Das BMAS hat am 09.09.2022 die Corona-ArbSchV 2022 erlassen. Die Corona-ArbSchV 2022 bestimmt als maßgebliche Maßnahme ein erweitertes betriebliches Hygienekonzept, das auf der Grundlage der arbeitsschutzrechtlichen Gefährdungsbeurteilung erforderliche – bedarfsgerechte – Schutzmaßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz festzulegen und umzusetzen hat. Das in den ersten Diskussionen der Corona-ArbSchV 2022 unter anderem erörterte ‘Comeback’ der Home Office-Angebot-Pflicht des Arbeitgebers hat in der finalen Fassung des Entwurfs keine Berücksichtung (mehr) gefunden.
Den Ausgangspunkt für die Diskussionen zum Comeback der Home Office-Angebot-Pflicht bildeten die Home Office-Regelungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021 (Corona-ArbSchV 2021), die Arbeitgeber in dem Zeitraum vom 27.01.2021 bis 25.05.2022 zu beachten hatten. Die Corona-ArbSchV 2021 erlegte dem Arbeitgeber generell eine Home Office-Angebotspflicht auf, die der Arbeitgeber nur dann nicht zu beachten hatte, wenn einer Home Office-Tätigkeit des einzelnen Mitarbeiters zwingende betriebsedingte Gründe entgegenstanden. Die rechtliche Reichweite dieser Angebotspflicht war aus Arbeitgebersicht begrenzt, da der Mitarbeiter aus der Angebot-Pflicht kein subjektives Recht auf eine Home Office-Tätigkeit geltend machen konnte, sondern die damalige Home Office-Regelung nur eine Prüfpflicht des Arbeitgebers zur Möglichkeit der Home Office-Tätigkeit begründete.
Ein erster Entwurf der Corona-ArbSchV 2022 enthielt eine mit der Corona-ArbSchV 2021 vergleichbare Regelung zur Home Office-Angebot-Pflicht des Arbeitgebers. Die Aufnahme der Regelung erfolgte aufgrund der Erwägung, dass während der Herbst- und Winterperiode 2022/2023 der Arbeitsplatz beim Arbeitgeber einen besonderen Infektions(h)ort für die Verbreitung des Corona-Virus bilden würde. Diese Erwägung wurde in der Folgezeit – auch unter dem Eindruck der öffentlichen und weiteren internen Diskussionen über ihre Belastbarkeit – nicht mehr weiterverfolgt.
Da auch die weiteren, Anfang 2022 u.a. vom BMAS angestoßenen gesetzgeberischen Überlegungen zur Einführung eines allgemeinen Anspruchs auf eine Home Office-Tätigkeit (bisher) nicht weiter konkretisiert worden sind, haben Mitarbeiter unverändert kein subjektives Recht auf eine Home Office-Tätigkeit.
Als Kernelement der betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen bestimmt die Corona-ArbschV 2022 – wie auch bereits die Corona-ArbSchV 2021 – ein umfassendes betriebliches Hygienekonzept, das der Arbeitgeber auf der Grundlage seiner allgemeinen Gefährdungsbeurteilung zu entwickeln hat, und in dem der Arbeitgeber insbesondere die im Katalog des § 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV 2022 inkludierten Schutz-Maßnahmen zu prüfen hat, konkret (1) die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen zwei Personen, (2) die Sicherstellung der Handhygiene, (3) die Einhaltung der Hust- und Niesetikette, (4) das infektionsschutzgerechte Lüften von Innenräumen, (5) die Verminderung von betriebsbedingten Personenkontakten, (6) das Angebot einer Home Office-Tätigkeit für geeignete Tätigkeiten sowie (7) das Angebot an Mitarbeiter zum (kostenfreien) Corona-Test.
Die Regelung der in § 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV 2022 bestimmten Schutz-Maßnahmen inkludiert einen Regelbeispielkatalog; d.h. der Arbeitgeber hat die Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf die von der weiteren Verbreitung des Corona-Virus für seine Mitarbeiter am betrieblichen Arbeitsplatz ausgehenden Gefahren und sonstigen Risiken umfassend durchzuführen und in seinem betrieblichen Hygeniekonzept im Einzelfall auch Schutzmaßnahmen festzulegen, die nicht explizit im Katalog enthalten sind (z.B. die bereits unter der Corona-ArbSchV 2021 in der Praxis mitunter bestimmten Maßnahmen der Arbeitsplatzrotation (“Team A/Team B”), der Bereitstellung von relevanter Schutzbekleidung).
Die im Regelbeispielkatalog enthaltene Prüfung von einer möglichen Home Office-Tätigkeit hat entgegenstehende betriebsbedingten Gründe zu validieren. § 2 Corona ArbSchV 2022 enthält hierzu keine nähere Definition. Arbeitgeber werden eine Systematisierung der Gründe vorzunehmen haben/vornehmen können, die die Praxis bereits für die Home Office-Regelung in § 2 Abs. 4 der Corona-ArbSchV 2021 fruchtbar machen konnte, demnach betriebliche Gründe resultieren können:
Der Prüfungsmaßstab ist dabei gegenüber der Regelung des § 2 Abs. 4 Corona ArbSchV 2021 zugunsten des Arbeitgebers großzügiger, da eine Home Office-Tätigkeit im betrieblichen Hygienekonzept bereits bei der Bejahung des relevanten betrieblichen Grundes nicht mehr berücksichtigt werden braucht, und die für Vorgängerrelung des § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV 2021 (“zwingende betriebliche Gründe”) erforderliche Interessenabwägung mit den individuellen Belangen des Mitarbeiters nicht mehr erforderlich ist.
Davon unbenommen können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern – soweit mit der Geschäftsstrategie und der Personalstrategie vereinbar – fortgesetzt jedenfalls eine teilweise Home Office-Tätigkeit gewähren. In der Praxis haben sich hierzu in den letzten Monaten hybride Arbeitsplatzmodelle mit einem Home Office-Anteil von bis zu 40%/60% der regelmäßigen Arbeitszeit (“2-/3-Tage Home Office”) etabliert. Arbeitgeber, die das (freiwillige) Home Office-Angebot erstmals nach dem 01.08.2022 anbieten, haben die Anforderungen der am 01.08.2022 in Kraft getretenen Neufassung des Nachweisgesetzes (NachwG 2022) zum Schriftlichkeitserfordernis zu beachten.
Die Corona-ArbSchV 2022 tritt am 01.10.2022 in Kraft. Sie hat eine Laufzeit bis zum 07.04.2023.
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