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13.04.2016
Unternehmensrecht

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung: Rechtsprechungs-Update II

Rechtsmissbrauch des Widerrufsrechts – die Oberlandesgerichte sind weiter unterschiedlicher Auffassung

Der Bankensenat des Hanseatischen Oberlandesgerichtes (Hamburg) hat mit Urteil vom 24.02.2016 – 13 U 101/15 mit einer erfreulich klaren Begründung die Ausübung eines Widerrufsrechts als rechtsmissbräuchlich gewertet. Vorliegend war der Darlehensvertag im Jahre 2006 abgeschlossen worden, der Widerruf erfolgt im Jahre 2014.

Die Revision gegen sein Urteil hat das Hanseatische Oberlandesgericht nicht zugelassen, und bereits die kurze und prägnante Begründung zur Nichtzulassung ist es wert, zitiert zu werden, gibt sie doch in wenigen Worten das Rechtsverständnis des Gerichtes wieder:

„Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass im Privatrecht jedem Anspruch und jedem Gestaltungsrecht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen gehalten werden kann. Gerade bezogen auf ein „ewiges“ Widerrufsrecht, nämlich dasjenige aus § 1b AbzG a.F., hat auch der BGH die Möglichkeit des Einwands des Rechtsmissbrauchs bereits grundsätzlich bejaht (BGH, Beschluss vom 13.01.1983, III ZR 30/82).“

Zwar datiert die BGH-Entscheidung, auf die das Hanseatische Oberlandesgericht verweist, aus 1983; das Abzahlungsgesetz ist durch die heute maßgebliche Regelung des § 495 BGB längst abgelöst. Dies ändert allerdings an dem von dem Hanseatischen Oberlandesgericht herangezogen Rechtsgedanken erst einmal nichts, was ein Blick auf die Historie zeigt: Bei der ersten Neufassung § 495 BGB a.F. (01.01.2002) hatte der Gesetzgeber zunächst noch eine zeitliche Beschränkung des Widerrufsrechts vorgesehen:

(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.

(2) Hat der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen, gilt der Widerruf als nicht erfolgt, wenn er das Darlehen nicht binnen zwei Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt. Dies gilt nicht im Falle des § 358 Abs. 2. Die erforderliche Belehrung über das Widerrufsrecht muss auf die Rechtsfolge nach Satz 1 hinweisen.

Dem Gesetzgeber kam es zunächst also darauf an, dem Darlehensnehmer kein „endloses Widerrufsrecht“ einzuräumen. Vielmehr sollte derjenige, der seine auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung widerruft, innerhalb von 14 Tagen den Zustand herstellen, der ohne Abgabe dieser Erklärung bestünde. So wie die Widerrufsfrist also nur 14 Tage betragen sollte, weil diese 14 Tage für die Entscheidung des Darlehensnehmers ausreichend sind, um über das Festhalten an dem Darlehensvertrag zu entscheiden, so war auch die Rechtsfolge (Erstattung des Erlangten) im Falle des Widerrufs auf 14 Tage beschränkt.

Mit Umsetzung der Heininger-Rechtsprechung des EuGH hat der Gesetzgeber den § 495 BGB a.F. modifiziert. Es bestand zunächst die Überlegung, abhängig von der Art des Widerrufsrechts (Haustürgeschäft, Fernabsatz, Verbraucherdarlehen), unterschiedliche Widerrufsbelehrungen in das Gesetz aufzunehmen. Hiervon hat der Gesetzgeber dann aber Abstand genommen und sich für eine einheitliche Lösung entschieden, und zwar mit folgender Begründung (BT-Drs. 14/9266, S. 45):

„Eine einheitliche Lösung ist aber nur möglich, wenn das Ausbleiben oder die Unvollständigkeit der Widerrufsbelehrung dazu führt, dass die Widerrufsfrist nicht läuft. Ein solches Modell ist dem Unternehmer zuzumuten, wenn die Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht leicht und sicher möglich ist.“

Diese „leichte und sichere“ Belehrung sollte dadurch ermöglicht werden, dass dem Unternehmer eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Musterwiderrufsbelehrung zur Verfügung gestellt wird. Zuständig für die Musterwiderrufsbelehrung sollte das BMJ sein. Dieses Modell ist allerdings gescheitert. So war schon nicht geklärt, ob die Verordnungsermächtigung an das BMJ überhaupt dem Rechtsstaatsgebot entsprach. Schlimmer wirkte sich aber aus, dass die durch das BMJ entworfene Musterwiderrufsbelehrung so gravierende Fehler aufwies, dass sie den gesetzlichen Vorgaben erkennbar nicht entsprach. Den Banken stand damit zwar eine Musterwiderrufsbelehrung zur Verfügung, diese war aber entgegen den Motiven des Gesetzgebers weder leicht noch war sie sicher. Damit bestand ein ganz erhebliches Risiko, diese Musterwiderrufsbelehrung zu verwenden, da der Vorwurf im Raum stand, die Bank würde seinen Kunden sehenden Auges eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung stellen.

Es lässt sich deshalb auch für die Zeit nach dem Abzahlungsgesetz gut argumentieren, dass es kein „ewiges Widerrufsrecht“ geben kann, gerade weil der Gesetzgeber das von ihm verfolgte Ziel, eine leichte und sichere Musterbelehrung zu normieren, nicht erreicht hatte. Mit dem OLG Hamburg ist deshalb zutreffend davon auszugehen, dass die Ausübung des Widerrufsrechts Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages rechtsmissbräuchlich ist.

Das OLG Brandenburg hat diese Frage übrigens ebenfalls erkannt und in seinem Urteil vom 20.01.2016 – 4 U 79/15 für den Zeitraum bis 01.04.2008 bewusst offen gelassen (vgl. Rz. 78):

„Soweit die Beklagte selbst bei Vertragsschluss die Musterbelehrung gemäß Anlage 2 zur BGB-InfoV in der ab dem 8. Dezember 2004 geltenden Fassung als nicht ordnungsgemäß erkannt hat, hätte es ihr freigestanden, das Folgemuster, das ab dem 1. April 2008 gültig war, wortgetreu zu übernehmen, und auf diese „leichte und sichere“ Weise die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV in Anspruch nehmen zu können.“

Für den Zeitraum bis 01.04.2008 ist ein Rechtsmissbrauch auch nach dem OLG Brandenburg damit nicht ausgeschlossen.

Bei dem BGH ist für den 05.04.2016 – XI ZR 478/15 eine weitere mündliche Verhandlung zum Thema „Rechtsmissbrauch des Widerrufsrechts“ angesetzt. Nachdem bereits zwei Verhandlungstermine im Juni und Dezember 2015 aufgehoben wurden, weil sich die Parteien verglichen hatten, bleibt abzuwarten, ob es diesmal zu einer Entscheidung kommt. Das OLG Hamburg hat jedenfalls einen – weiteren – Weg aufgezeigt, den Rechtsmissbrauch des Widerrufsrechts anzunehmen.

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