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15.10.2020
Transfer Pricing

MLI-Ratifizierungsgesetz: Neue Regelungen für Betriebsstätten

Der Bundestag hat am 08.10.2020 das Umsetzungsgesetz zum Mehrseitigen Übereinkommen vom 24.11.2016 (Multilaterales Instrument – MLI) verabschiedet. Ziel ist die Umsetzung der steuerabkommensbezogenen Empfehlungen des G20/OECD-Projekts gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS), die im BEPS-Aktionsplan (Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting) enthalten sind. Einige Regelungen des Entwurfs haben Auswirkungen auf die Besteuerung von Betriebsstätten.  

Hintergrund

Die Bundesregierung hatte am 10.07.2020 einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des im Rahmen von Aktionspunkt 15 des BEPS-Aktionsplans entwickelten Verfahrens zur vereinfachten Anpassung von Steuerabkommen eingebracht. Das neuartige Verfahren, das sogenannte Multilaterale Instrument (MLI), dient der Modifikation bilateraler Steuerabkommen durch ein mehrseitiges Übereinkommen und war am 07.06.2017 von der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit 67 anderen Staaten und Gebieten unterzeichnet worden (siehe Deloitte Tax-News).

Der Bundestag hat am 08.10.2020 das Umsetzungsgesetz verabschiedet. Es ist davon auszugehen, dass der Bundesrat am 06.11.2020 dem Gesetz zustimmen wird.

Im Anhang des Umsetzungsgesetzes wird das MLI mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht. Artikel 12 bis 15 des MLI regeln die im Rahmen von BEPS Aktionspunkt 7 abgestimmten Maßnahmen zur künstlichen Vermeidung von Betriebsstätten. Dem Gesetz ist auch eine Liste der Auswahlentscheidungen der Bundesregierung beigefügt.

Im Folgenden werden die Inhalte der Artikel 12 bis 15 des MLI sowie die Auswahlentscheidungen des Gesetzgebers zusammengefasst:

Regelungen der Artikel 12-15 des MLI im Einzelnen

Artikel 12 - Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien

Diese Regelung besagt, dass ein abhängiger Vertreter, der für ein Unternehmen tätig ist und dabei gewöhnlich Verträge schließt oder gewöhnlich die führende Rolle beim Abschluss von Verträgen einnimmt, im Tätigkeitsstaat eine (Vertreter-)Betriebsstätte des Unternehmens begründet, wenn die Verträge regelmäßig ohne wesentliche Änderung durch das Unternehmen abgeschlossen werden. In Absatz 2 dieses Artikels wird ferner die Definition des abhängigen Vertreters erweitert. Demnach ist eine Person dann kein unabhängiger Vertreter des Unternehmens, wenn sie ausschließlich oder nahezu ausschließlich für ein Unternehmen oder auch für mehrere Unternehmen tätig ist, wenn diese eng miteinander verbunden sind. Artikel 15 des MLI definiert die enge Verbundenheit.

In Ausweitung der bisherigen Regelung im OECD-MA ist nicht mehr das Vorliegen einer Abschlussvollmacht entscheidend, sondern maßgeblich ist die von dem Vertreter tatsächlich ausgeübte führende Rolle im Hinblick auf den Abschluss eines Vertrages.

Artikel 13 - Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch die Ausnahme bestimmter Tätigkeiten

Artikel 13 bestimmt, unter welchen Bedingungen Hilfs- und Nebentätigkeiten nicht zur Begründung einer Betriebsstätte führen. Hierfür definiert der Artikel zwei Optionen. 

Option A (Absatz 2): Artikel 5 Abs. 4 enthält einen sogenannten Ausnahmekatalog von Tätigkeiten, die nicht zur Begründung einer Betriebsstätte führen, soweit es sich um Hilfs- oder Nebentätigkeiten im Sinne dieses Artikels handelt. Unabhängig davon, ob Tätigkeiten unter die im Katalog genannten Aktivitäten fallen, ist also in jedem Fall eine gesonderte Prüfung der Aktivitäten erforderlich, ob es sich tatsächlich um Hilfs- und Nebentätigkeiten handelt, um die Begründung einer Betriebsstätte auszuschließen.

Option B (Absatz 3): Diese Option trägt der Auffassung bestimmter Länder Rechnung, dass einige der in Artikel 5 Abs. 4 genannten Aktivitäten in keinem Fall zur Begründung einer Betriebsstätte führen sollen. Damit erübrigt sich in diesen Fällen eine Prüfung, ob es sich tatsächlich um Hilfs- und Nebentätigkeiten handelt. Die Ablehnung einer Betriebsstätte aufgrund der Durchführung der in diesem Artikel genannten Katalogtätigkeiten erfolgt demnach ohne weitere Überprüfung.

In Absatz 4 wird ferner geregelt, dass die Aufspaltung von Tätigkeiten auf eng miteinander verbundene Personen bzw. Unternehmen nicht mehr zum Zweck der Vermeidung einer Betriebsstätte genutzt werden kann.

Artikel 14 - Aufteilung von Verträgen

Artikel 14 besagt, dass zusammengehörige Tätigkeiten zusammen zu betrachten sind, auch wenn sie in separaten Verträgen geregelt werden, und somit der Abschluss mehrerer separater Verträge nicht zwingend zu einer Unterschreitung der im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen für die Begründung von Bau- und Montagebetriebsstätten definierten Zeitdauern führt. Absatz 2 stellt ferner sicher, dass Doppelbesteuerungsabkommen, die bereits in einigen Teilen solche Anti-Fragmentierungsregeln enthalten, durch die Regelung in Absatz 1 ergänzt, aber in Bezug auf ihre bereits bestehenden Regelungen nicht verändert werden.

