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05.03.2014
Unternehmensrecht

Kein Anspruch auf Barabfindung beim regulären Delisting - FRoSTA-Beschluss

Der Widerruf der Zulassung von Aktien zum Handel im regulierten Markt löst keinen Barabfindungsanspruch der Aktionäre auslöst. Es sind weder ein Hauptversammlungsbeschluss noch die Abgabe eines Pflichtangebotes erforderlich.

Vorausgegangene Entscheidungen

Dem nun vorliegenden Beschluss gehen im Wesentlichen zwei höchstrichterliche Entscheidungen voraus, die für die jetzige Entscheidung von Bedeutung sind und im Folgenden kurz erläutert werden.

  1. Macroton-Entscheidung des BGH
    Im Rahmen dieser Entscheidung urteilte der BGH, dass im Falle eines sogenannten „regulären Delistings“, also dem vollständigen Rückzug einer Aktiengesellschaft von der Börse, ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich sei und den Aktionären zudem ein Pflichtangebot unterbreitet werden müsse. Dabei stützte sich der BGH auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 1999 (Beschluss vom 27. April 1999, 1 BvR 1613/94), den der BGH dahingehend auslegte, dass das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum (Art. 14 GG) auch die Verkehrsfähigkeit der Aktien und die damit einhergehende Realisierungschance des Werts der Aktie umfasse.
  2. Entscheidung des BVerfG
    Der vorgenannte Beschluss des BVerfG wurde jedoch im Jahr 2012 (Beschlüsse vom 11. Juli 2012, 1 BvR 1569/08 und 1 BvR 3142/07) dahingehend modifiziert, dass das grundrechtlich geschützte Eigentum im Falle eines sogenannten „Downgradings“, also dem Widerruf des Handels im regulierten Markt und stattdessen Handel im Entry Standard des Freiverkehrs, nicht beeinträchtigt werde. Denn die Verkehrsfähigkeit (Veräußerbarkeit) sei nicht Teil der Eigentumsgarantie, sondern betreffe lediglich den Vermögenswert der Aktie. Art. 14 GG schütze jedoch nur das Anteilseigentum im Sinne der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung.
    Das BVerfG stellte allerdings ausdrücklich klar, dass die Fachgerichte aufgrund richterlicher Rechtsfortbildung dennoch zu dem Ergebnis kommen können, das ein Pflichtangebot bei einem Downgrading oder freiwilligen Delisting erforderlich sein könne. Lediglich die Berufung auf Art. 14 GG sei nicht möglich.

Sachverhalt

Im nunmehr entschiedenen Fall waren die Antragsteller Aktionäre der Antragsgegnerin, der FRoSTA AG. Im Februar 2011 gab die Antragsgegnerin im Wege einer Ad-hoc-Meldung bekannt, dass der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates den Wechsel vom regulierten Markt der Berliner Wertpapierbörse in den Entry Standard des Freiverkehrs (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse beschlossen hat. Hiergegen haben die Antragsteller im Mai 2011 ein Spruchverfahren zur Ermittlung einer angemessenen Barabfindung beantragt.
Die Vorinstanzen, das Landgericht Bremen und das Oberlandesgericht Bremen, haben die Anträge jeweils abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsteller.

Entscheidung

Der BGH lehnt die Zulässigkeit des beantragten Spruchverfahrens ab, da den Aktionären im Falle des Widerrufs des Handels im regulierten Markt kein Anspruch auf Barabfindung zustehe. Es bedürfe in diesen Fällen weder eines Hauptversammlungsbeschlusses noch eines Pflichtangebots.
Im Rahmen seiner Begründung zieht der BGH die unter Ziffer I.2. genannten Beschlüsse des BVerfG heran. Das Eigentum des Aktionärs werde weder in seiner mitgliedschaftsrechtlichen noch seiner vermögensrechtlichen Substanz beeinträchtigt, so dass der Schutzbereich des Art. 14 GG durch einen Widerruf der Börsenzulassung nicht beeinträchtigt werde. Darüber hinaus werde die mitgliedschaftliche Stellung der Aktionäre nicht durch den Rückzug von der Börse geschwächt.
Der BGH setzt sich in seiner Entscheidung eingehend mit den in der Literatur diskutierten Analogiemöglichkeiten auseinander, die, bei Bejahung einer analogen Anwendung zu einer Barabfindung oder dem Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses, führen könnten. Der BGH lehnt jedoch sämtliche Analogiemöglichkeiten ab. Bei den diskutierten Vorschriften, deren analoge Anwendung in Betracht käme, handelt es sich insbesondere um § 207 UmwG (Barabfindung beim Formwechsel), § 243 Abs.2 Satz 2 AktG (Erfordernis eines Pflichtangebots zum Ausgleich eines Sondervorteils für einen Großaktionär), § 29 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz 2. Fall UmwG (sogenanntes „kaltes“ Delisting bei der Verschmelzung einer börsennotierten auf eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft). Keine der genannten Vorschriften sieht der BGH jedoch als anwendbar. Es handle sich laut BGH auch nicht um eine gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahme, aus der ein Barabfindungsanspruch und eine Pflicht zur Beteiligung der Hauptversammlung resultieren könne.
Der BGH ist der Auffassung, dass der Schutz der Anleger im Falle eines Delistings in § 39 Abs. 2 Satz 2 BörsenG hinreichend geregelt ist.
Somit handelt es sich laut BGH beim Delisting um eine reine Geschäftsführungsmaßnahme, die weder eine Beteiligung der Hauptversammlung noch die Abgabe eines Pflichtangebots erfordere.

Betroffene Normen

Art. 14 Abs. 1 GG, § 1 SpruchG, § 39 Abs. 2 BörsenG, § 119 AktG

Anmerkungen

Der vorliegende Beschluss schafft Rechtssicherheit sowohl für die Fälle des Downgradings als auch für das Delisting, da der BGH seine Entscheidung ausdrücklich nicht auf den Fall des Downgradings beschränkt. Die Unwägbarkeiten für Gesellschaften beim Rückzug aus dem regulierten Markt in Form von Hauptversammlungsbeschluss und Barabfindungsangebot, die nach der bisherigen Rechtsprechung erforderlich waren, sind nun weggefallen. Damit dürfte auch der vollständige Rückzug von der Börse für Gesellschaften wieder attraktiver werden, ohne dass damit mit Liquiditätseinbußen durch Abfindungszahlungen zu rechnen ist. Ist die Börsennotierung für eine Aktiengesellschaft nicht länger vorteilhaft, können durch ein Delisting die umfassenden Berichts- und Veröffentlichungspflichten abgeschafft werden und somit der Organisationsaufwand deutlich verringert werden.
Der Beschluss hat zudem Auswirkungen auf laufende Spruchverfahren, die den Widerruf der Börsenzulassung betreffen. Sollte in diesen Verfahren noch keine Entscheidung ergangen sein, dürften diese wohl nunmehr als unzulässig abzulehnen sein. Bereits rechtskräftig festgestellte Abfindungsansprüche sowie schuldrechtlich vereinbarte Abfindungsansprüche sind von der vorliegenden Entscheidung nicht betroffen, da diese nur für die Parteien bindend ist.

Vorinstanz

OLG Bremen, Beschluss vom 12.10.2012 - 2 W 25/12

Fundstelle

BGH, Beschluss vom 08.10.2013, II ZB 26/12, NJW 2014, 146

Weitere Fundstellen

NZG 2013, 1342

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