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13.03.2015
Transfer Pricing

Europäische Kommission eröffnet Verfahren gegen Luxemburg und Belgien

Hintergrund

Im europäischen Wettbewerbsrecht sind staatliche Hilfen an ausgewählte Unternehmen grundsätzlich verboten. Liegt der Verdacht einer verdeckten Beihilfe vor, so muss die Europäische Kommission nachweisen, dass bestimmte Unternehmen von den nationalen Behörden tatsächlich besser gestellt werden als andere. Im Fokus dieser europäischen Wettbewerbsregeln, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) festgeschrieben sind, stehen die Regierungen der einzelnen europäischen Länder.

Auf der Grundlage der europäischen Beihilfevorschriften in Art. 107 bis 109 AEUV prüft die Kommission seit Juni 2013 die Tax-Ruling-Praxis einiger Mitgliedstaaten und unterzieht u.a. die sog. „Advance Pricing Agreements“ (APA) einer genaueren Betrachtung (siehe Deloitte Tax News).

Am 11.06.2014 hat die Kommission nach den Beihilfevorschriften förmliche Prüfverfahren in drei Fällen eingeleitet: Apple in Irland, Starbucks in den Niederlanden und Fiat Finance & Trade in Luxemburg. Hier wird im speziellen geprüft, ob die Mitgliedstaaten bestimmten Unternehmen mit der Erteilung verbindlicher Steuerauskünfte einen selektiven Vorteil gewähren (siehe Deloitte Tax News).

Im Oktober 2014 gab die Kommission bekannt eine weitere Verrechnungspreisvereinbarung in Luxemburg, diesmal für die Amazon EU S.à.r.l., zu prüfen (siehe Deloitte Tax News). Gegenstand dieser Steuervorentscheidungen sind Berechnungsmethoden für Lizenzzahlungen, die nach Auffassung der Kommission nicht zu marktüblichen Zahlungen führen und somit möglicherweise ein Verstoß gegen EU-Beihilfevorschriften darstellen.

Der Fall: Amazon

Verfahren

Am 07.10.2014 leitete die Europäische Kommission ein förmliches Prüfverfahren in Beihilfeangelegenheiten ein. Gegenstand des Verfahrens ist ein Vorabverständigungsverfahren vom 06.11.2003, welches zwischen Luxemburg an Amazon EU S.à.r.l., antragsgemäß und entsprechend der Schreiben vom 23.10. und 31.10.2003 geschlossen wurde. Inhalt dieser Vorabverständigung war die Gestaltung des Verrechnungspreissystems zwischen der Amazon Europe Technology Holding SCS (Lux SCS) und der Amazon EU S.à.r.l., (LuxOpCo) hinsichtlich der Lizensierung von immateriellen Wirtschaftsgütern der Amazon Gruppe (IP).

Sachverhalt

Die LuxOpCo ist eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft. Sie übt die Funktion der Unternehmenszentrale von Amazon für Europa aus und fungiert als Prinzipal für das Retail und Service Geschäft, welche über die europäischen Webseiten von Amazon angeboten werden. Sie ist verantwortlich für das Treasury Management und hält direkt bzw. indirekt alle Anteile an den anderen europäischen Amazon Tochterunternehmen, welche die Funktionen Vermarktung, Vertriebsunterstützung und Marketing ausübten. Daneben ist sie Eigentümerin des Inventars der Lagerhäuser, ihr stehen die Einnahmen aus dem Endkundengeschäft zu und sie trägt alle assoziierten Verlustrisiken.

Die Lux SCS ist eine Personengesellschaft nach luxemburgischem Recht, welche im Wesentlichen als IP-Dachgesellschaft für die Amazon Gruppe fungiert und alle Risiken im Zusammenhang mit dem (wirtschaftlichen) Eigentum des IP für den europäischen Raum trägt. Im Einzelnen wurden der Lux SCS die Rechte für die Nutzung des IP für den Betrieb der europäischen Webseiten übertragen, zudem wird dessen Weiterentwicklung über eine Kostenumlagevereinbarung finanziert. Die Lux SCS lizensiert dieses IP an LuxOpCo gegen eine Lizenzgebühr. Da die Lux SCS für steuerliche Zwecke in Luxemburg transparent ist und weder die Lux SCS noch die Partner der Lux SCS eine Betriebsstätte in Luxemburg begründen, sind die Lizenzerträge der Lux SCS in Luxemburg nicht steuerpflichtig.

Inhalt der Vorabverständigung zwischen Luxemburg und Amazon war die fremdübliche Höhe der Lizenzgebühr, welche von LuxOpCo an Lux SCS abgeführt werden musste. Basierend auf dieser Verständigung wurde die Lizenzgebühr jährlich neu berechnet und stellt eine Art „bedingte Absauglizenz“ dar. Im Einzelnen bestimmt sich - vereinfacht dargestellt - die Lizenzermittlung wie folgt

1)  Routinevergütung für LuxOpCo

In einem ersten Schritt wird der sogenannte LuxOpCo Return bestimmt, welcher 4% bis 6% der operativen Kosten (ohne Herstellungskosten, Zinszahlungen und Kosten durch Währungsrisiken) von LuxOpCo beträgt.

