Nach dem Beschluss des BGH vom 30. April 2015 (IX ZR 196/13 – OLG München) wird die Rückgewähr jedes Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft binnen Jahresfrist vor Insolvenzantragstellung durch die Verschärfung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO von der Insolvenzanfechtung erfasst. Das Erfordernis der „Gesellschaftskrise“ muss nicht hinzutreten.
Dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) lag ein Sachverhalt zugrunde, in welchem der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH den Beklagten infolge Insolvenzanfechtung auf Zahlung in Anspruch nahm. Der Beklagte war zunächst Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH. Ca. elf Monate vor Insolvenzantragstellung übertrug der Beklagte die Geschäftsanteile an der GmbH an eine dritte Partei.
Den Zahlungsanspruch stützte der Insolvenzverwalter zum einen auf Zahlung infolge Insolvenzanfechtung aus der Rückführung von Gesellschafterdarlehen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Zum anderen nahm er den Beklagten wegen Tilgung einer durch eine Gesellschafterbürgschaft gesicherten Verbindlichkeit der nachmaligen Insolvenzschuldnerin in Anspruch.
In seinen Entscheidungsgründen führte das oberste deutsche Zivilgericht unter anderem das Folgende aus:
Als unerheblich sah es der BGH an, dass der Beklagte vor der letzten Zahlung der Schuldnerin an ihn seine Gesellschafterbeteiligung an einen Dritten übertragen hatte. Denn der nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO angeordnete Nachrang könne nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Gesellschafter als Darlehensgeber seine Gesellschafterstellung an der Gesellschaft aufgebe. Ein zeitlich unbegrenzter Nachrang sei jedoch unangemessen, so dass das Gericht auf den Rechtsgedanken des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO und die darin erwähnte Jahresfrist abstellte.
Der Nachrang für ein Gesellschafterdarlehen bleibe daher für den Fall erhalten, dass der Gesellschafter seine Rechtsposition innerhalb der Jahresfrist vor Antragstellung aufgibt.
Im Folgenden nahm das Gericht zu § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO Stellung. Nach dieser Regelung ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (Gesellschafterdarlehen) Befriedigung gewährt hat, anfechtbar, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.
Die Regelung, welche im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 (MoMiG) neugefasst wurde, verzichtet bewusst auf das Merkmal der Kapitalersetzung. Jedes Gesellschafterdarlehen, so der BGH in dem vorgenannten Beschluss, wird bei Eintritt der Gesellschaftsinsolvenz in den Nachrang verwiesen. Daraus folge, dass Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen innerhalb der Jahresfrist stets nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sind. Hier sei das Gesetzesverständnis eindeutig, nämlich dahingehend, dass die Anfechtung nicht mehr auf Fälle beschränkt sei, in denen zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend waren und die Befriedigung der Gesellschafter ihrer Finanzierungsverantwortung widersprach.
Die Rückgewähr jedes Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft binnen Jahresfrist vor Insolvenzantragstellung wird daher nach den Ausführungen des Gerichts durch die Verschärfung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO von der Insolvenzanfechtung erfasst. Das bisherige Erfordernis der „Gesellschaftskrise“ muss nicht hinzutreten.
Insbesondere sah das Gericht keinen Raum dafür, dem Gesellschafter einen „Entlastungsbeweis“ im Einzelfall zu ermöglichen. Ziel des Gesetzgebers sei eine Vereinfachung der Rechtslage und die Schaffung von mehr Rechtssicherheit durch typisierende Regelungen gewesen. Damit ginge zwar auch einher, dass es im Einzelfall zu Härten kommen könne. Jedoch sei dieser Nachteil ausgeglichen durch einen Gewinn an Rechtssicherheit, da die unnötig komplizierten Rechtsregeln des Kapitalersatzrechts nunmehr entfallen seien.
Einen verfassungsrechtlichen Verstoß des § 135 InsO gegen Art 14 Abs. 1 oder Art 3. Abs. 1 GG lehnte der BGH ab.
Unser Fazit
Auf das Risiko, dass bei einer Übertragung von Geschäftsanteilen an einen Dritten innerhalb einer Jahresfrist noch der nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO angeordnete Nachrang gilt, sollte bei der Übertragung von Geschäftsanteilen hingewiesen werden, wenn vor der Übertragung noch Gesellschafterdarlehen an den Gesellschafter zurückgezahlt worden sind.
Denn in diesem Fall ist der Übertragende für ein Jahr dem Risiko ausgesetzt, dass die Gesellschaft nach seinem Ausscheiden in Insolvenz gerät und er infolge einer Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter auf Rückzahlung in Anspruch genommen wird. Dieses Risiko trifft ihn, obwohl er nach der Übertragung der Geschäftsanteile keinen Einfluss mehr auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft nehmen kann.
Hier kann es ratsam sein, in den Anteilsabtretungsvertrag eine Klausel aufzunehmen, nach der der Erwerber der Geschäftsanteile den Veräußerer von Zahlungsverpflichtungen freistellt, die nach Ausscheiden des Veräußerers innerhalb eines Jahreszeitraums wegen Insolvenzanfechtung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) gegen ihn geltend gemacht werden. Eine entsprechende „Solvenz“ des Erwerbers ist hier jedoch im Schadensfall nötig, damit eine solche Klausel ihren wirtschaftlichen Zweck erfüllt.
Alternativ bietet es sich an, das Gesellschafterdarlehen stehen zu lassen und den entsprechenden Betrag beim Kaufpreis der Geschäftsanteile zu berücksichtigen. So wird das Risiko des Verkäufers aus § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gänzlich vermieden.
Die Rechtsansicht des BGH dazu, dass die Rückgewähr jedes Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft binnen eines Jahres vor Antragstellung von der Insolvenzanfechtung erfasst wird, ohne dass eine „Gesellschaftskrise“ hinzutreten muss, ist nicht neu (vgl. z.B. BGH, NZI 2014, 619 ff., Rn. 22). Sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Gesetzesbegründung sprechen zudem für diese Rechtsansicht.
Jedoch nimmt der BGH in dem eingangs erwähnten Beschluss nunmehr ausführlich dazu Stellung, dass eine „Hintertür“ durch das Vortragen eines „Härtefalls“ nicht in Betracht kommt. Die Möglichkeit des Entlastungsbeweises dahingehend, dass zum Zeitpunkt der Rückführung des Darlehens noch kein Insolvenzgrund vorgelegen habe, wird dem Beklagten ausdrücklich verwehrt. Auf eine Einzelfallbetrachtung, ob eine „Gesellschaftskrise“ vorgelegen habe, kommt es mithin nach Ansicht des BGH nicht an. Verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 135 InsO tritt das Gericht entgegen.
Der Beschluss sorgt in bestätigender Weise für Rechtssicherheit und positioniert sich im Sinne des Gesetzeswortlauts des § 135 InsO. Der Berücksichtigung von über den Wortlaut hinausgehenden, historischen Tatbestandsmerkmalen des § 135 InsO („Gesellschaftskrise“) wird eindeutig eine Absage erteilt.
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