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26.06.2015
Transfer Pricing

BEPS: Maßnahme 12 – Disclosure Rules

Am 31.03.2015 hat die OECD den Diskussionsentwurf zu „Mandatory Disclosure Rules“ veröffentlicht. Dieser Diskussionsentwurf beinhaltet Verschärfungen bei den Anforderungen für zwingende Offenlegungsregeln bei aggressiven Steuergestaltungen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung („OECD“) hat am 31.03.2015 einen Diskussionsentwurf zu sog. „Mandatory Disclosure Rules“ veröffentlicht, der sich mit der Offenlegung bzw. Anzeigepflicht bestimmter Steuerplanungsmodelle im Rahmen des „Base Erosion and Profit Shifting“ („BEPS“) Projekts befasst. Schon seit langer Zeit wird seitens der OECD versucht, Offenlegungsvorschriften bzw. Anzeigepflichten im Hinblick auf grenzüberschreitende Steuergestaltungen auf globaler Ebene einzuführen bzw. zu vereinheitlichen. So hat die OECD bereits im Februar 2011 einen Bericht über „Tackling Aggressive Tax Planning through Improved Transparency and Disclosure“ mit einem Appell zur Verschärfung von Offenlegungs- bzw. Anzeigepflichten derartiger Gestaltungsstrukturen publiziert.

Am 11.05.2015 hat zudem ein öffentliches „Hearing“ am Sitz der OECD in Paris stattgefunden, in welchem Stimmen aus der Fachöffentlichkeit Gelegenheit hatten, den Diskussionsentwurf aus Sicht der Praxis zu kommentieren. Die bis dato zu dem o.g. Diskussionsentwurf eingereichten schriftlichen Stellungnahmen sind entsprechend auf der OECD-Homepage veröffentlicht worden.

Hintergrund

Bereits am 19.07.2013 wurde der Öffentlichkeit von der OECD ein Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen vorgestellt und hierbei diverse Schlüsselprobleme im Bereich grenzüberschreitender Steuergestaltungen identifiziert, hierunter – auf Seiten der Finanzbehörden – auch das „Problemfeld“ der fehlenden Kenntnis über (aggressive) Steuersparmodelle. In diesem Zusammenhang wurde zum Ziel ausgerufen, auf OECD-Ebene Empfehlungen zur Gestaltung von „zwingenden Offenlegungsregeln für aggressive oder missbräuchliche Transaktionen, Modelle oder Strukturen unter Berücksichtigung (i) der Verwaltungskosten für Finanzverwaltungen und Unternehmen und (ii) der Erfahrungen einer wachsenden Anzahl von Staaten, die über entsprechende Regeln verfügen“, zu entwickeln.

Der Diskussionsentwurf im Überblick

Der Diskussionsentwurf zielt auf die Entwicklung von für den Steuerpflichtigen verbindlichen Regelungen ab, um zugunsten der betreffenden Finanzverwaltung Informationen über Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen zu erlangen, die auf bestimmten, grenzüberschreitenden Steuergestaltungen beruhen:

  • Kapitel I befasst sich mit einer Einführung in den Diskussionsentwurf;
  • Kapitel II vermittelt einen Überblick über die wesentlichen Eigenschaften zwingender Offenlegungsregeln bzw. Anzeigepflichten für aggressive oder missbräuchliche Transaktionen, Modelle oder Strukturen;
  • Kapitel III illustriert sowohl die Rahmenbedingungen als auch die Hauptmerkmale für den modularen Aufbau von zwingenden Offenlegungs- bzw. Anzeigepflichten; und
  • Kapitel IV geht sodann weiter auf die Offenlegungsregeln bzw. Anzeigepflichten im Hinblick auf konzerninterne grenzüberschreitende Strukturierungen ein.

Die Erlangung von Informationen über aggressive Steuersparmodelle ist aus Sicht der OECD ein essentieller Bestandteil zur Bekämpfung von ungerechtfertigten steuerrelevanten Gewinnverkürzungen bzw. -verlagerungen. Grundsätzlich sind daher nach OECD-Ansicht als Zielsetzung des „BEPS Aktionspunkts 12“ folgende drei „key outputs“ identifiziert worden:

  • Entwicklung von Empfehlungen durch Einsatz eines modularen, einheitlichen Aufbaus der Offenlegungs- bzw. Anzeigepflichten bei gleichzeitiger Berücksichtigung länderspezifischer Anforderungen und Risiken;
  • Erläuterung der Begrifflichkeit „internationale Steuergestaltungsmodelle“, wobei eine weite Auslegung des Begriffs „Steuervorteils“ zugrunde gelegt werden soll; und
  • Ausarbeitung und Umsetzung verbesserter Modelle für den Informationsaustausch über internationale Steuermodelle zwischen den nationalen Finanzverwaltungen.

