die Haftung des Betriebserwerbers bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung daher auf den Anteil, der in der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Arbeitnehmer durch seine Betriebszugehörigkeit erdient wurde. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze würden die Kläger mit ihren Begehren nicht durchdringen.

Begründet wird dies im Wesentlichen mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, wonach alle vermögenswerten Rechte, die bei Insolvenzeröffnung vorhanden sind, allein nach den Bestimmungen der InsO zu befriedigen sind, § 1 InsO. Die Ansprüche der Arbeitnehmer, auch aus betrieblicher Altersversorgung, sollen diesbezüglich nicht privilegiert werden. Die Arbeitnehmer müssten gegebenenfalls nicht ausgezahlte Differenzansprüche wie alle anderen Insolvenzgläubiger als bloße Insolvenzforderung geltend machen.

Vorlagefragen des BAG und Praxisausblick

Das BAG möchte nunmehr vom EuGH insbesondere wissen, ob eine derart eingeschränkte Anwendung des § 613a Abs. 1 BGB im Falle eines Betriebsübergangs im Insolvenzverfahren mit der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (insbesondere Art. 3 Abs. 4, Art. 5 Abs. 2 lit. A der Richtlinie 2001/23 EG) vereinbar ist.

Die Beantwortung dieser Frage kann je nach Ergebnis erhebliche Auswirkungen auf Unternehmenskäufe in der Insolvenz haben. Sollte der EuGH die bisherige Rechtsprechung der deutschen Arbeitsgerichte als mit dem Unionsrecht unvereinbar bewerten, würden sich das Haftungsrisiko bzw. die Verbindlichkeiten des Betriebserwerbers erheblich steigern, so nicht – im Ergebnis – die Haftung des PSV ausgeweitet wird.

Dadurch könnte je nach Umfang der Verpflichtungen aus betrieblicher Altersversorgung die Attraktivität eines Unternehmenskaufs erheblich beeinträchtigt werden. Taktische Überlegungen, ein Unternehmen unter anderem deshalb erst nach Eintritt der Insolvenz zu kaufen, um zumindest einen Teil der Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung zu vermeiden, und die damit verbundenen Gestaltungsüberlegungen wären jedenfalls an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen.

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