Die in einigen Konstellationen genutzte Fragmentierung von Tätigkeiten zum Zwecke der Vermeidung von Betriebsstätten wird auf diesem Wege unterbunden.

Artikel 15 – Bestimmung des Begriffs der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person

Artikel 15 definiert den Begriff der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person. Maßgeblich ist eine direkte oder indirekte Beteiligung von mehr als 50 %. Liegt diese vor, wird ein verbundenes Unternehmen als eng verbundene Person qualifiziert und gilt somit beispielsweise nicht mehr als unabhängiger Vertreter. Darüber hinaus kommt es für das Vorliegen einer eng verbundenen Person auf das tatsächliche direkte und indirekte Beherrschungsverhältnis an. Auch im Zusammenhang mit der Prüfung, ob Hilfs- und Nebentätigkeiten ausgeübt werden, sowie für die Frage, ob Verträge wirksam aufgeteilt werden können, ist Artikel 15 anzuwenden.

Auswahlentscheidungen und Vorbehalte des deutschen Gesetzgebers in Bezug auf Artikel 12-15

Die Auswahlentscheidungen des deutschen Gesetzgebers haben sich gegenüber der in 2017 veröffentlichten Position nicht geändert. Sie seien hier auf Basis des vorliegenden Gesetzes kurz zusammengefasst:

Artikel 12: Deutschland hat sich gegen eine Anwendung des Artikel 12 entschieden. Der Begriff der Vertreterbetriebsstätte wird demnach in DBAs mit deutscher Beteiligung nicht ausgeweitet. 

Artikel 13: Absatz 4, in dem es um die Aufspaltung der Tätigkeiten eng verbundener Personen geht, hat Deutschland abgelehnt. Dies hängt damit zusammen, dass Deutschland den in Artikel 15 definierten Begriff der verbundenen Person ebenfalls ablehnt, da diese Definition der deutschen Rechtslage nicht entspricht. Ansonsten hat sich Deutschland für Option A entschieden, was dazu führt, dass Tätigkeiten jeweils im Einzelfall daraufhin zu prüfen sind, ob für sie eine Qualifikation als Hilfs- und Nebentätigkeiten in Betracht kommt oder ob sie betriebsstättenbegründend sind.

Artikel 14: Der deutsche Gesetzgeber hat sich gegen die Anwendung dieses Artikels entschieden. Eine Aufteilung von Verträgen kann also weiterhin zur Vermeidung von Betriebsstätten durchgeführt werden.

Artikel 15: Der deutsche Gesetzgeber lehnt die Definition der eng verbundenen Person ab, da sie der deutschen Rechtslage nicht entspricht, sondern grundsätzlich enger gefasst ist als der Begriff der nahestehenden Person in § 1 Abs. 2 AStG.

Anwendung der von Deutschland umgesetzten Regelungen des MLI im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen

Bei dem MLI-Umsetzungsgesetz handelt es sich lediglich um einen „Zwischenschritt“. Denn durch das MLI-Umsetzungsgesetz soll im ersten Schritt ausschließlich das Übereinkommen ratifiziert werden.

Die Konkretisierung der Modifikationen, die sich aufgrund des Übereinkommens für die Anwendung eines konkreten erfassten Steuerabkommens ergeben, bleibt einem zweiten gesetzgeberischen Akt vorbehalten: Für die vom Übereinkommen erfassten Steuerabkommen ist ein separates Anwendungsgesetz vorgesehen. In diesem Anwendungsgesetz werden die konkreten Modifikationen an den Steuerabkommen ausgeführt und deren Anwendung angeordnet. Sofern sich durch die Auswahlentscheidungen Deutschlands und des Vertragspartners Klärungsbedarf ergibt, soll dieser im Rahmen eines bilateralen Konsultationsverfahrens vorab einvernehmlich geklärt werden.

Es ist darauf hinzuweisen, dass das MLI-Umsetzungsgesetz nur gegenüber vierzehn Staaten Wirkung entfalten soll. Die vierzehn Staaten sind in der im Anhang des Gesetzes beigefügten Liste zu Artikel 2 des MLI genannt. Mit den übrigen Staaten, die den BEPS Aktionsplan mit gezeichnet haben, scheint Deutschland im Wege von bilateralen Verhandlungen entsprechende Regelungen in die Doppelbesteuerungsabkommen einführen zu wollen.

Das MLI-Umsetzungsgesetz entfaltet somit selbst noch keine unmittelbare Wirkung im Verhältnis zwischen der deutschen Finanzverwaltung und den Steuerpflichtigen. Diese Wirkung wird erst eintreten, wenn das separate Anwendungsgesetz in Kraft tritt und Deutschland eine entsprechende Notifikation abgegeben hat bzw. das betreffende, nicht einbezogene DBA entsprechend anpasst und die Neufassung aufgrund eines Zustimmungsgesetzes innerstaatliches Recht wird.

Fundstelle

Bundestag, Gesetzentwurf der Bundesregierung – in der Form vom Bundestag auch als Gesetz verabschiedet, BT-Drs. 19/20979

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