Der Diskussionsentwurf befasst sich jedoch lediglich dezidiert mit den zwei erstgenannten Maßnahmen; im Rahmen des letzten key outputs wird auf die restlichen Aktionspunkte des BEPS-Aktionsplans verwiesen.

Dem Duktus des Diskussionspapiers zufolge müssen zwingende Offenlegungspflichten folgenden Leitprinzipien gerecht werden: Sie sollen klar und einfach, d.h. verständlich ausgestaltet sein, wobei die in diesem Zusammenhang entstehenden Verwaltungskosten für den Steuerpflichtigen handhabbar und nicht unverhältnismäßig hoch sein dürfen. Zudem wird zum Ziel gesetzt, dass Offenlegungsregeln effektiv in der Ausgestaltung zur Identifizierung von aggressiven Steuersparmodellen sein sollen und die erlangten Informationen darüber hinaus „sinnvoll“ eingesetzt werden. Zugleich verspricht sich die OECD durch die Offenlegungs- bzw. Anzeigepflichten eine „abschreckende“ Wirkung im Hinblick auf den Einsatz derartiger Steuergestaltungen; es wird sich demzufolge eine Attraktivitätseinbuße derartiger Gestaltungsmöglichkeiten versprochen.

Basiselemente der zwingenden Offenlegungspflicht

 
Wer hat Informationen offen zu legen?
Offenlegungspflichtig ist kumulativ sowohl der Steuerpflichtige als auch ein sog. Dritter, der im Rahmen einer Geschäftsbeziehung Steuergestaltungsmodelle anbietet oder empfiehlt (sog. Vermarkter). Dies wird in der Regel ein steuerlicher Berater sein, der für den Steuerpflichtigen tätig wird. Die Offenlegungspflicht kann – so die OECD – allerdings auch alternativ lediglich dem Vermarkter oder dem Steuerpflichtigen auferlegt werden. Grundsätzlich sollen die Mitgliedsstaaten hierbei frei sein, wen sie als Primärverpflichteten ansehen möchten. Die OECD empfiehlt jedoch in den Fällen, in denen die Offenlegungspflicht primär auf Seiten des Vermarkters liegt, einen automatischen Übergang der Verpflichtung auf den Steuerpflichtigen einzuführen (bspw. wenn der Vermarkter sich außerhalb der betreffenden Jurisdiktion befindet und daher nicht „greifbar“ ist). Unter den Personenkreis der Vermarkter fallen unter anderem Steuerberater, Rechtsanwälte oder anderweitige Beratungsberufe wie z.B. Unternehmensberater.

Welche Informationen sind offen zu legen?
Eine Strukturierung ist nach OECD-Verständnis offen zu legen, wenn sie sogenannten „hallmarks“ unterfällt, d.h. es müssen bestimmte Offenlegungs- bzw. Anzeigekennzeichen vorhanden sein. Diese Kennzeichen können sowohl allgemeiner („generic“) als auch spezifischer („specific“) Natur sein. Die OECD führt in diesem Zusammenhang bspw. das Erfordernis von Vertraulichkeitsabreden im Verhältnis zwischen Berater und Unternehmen über das steuerliche Strukturierungsmodell an. Als zweites Beispiel wird die Bezahlung einer Premium Fee oder einer Bedingungszahlung (sog. contingent payments) als allgemeines Kennzeichen, das den „Verdacht“ einer anzeigepflichtigen Steuergestaltung nährt, genannt. Spezifische Kennzeichen hingegen umfassen risikobehaftete Bereiche, wie beispielsweise die Nutzung von (Dauer-)Verlusten, Leasing-Transaktionen und das Eingehen von konzerninternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen, die in Niedrigsteuerländern ansässig sind. Da die nationalen Regelungen in diesen Bereichen stark voneinander variieren, empfiehlt die OECD eine gewisse Flexibilität bei der Ausgestaltung dieser Kennzeichen zu gewährleisten.

Die Offenlegungs- bzw. Anzeigepflichten sollen in der Regel sog. „thresholds“ aufweisen, um zu gewährleisten, dass nicht jede Strukturierung unter das Erfordernis der Offenlegung bzw. Anzeige fällt. Vielmehr soll eine Abwägung anhand diverser Kriterien erfolgen.

