BFH, Urteil vom 17.08.2023, III R 37/20, siehe Deloitte Tax-News
Die Regelung des § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG zur eingeschränkten Berücksichtigung von Übernahmeverlusten ist unabhängig davon anwendbar, ob die Anteile an der Kapitalgesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen gehalten werden. Die Norm erfasst auch Erwerbsvorgänge, die im Zeitraum zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages erfolgen.
Der Kläger war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der A-GmbH und der C-GmbH. Letztere war Komplementärin der E-KG. An dieser waren der Kläger und zwei weitere natürliche Personen beteiligt. Anfang 2014 traten die Inhaber der Anteile an der A-GmbH sämtliche Anteile entgeltlich an die E-KG ab. Diese trat im Anschluss sämtliche Anteile entgeltlich an den Kläger ab. Die A-GmbH übertrug mit Vertrag vom 29.06.2016 ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme auf das Einzelunternehmen des Klägers. Die Verschmelzung erfolgte rückwirkend auf den 01.01.2016 und mit steuerlicher Wirkung zum 31.12.2015. Die Wirtschaftsgüter sollten zu ihrem gemeinem Wert übergehen. In seiner ESt-Erklärung für 2015 erklärte der Kläger u.a. einen Gewinn aus der Verschmelzung der A-GmbH auf das Einzelunternehmen des Klägers unter Berücksichtigung eines Übernahmeverlusts.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass ein Übernahmeverlust gem. § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG nicht berücksichtigt werden könne, weil die Anteile an der übertragenden Körperschaft innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben worden seien.
Das FG kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der seitens des Klägers ermittelte Verlustbetrag nicht zu berücksichtigen ist.
Gesetzliche Grundlagen
Ergibt sich infolge des Vermögensübergangs bei der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine natürliche Person ein Übernahmeverlust, bleibt dieser gem. § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG vollständig außer Ansatz, wenn die Anteile an der übertragenden Körperschaft innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben wurden.
Anwendungsbereich der Regelung des § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG
Nach Auffassung des FG bezieht sich die Regelung des § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG auf sämtliche Anteile, die an der Übernahmeergebnisermittlung i.S. des § 4 Abs. 4 und 5 KStG teilnehmen. Die Norm sei daher unabhängig davon anwendbar, ob die Anteile an der Kapitalgesellschaft im Privat- oder – wie im Streitfall – im Betriebsvermögen gehalten werden.
Nichtberücksichtigung eines Übernahmeverlustes
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG sind nach Ansicht des FG erfüllt. Insbesondere habe der Kläger die Anteile an der A-GmbH innerhalb von fünf Jahren vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben. Denn ein Anteilserwerb vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag liege auch dann vor, wenn der Abschluss des maßgeblichen Verkaufs- und Abtretungsvertrags – wie im zugrundeliegenden Streitfall – kalendarisch erst im Zeitraum zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages geschlossen werde.
Insofern sei § 5 Abs. 1 UmwStG zu beachten, dem zufolge der Gewinn des übernehmenden Rechtsträgers auch dann so zu ermitteln ist, als hätte er die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft, wenn die Anschaffung tatsächlich erst nach diesem Stichtag erfolgt ist. Da für die Berechnung der Fünfjahresfrist die §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB entsprechend gelten, rechnet der Übertragungsstichtag als Endtermin für die Frist mit, so das FG.
Keine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG
Schließlich kommt für das FG auch eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG mit der Intention, den Übernahmeverlust des Klägers zu berücksichtigen, nicht in Betracht. Diese vom Kläger begehrte teleologische Reduktion der Norm widerspräche den Zielen, die der Gesetzgeber mit der eingeschränkten Berücksichtigung von Übernahmeverlusten verfolge.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken
Gegen eine Anwendung des § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG im Wortsinn und damit die Nichtberücksichtigung des Übernahmeverlustes bestehen nach Ansicht des FG ferner keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere sei kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen. Selbst wenn § 4 Abs. 6 UmwStG in verschiedenen Bereichen (vgl. sog. Erwerberfall bei vorhandenen stillen Reserven) überschießende Tendenzen aufweise, so sei zu berücksichtigen, dass solche angesichts der vielgestaltigen denkbaren Ursachen einer Verlustentstehung, (wenn überhaupt) nur um den Preis sehr komplizierter gesetzlicher Regelungen vermieden werden könnten. Im Ergebnis rechtfertigen aus Sicht des FG Vereinfachungserfordernisse die vom Gesetzgeber gewählte Lösung, zumal der Stpfl. regelmäßig die Möglichkeit habe, durch Gestaltung des verwirklichten Lebenssachverhalts eine Wahl zwischen verschiedenen Belastungsalternativen zu treffen.
Der BFH wird nun Gelegenheit haben sich – soweit ersichtlich – erstmalig zu der Frage zu äußern, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UmwStG auch bei einem Anteilserwerb im kalendarischen Zeitraum zwischen dem steuerlichem Übertragungszeitpunkt und dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages gegeben sind. In der Literatur wird diese Frage überwiegend bejaht, nur vereinzelte Stimmen sind anderer Ansicht. Das FG hat sich in der hier besprochenen Entscheidung der überwiegenden Meinung angeschlossen.
Die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 6 Satz 6, 2. Alt. UmwStG war bereits Gegenstand finanzgerichtlicher Entscheidungen (vgl. etwa FG Nürnberg, Urteil vom 18.09.2013, 3 K 1205/12, 3 K 347/13; sowie im Nachgang das BFH-Urteil vom 22.10.2015, IV R 37/13). Sie ist trotz der diesbezüglich in der Literatur geäußerten Kritik auch in Fällen einer „überschießenden“ Besteuerung bejaht worden.
§ 4 Abs. 4 S. 6, 2. Alt. UmwStG
Streitjahr 2015
BFH, Urteil vom 17.08.2023, III R 37/20, siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.05.2020, 1 K 148/18
BFH, Urteil vom 22.10.2015, IV R 37/13, BStBl II 2016, S. 919, siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 18.09.2013, 3 K 1205/12, 3 K 347/13, DStRE 2014, S. 1035
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