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06.10.2016
Unternehmensrecht

Der BGH zu Netting-Klauseln im Insolvenzfall - auch für Energiehandelsverträge bedeutsam?

Der BGH hat erneut Bewegung in die Diskussion um die Wirksamkeit von Netting-Klauseln in Handelsverträgen im Insolvenzfall gebracht, die die BaFin auf den Plan gerufen hat. Die aktuelle Diskussion könnte sich auch auf Energiehandelsverträge auswirken.

Schon seit Jahren gibt es Diskussionen um die Wirksamkeit von Rahmenverträgen mit (close-out) Netting-Klauseln in der Insolvenz – die Forderung der Marktteilnehmer und Wirtschaftsverbände nach einer gesetzgeberischen Klarstellung zur Anerkennung solcher Rahmenverträge ist anlässlich eines aktuellen Urteils des BGH endlich erhört worden. Ein erster Vorschlag liegt vor.

Ausgangspunkt: Rechtsunsicherheit für Rahmenverträge mit Verrechnungsklauseln bei Beendigung

U.a. in der Finanz- und Energiehandelsbranche sind Rahmenverträge üblich, die für die unter dem Rahmenvertrag geschlossenen Einzeltransaktionen eine Verrechnung der Transaktionen im Beendigungsfall vorsehen (sog. close-out netting-Vereinbarungen). Diese Verträge enthalten bzw. enthielten meist auch eine Kündigungsklausel für den Fall, dass eine Partei insolvent wird. Der BGH hat allerdings mit mehreren Entscheidungen diese sog. insolvenzbedingten Lösungsklauseln für (teils-)unwirksam erklärt und somit erhebliche Rechtsunsicherheit herbeigeführt. Denn das Schicksal der Verrechnungsklauseln blieb für den Insolvenzfall lange ungeklärt. In einer ersten Entscheidung des BGH im November 2012 wurden Lösungsklauseln für unwirksam erklärt, die ein für den Insolvenzverwalter vorgesehenes Wahlrecht (§ 103 InsO) hinsichtlich der Vertragserfüllung beeinträchtigen. Der Insolvenzverwalter kann hiernach die Vertragserfüllung vom Vertragspartner verlangen oder den Vertrag beenden. Dieses Wahlrecht besteht grundsätzlich bei allen gegenseitigen, nicht vollständig erfüllten Verträgen. Es besteht hingegen nicht bei bestimmten Rahmenverträgen, für die der Gesetzgeber die automatische Beendigung bei Insolvenzeröffnung vorgesehen hat (§ 104 InsO). Hierunter können grundsätzlich auch Rahmenverträge fallen. Aufgrund der automatischen Beendigung hat der Gesetzgeber Vorgaben hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten (Zeitpunkt, Höhe) formuliert, die zwar einer Verrechnung gleich kommen, jedoch – soweit einschlägig – hinsichtlich des Verrechnungsergebnisses zu von der vertraglichen Verrechnung abweichenden Beträgen führen können.

Als Reaktion auf dieses Urteil und die damit verbundene Rechtsunsicherheit für (close-out) netting-Vereinbarungen forderten mehrere Wirtschaftsverbände in einem gemeinsamen Rundschreiben im August 2014 eine gesetzgeberische Klarstellung zur Anerkennung solcher Regelungen, die jedoch zunächst ausblieb.

Aktuelle Entscheidung zur Anwendung der Verrechnung in § 104 InsO

Zuletzt hat der BGH im Juni 2016 zu einem Rahmenvertrag für Optionsgeschäfte mit Abrechnungsmodus entschieden, dass dieser insoweit unwirksam sei, als er den Vorgaben der §§ 104 Abs. 2, Abs. 3 InsO widerspreche. Dementsprechend wurde die dortige Netting-Vereinbarung in Teilen für unwirksam erklärt.

Die Entscheidung erging zwar zu Finanzoptionsgeschäften, jedoch lässt sich die Wertung des BGH zur Abrechnungsmethode auch auf Rahmenverträge für Energielieferungen (sog. EFET-Rahmenverträge) übertragen. Dementsprechend besteht auch hier das Risiko, dass die vertraglich vereinbarte Abrechnungs- bzw. Verrechnungsklausel unwirksam ist.

Ein interessanter Gesichtspunkt ist, dass sich der BGH intensiv mit der Anwendbarkeit deutschen Rechts auseinandersetzte, obwohl dies im Vertrag vorgesehen war. Auch in EFET-Rahmenverträgen ist eine Klausel zur Rechtswahl (z.B. Strom § 22.1) vorgesehen, so dass die Auswirkungen der Wahl einer ausländischen Rechtsordnung Einfluss auf die Wirksamkeit der Netting-Vereinbarung haben könnten; dies wäre individuell zu prüfen. Im vom BGH entschiedenen Fall wurde deutsches Recht angewendet, obwohl das Insolvenzverfahren in England eröffnet worden war.

Das Urteil sorgte erneut für erhebliche Verunsicherung – diesmal in der Finanzwirtschaft. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) erließ noch am selben Tag eine Allgemeinverfügung, dass bis auf Weiteres die vertraglichen Netting-Vereinbarungen auch im Insolvenzfall anzuwenden seien. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) kündigte eine Gesetzesreform an.

Ausblick

Das BMJV hat nunmehr im Juli 2016 einen Reformvorschlag für § 104 InsO vorgelegt. Dieser soll dazu dienen, dass national, europaweit und international übliche Rahmenverträge für Finanzgeschäfte wirksam insolvenzfest vereinbart werden können. Ob der Gesetzgeber im weiteren Verfahren auch noch Besonderheiten anderer Branchen wie der Energiebranche berücksichtigen wird, bleibt abzuwarten.

Empfehlung

Auf Basis der aktuellen Rechtsprechung empfiehlt sich eine Analyse des bestehenden Vertragsportfolios, insbesondere hinsichtlich des anwendbaren Rechts. So kann der Umfang der aktuell bestehenden Risiken aus laufenden Verträgen eingeschätzt werden. Inwieweit Vertragsanpassungen zukünftig erforderlich werden, hängt maßgeblich vom deutschen Gesetzgeber ab.

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