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13.02.2017
Unternehmensrecht

Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung verschärft: Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nunmehr unerlässlich

Versäumt ein Arbeitgeber die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch einer Kündigung, ist die Kündigung unwirksam.

Im Zuge der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes wurde die Kündigung schwerbehinderter (bzw. gleichgestellter) Arbeitnehmer erschwert. Eine entsprechende Kündigung bedarf nunmehr zwingend der vorherigen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Unterbleibt eine Beteiligung, ist die Kündigung unwirksam.

Geänderte Rechtslage

Diese Sanktion der Unwirksamkeit ist völlig neu. Zwar war die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung schon nach der alten Rechtslage vorgesehen, allerdings handelte es sich dabei nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung.

Die Anforderungen an eine wirksame Kündigung sind damit gestiegen. Es müssen bei Bestehen einer Schwerbehindertenvertretung und eines Betriebsrats mindestens drei (ggf. vier) Verfahren durchgeführt werden:

1.  Ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (ab 1. Januar 2018: § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX)
2.  Zustimmung des Integrationsamtes (§ 85 SGB IX, zukünftig § 168 SGB IX)
3.  Ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG)
4.  Bei einer Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung (§ 17 KSchG):

  • Konsultationsverfahren Betriebsrat
  • Anzeige der Massenentlassung gegenüber der zuständigen Behörde

Einer Beteiligung bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Schwerbehinderung nicht kannte, diese nicht offensichtlich war und der Arbeitnehmer ihm diese auch nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung noch nachträglich mitteilt.

Ungeklärte Rechtsfragen

Die Fassung des § 95 SGB IX n.F. (bzw. des § 178 SGB IX n.F.) lässt leider diverse Rechtsfragen offen, von denen nachfolgend zwei wesentliche dargelegt werden:

• Der Gesetzgeber hat in den vorgenannten Rechtsvorschriften keine konkrete Stellungnahmefrist geregelt. Insoweit ist unklar, wie viel Zeit der Schwerbehindertenvertretung zur Stellungnahme einzuräumen ist.

Erste Stimmen in der juristischen Literatur empfehlen – und dem schließen wir uns derzeit an, bis die Frage durch die Arbeitsgerichtsbarkeit geklärt ist – der Schwerbehindertenvertretung mindestens die gleichen Fristen einzuräumen wie dem Betriebsrat, nämlich eine Woche bei ordentlichen und drei Tage bei außerordentlichen fristlosen Kündigungen.

• Nach dem Wortlaut der vorgenannten Rechtsvorschriften muss der Arbeitgeber „vor einer Entscheidung“ die Schwerbehindertenvertretung anhören. Insoweit ist unklar, in welchem zeitlichen Zusammenhang die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zum Antrag des Arbeitgebers beim Integrationsamt steht.

Vereinzelte Stimmen in der juristischen Literatur halten es für ausreichend, dass die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt zeitgleich beteiligt werden. Unseres Erachtens ist die rechtssicherere Lösung, die Schwerbehindertenvertretung zeitlich vor einem Antrag beim Integrationsamt auf Zustimmung zur Kündigung zu beteiligen. Klarheit wird auch hier letztlich erst die Rechtsprechung bringen.
 

Fazit

Die gesetzliche Neufassung des SGB IX birgt zwar rechtliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Kündigung von Schwerbehinderten. Durch einen Rückgriff auf die beim Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG mit dem Betriebsrat geltenden Grundsätze dürften diese in der Praxis allerdings überwindbar sein.

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