Wann müssen Informationen offen gelegt werden?
Die zeitliche Komponente einer Offenlegung bzw. Anzeige ist laut OECD von großer Bedeutung, da eine frühzeitige Kenntnis der Finanzverwaltungen über aggressive Steuergestaltungen zu einer rechtzeitigen Reaktion seitens der Finanzverwaltung und somit zu einer zeitnahen „Eindämmung“ der Steuerverkürzung führen kann. Der Diskussionsentwurf empfiehlt, dass der Vermarkter Informationen des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des sog. „erstmaligen Angebots“ oder der „erstmaligen Empfehlung“ einer Steuergestaltung offen zu legen hat. Im Falle der Offenlegungs- bzw. Anzeigepflicht auf Seiten des Steuerpflichtigen soll der Zeitpunkt der Implementierung der Struktur ausschlaggebend sein.

Konsequenzen der Nicht-Einhaltung
Der Diskussionsentwurf verdeutlicht, dass Sanktionen erforderlich sind, um die Nichteinhaltung von zwingenden Offenlegungs- bzw. Anzeigepflichten zu verhindern. Üblicherweise werden monetäre Sanktionen zugrunde gelegt, jedoch obliegt es – wie generell bei OECD-Publikationen – den Mitgliedsstaaten die entsprechenden Sanktionsvorschriften im Einzelnen zu spezifizieren. Grundsätzlich darf jedoch festgehalten werden, dass offenlegungspflichtige Strukturierungen nicht automatisch „aggressive Steuerumgehungsmodelle“ umfassen müssen und entsprechende Sanktionen auslösen.

Verbindung zu weiteren Aktionspunkten und Themengebieten

Das Diskussionspapier zu Aktionspunkt 12 verdeutlicht darüber hinaus die Verbindung zu anderen Aktionspunkten des BEPS-Projekts der OECD, insbesondere zu Aktionspunkt 5 „Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz“ sowie dem Aktionspunkt 13 „Leitlinien zur Verrechnungspreisdokumentation und länderbezogenen Berichterstattung“, dem sogenannten Country-by-Country Reporting („CbC“).

Zugleich ist festzustellen, dass die o.g. Aktionspunkte nicht miteinander harmonisiert erscheinen. Gerade im Hinblick auf Aktionspunkt 13 ist derzeit ungeklärt, welche Schnittmenge zwischen den o.g. Offenlegungs- bzw. Anzeigepflichten und den Dokumentationspflichten im Rahmen des Master-, Local- und CbC-Files besteht.

Fazit und Ausblick

Die Thematik einer Offenlegungs- bzw. Anzeigepflichten grenzüberschreitender Steuergestaltungen ist auch aus deutscher Perspektive in den letzten Jahren immer wieder in das Zentrum steuerpolitischer Diskussion gerückt worden. So wurde u.a. auf Basis eines Referentenentwurfs im Rahmen der Diskussion um das Jahressteuergesetz 2008 die Einführung eines § 138a in die Abgabenordnung beraten. Gegenstand dieser Vorschrift sollte eine „Anzeigepflicht von Steuergestaltungen“ sein. Hierdurch wollte die Finanzverwaltung nach eigenem Bekunden erreichen, dass Steuergestaltungen, die auf reine Steuerarbitrage gerichtet sind, für die Finanzverwaltung besser erkennbar werden und demzufolge „leichter zu attackieren“ sind. Zugleich sollten Steuerpflichtige sich „frühzeitig problembewusst“ überlegen, „ob sie sich mit einer Gestaltung in eine rechtliche Grauzone begeben wollen“ (so die Begründung zum damaligen Referentenentwurf). Als problematische Steuergestaltungen sind sämtliche Strukturen aufgefasst worden, die u.a. auf die Ausnutzung von Qualifikationskonflikten, hybride Gesellschaftsformen, sog. double dip-Strukturen, doppelansässige Gesellschaften sowie die Erzielung sog. weißer Einkünfte durch doppelte Nichtbesteuerung beruhen.

Die diskutierte Neuregelung des § 138a AO-E ist seinerzeit steuerpolitisch heftig diskutiert worden und bekanntermaßen nicht in die Abgabenordnung aufgenommen worden. Gleichwohl mehren sich auf politischer Ebene – auch in Anbetracht des derzeitigen OECD-Diskussionspapiers – momentan vermehrt Stimmen, die einen erneuten gesetzgeberischen Versuch der Einführung eines § 138a AO fordern. Es darf mit Spannung abgewartet werden, ob das vorliegende Diskussionspapier der OECD in diesem Zusammenhang zu einer Revitalisierung des gesetzgeberischen Handelns führen wird.

Literatur

OECD (2011): Tackling Aggressive Tax Planning through Improved Transparency and Disclosure; Report on Disclosure Initiatives, February 2011,  (Stand: 3. März 2015)

OECD (2013): Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, June 2013, deutsche Übersetzung (Stand: 3. März 2015)

OECD (2015): BEPS Action 12: Mandatory Disclosure Rules, Public Discussion Draft, March 2015 (Stand: 1. März 2015)

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