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22.11.2013
Unternehmensrecht

BGH: Haftung von Organen ausländischer Gesellschaften für Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen

Auch Organe ausländischer Gesellschaften kommen als Täter eines Sozialversicherungsbetruges in Betracht. Dies bejahte der BGH in seiner Entscheidung, in der eine in Deutschland tätige Schweizer Gesellschaft die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen unterlassen hatte.

Sachverhalt

 Die Klägerin, die Einzugsstelle für Sozialversicherungsbeiträge, macht Schadensersatzansprüche wegen Nichtabführung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung gegen den Beklagten geltend. Die Gesellschaft, eine Schweizer Aktiengesellschaft, beschäftige in Deutschland Arbeitnehmer, für die sie zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet war. Im Zeitraum von Februar 2007 bis Januar 2009 wurden Beträge in Höhe von rund EUR 34.000 nicht abgeführt. Der Beklagte war im entsprechenden Zeitraum Vorsitzender der Direktion der Gesellschaft.
Die Revision des Klägers beim BGH gegen das abweisende Urteil des OLG Dresden führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Entscheidung

 Der BGH bejaht eine Haftung des Klägers für Schadensersatz nach den Vorschriften der § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a Abs. 1 StGB. § 266 a Abs. 1 StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB und dessen Verletzung begründet eine Pflicht zum Ersatz des entstandenen Schadens. Zur Leistung von Schadensersatz ist verpflichtet, wer als Täter oder Teilnehmer gegen die in Frage stehende Strafvorschrift verstoßen hat. Als Täter kommen der Arbeitgeber, ihm gleichgestellte Personen (§ 266 Abs. 5 StGB) oder für den Arbeitgeber handelnde Personen im Sinne des § 14 StGB in Betracht. Die Gesellschaft als solche kann nach deutschem Strafrecht nicht als Täter einer Straftat herangezogen werden.
Nach § 14 StGB können Täter einer Straftat sowohl vertretungsberechtigte Organe von juristischen Personen oder Mitglieder solcher Organe (Absatz 1 Nr. 1) aber auch solche Personen sein, die vom Inhaber beauftragt sind, den Betrieb bzw. ein Unternehmen ganz oder zum Teil zu leiten oder Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen (§ 14 Abs. 2. StGB). Auch faktische Geschäftsführer bzw. Vorstände kommen als Täter in Betracht.
Die Eigenschaft des Arbeitgebers muss im Falle des § 14 Abs. 1 StGB durch die juristische Person erfüllt werden, im Falle des Abs. 2 durch den Inhaber des Betriebs oder Unternehmens.
Wann ein Vertreter einer ausländischen Gesellschaft eine der vorgenannten Tätereigenschaften erfüllt, richtet sich nach dem entsprechenden auf die Gesellschaft anwendbaren Recht. Der Kläger war im entsprechenden Zeitraum Mitglied der Direktion und vertretungsberechtigtes Geschäftsführungsorgan, was sich insbesondere aus dem Handelsregister der Gesellschaft in der Schweiz ergab.
Ob dem Kläger tatsächlich eine umfassende Geschäftsführungsbefugnis zustand, ist Tatsachenfrage, die vom Berufungsgericht bislang nicht ausreichend gewürdigt wurde und in der neuen Verhandlung festgestellt werden muss. Dies betrifft auch die Frage, ob der Täter mangels formeller Organstellung als faktischer Vorstand gehandelt hat, was seine Täterschaft ebenfalls begründen könnte.

Betroffene Normen

 § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB iVm § 266 a StGB, § 14 StGB

Anmerkungen

Die Entscheidung macht deutlich, dass auch Organe ausländischer Gesellschaften Täter eines Sozialversicherungsbetruges in Deutschland sein können. Für diese ist daher Vorsicht geboten. In Deutschland tätige ausländische Gesellschaften sollten ihre hier tätigen Geschäftsführer und Vorstände genau über die rechtliche Situation in Deutschland aufklären, um eine persönliche Haftung der betroffenen Personen zu vermeiden. Denn mangels Möglichkeit, das Unternehmen selbst als Täter in Anspruch zu nehmen, werden entsprechende Schadensersatzansprüche in Deutschland stets gegen die Organe geltend gemacht. In einigen europäischen Nachbarländern (z.B. Österreich, Schweiz und Frankreich) ist die Situation eine andere, weshalb es umso wichtiger ist, die handelnden Personen über die Unterschiede zu informieren.
In diesem Zusammenhang sei ergänzend darauf hingewiesen, dass das Land Nordrhein-Westfalen den Entwurf eines Unternehmensstrafrechts vorbereitet hat, das als Bundesratsvorlage in den Bundestag eingebracht werden soll. Ein solches Gesetz würde es ermöglichen, im Falle von Straftaten und Schutzgesetzverletzungen direkt gegen das Unternehmen vorzugehen. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang, ob eine Täterschaft bzw. Haftung der Organe daneben ebenfalls noch in Betracht kommen würde. Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form Deutschland ein Unternehmensstrafrecht bekommen wird.

Vorinstanz

OLG Dresden, Urteil vom 29.08.2012, 1 U 901/11

Fundstelle

BGH, Urteil vom 11.06.2013, II ZR 389/12, NZG 2013, 937

Weitere Fundstellen

NJW 2013, 3303

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