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29.01.2015
Unternehmensrecht

BGH – Zulässigkeit der Hauptversammlung einer deutschen SE im Ausland

Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften finden in der Praxis innerhalb Deutschlands statt, insbesondere am Sitz der Gesellschaft. Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr zu entscheiden, ob Hauptversammlungen einer Societas Europaea (SE) mit Sitz in Deutschland auch im Ausland stattfinden können.

I. Sachverhalt

Die Aktionäre einer börsennotierten SE mit satzungsmäßigem Sitz in Deutschland machten die Unwirksamkeit der folgenden von der Hauptversammlung beschlossenen Satzungsänderung geltend:

„Die Hauptversammlung der Gesellschaft findet entweder am Sitz der Gesellschaft, dem Sitz einer Wertpapierbörse in der Europäischen Union oder einer Großstadt in der Europäischen Union mit mehr als 500.000 Einwohnern statt.“

II. Entscheidung

Der Bundesgerichtshof stellt zunächst fest, dass eine Satzungsregelung einer deutschen SE den Ort für die Hauptversammlung auch im Ausland bestimmen könne. Aus Art. 53 SE-VO i. V. m. § 121 Abs. 5 AktG folge grundsätzlich, dass die Satzung einen anderen Ort als den Gesellschaftssitz oder Börsensitz der Gesellschaft als Ort der Hauptversammlung bestimmen dürfe. Der Wortlaut des § 121 Abs. 5 AktG enthalte keine Einschränkung, die gegen die Bestimmung des Hautversammlungsortes im Ausland spreche. Der Zweck von § 125 Abs. 5 AktG sei es, sicherzustellen, dass der Versammlungsort nicht zu Lasten der Beteiligten, namentlich der Aktionäre, willkürlich ausgewählt wird. Dieser Schutzzweck verlange aber nicht, ausländische Versammlungsorte von vorneherein auszuschließen. Jedenfalls in den an Deutschland angrenzenden Ländern können Städte oder Regionen ebenso schnell und leicht erreichbar sein wie Orte in Deutschland oder der Sitz der Gesellschaft.

Des Weiteren stehe das Beurkundungserfordernis gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 AktG für Hauptversammlungsbeschlüsse einer Versammlung im Ausland grundsätzlich nicht entgegen, wenn die Beurkundung durch den ausländischen Notar der deutschen Beurkundung gleichwertig sei. Gleichwertigkeit sei gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübe und für die Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten habe, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspreche.

Der Bundesgerichtshof lehnt jedoch die Zulässigkeit der konkreten Satzungsregelung ab, weil diese „keine sachgerechte, am Teilnahmeinteresse der Aktionäre ausgerichtete Vorgabe enthalte, die das Ermessen des Einberufungsberechtigten binde“. Die Regelung lasse dem Einberufungsberechtigten, also in der Regel dem Vorstand, die Wahl, unter einer großen Zahl geographisch weit auseinanderliegender Orte den Hauptversammlungsort nach freiem Ermessen zu bestimmen. In der Europäischen Union gebe es rund 60 Städte, die mehr als 500.000 Einwohnern haben. Hinzu komme die unbekannte Zahl von Orten mit Sitz einer Wertpapierbörse in der Europäischen Union, die über keine 500.000 Einwohner verfügen. Im Ergebnis könnte daher das zur Einberufung berechtigte Organ unter einer hohen Zahl an möglichen Versammlungsorten in ganz Europa wählen und zwar auch einen Versammlungsort ohne jeglichen Bezug zur

Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Ein Aktionär könnte sich daher vor den jeweiligen Einberufungen der Hauptversammlungen nicht auf bestimmte Orte einstellen bzw. seine Reisen dorthin planen und unter Umständen dazu gezwungen sein, eine weite Anreise bis an die Ränder der Europäischen Union zu unternehmen.

III. Fazit

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ermöglicht SE mit deutschem Satzungssitz die Abhaltung von Hauptversammlungen im Ausland, was insbesondere für Gesellschaften mit einem hohen Anteil ausländischer Aktionäre oder großen ausländischen Betriebsstätten vorteilhaft sein kann. Zwar betrifft das Urteil unmittelbar nur die Rechtsform der SE, doch ist es auch auf (deutsche) Aktiengesellschaften übertragbar. Denn die Organisation und der Ablauf der Hauptversammlung einer SE richtet sich gemäß Art. 53 SE-VO direkt nach den Regelungen zur Organisation und zum Ablauf von Hauptversammlungen der Aktiengesellschaft des Sitzstaates, vorliegend nach dem einschlägigen § 121 Abs. 5 AktG.

Die entsprechende Satzungsregelung der SE oder AG muss dem jedoch Vorstand klare Grenzen hinsichtlich der Auswahl des ausländischen Orts der Hauptversammlung setzen. Je flexibler die Möglichkeit zur Auswahl des Versammlungsortes in der Satzung bestimmt ist, desto höher dürfte die Gefahr sein, dass das Teilnahmeinteresse der Aktionäre beeinträchtigt sein könnte und das Ermessen des Vorstands zur Einberufung nicht hinreichend gebunden ist. Zu beachten ist schließlich bei der Auswahl der ausländischen Versammlungsorte, dass die dortigen Urkundspersonen mit deutschen Notaren gleichwertig sind.

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