2)  Absauglizenz

In einem zweiten Schritt wird die Ziel-Lizenzhöhe als Differenz zwischen dem operativen Gewinn der LuxOpCo und LuxOpCo Return berechnet. Entsprechend würde nach der Ziel-Lizenz nur noch der LuxOpCo Return auf Ebene der LuxOpCo verbleiben.

3)  Bedingte Absauglizenz

In einem dritten Schritt wird der operative Gewinn bestimmt, welcher auf Ebene der LuxOpCo verbleiben würde, falls LuxOpCo eine Umsatzrendite von 0.45% bis 0.55% auf seine Umsätze verdienen würde. Sollte die Ziel-Lizenz zu einer niedrigen oder höheren Umsatzrendite führen, so wird die tatsächliche Lizenz so angepasst, dass der obere bzw. untere Wert der Bandbreite 0.45% bis 0.55% auf Ebene der LuxOpCo erreicht wird.

Die Europäische Kommission fokussiert ihre Ausführungen auf die Fremdüblichkeit der Lizenzhöhe, welche sie anzweifelt. Im Einzelnen führt sie hierzu folgende Punkte an:

  • Eingangs kritisiert die Kommission, dass keine von Amazon erstellte Verrechnungspreisdokumentation übermittelt wurde. Damit fehlt der Kommission für eine Beurteilung des Sachverhalts eine Vergleichbarkeitsstudie, die belegt, dass die Lizenzgebühren zwischen LuxOpCo und Lux SCS dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Fraglich sei auch, so die Kommission, wie Luxemburg innerhalb von 11 Tagen, solange dauerte die positive Bescheidung des Vorabverständ-igungsverfahrens, einen möglicherweise existierende Verrechnungspreis-dokumentation vollumfänglich hatte prüfen können.
  • Weiter zweifelt die Kommission die von Amazon gewählte und von der Finanzverwaltung akzeptierte Transferpreismethode an. Diese würde keiner der Methoden, welche in den OECD-Richtlinien aufgeführt werden, entsprechen.
  • Zudem greift die Kommission die Bestimmung der Lizenzgebühren auf. Entgegen der Regelungen des Tz. 6.16 der OECD-Richtlinien werden die Lizenzgebühren im Fall Amazon nicht an Hand von verkauften Mengen, Umsätzen oder Gewinnen bemessen. Die Lizenzgebühr wird vielmehr nur als ein Prozentsatz des Umsatzes ausgedrückt. Im Detail wird die Lizenzgebühr als eine residuale Größe des Gewinns ermittelt und die Umrechnung in einen Prozentsatz des Umsatzes wäre nur von kosmetischer Natur, so die Kommission.
  • Innerhalb der Vorabverständigung wird die Vergütung der durch LuxOpCo erbrachten Funktionen geregelt, ausgehend von der Annahme, dass LuxOpCo weniger komplexe Funktionen inne hat als Lux SCS. Auf Grundlage der gelieferten Informationen ist die Kommission der Auffassung, dass diesbezüglich keine ausreichende Analyse des Funktions- und Risikoprofils durchgeführt wurde. Ihrer Ansicht nach hat LuxOpCo ein komplexes Funktions- und Risikoprofil und dürfe nicht als Routineunternehmen mit geringen Risiken klassifiziert werden. Lux SCS hingegen übe im Wesentlichen nur die Funktion einer Weiterlizensierung von IP aus, welches nicht einmal von ihr selber entwickelt wurde.
  • Die luxemburgische Finanzbehörde akzeptierte als fremdübliche Vergütung für die ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgüter der LuxOpCo eine Marge von 4% bis 6% auf deren operativen Kosten. Die Kommission kritisiert hier die Wahl der indirekten Methode, um die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise zu verproben. So wären direkte Methoden, beispielsweise die direkte Preisvergleichsmethode, zu präferieren. Darüber hinaus äußert die Kommission auch Zweifel an der Fremdüblichkeit der Höhe der Marge, da in den Verfahren betreffend Apple und Starbucks doppelt so hohe Margen zu beobachten sind.
  • Die Kommission kritisiert weiter, dass die geregelten Unter- und Obergrenzen für die Berechnung der Lizenz nicht begründet seien. Es ist zu vermuten, so die Kommission, dass diese Grenzen gewählt wurden, um eine gewissen Höhe des zu versteuernden Einkommens sicherzustellen, und nicht, da diese Grenzen dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.
  • Schließlich greift die Kommission die Dauer des Fortbestehens des Vorabverständigungsverfahrens auf. Die Absprachen des zu prüfenden Vorabverständigungsverfahrens bestanden bereits seit über zehn Jahren und galten ohne erneute Überprüfung als fremdüblich. Der Hintergrund sich ständig ändernder ökonomischer Rahmenbedingungen induziert jedoch, dass die Angemessenheit der Vergütung laufend verifiziert werden sollte.

Nach Ausführung dieser Kritikpunkte kommt die Kommission zu dem vorläufigen Schluss, dass es sich bei dem Vorabverständigungsverfahren zwischen Luxemburg und Amazon EU S.à.r.l., um eine mit dem europäischen Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe im Sinne des Art. 107 (1) AEUV handelt.

Der Fall: Belgien

Im Dezember 2014 weitete die Kommission ihr Informationsersuchen auf alle Mitgliedstaaten aus. Am 03.02.2015 gab die Europäische Kommission bekannt, dass sie neben den förmlichen Prüfverfahren gegen in den Mitgliedstaaten geschlossene Vorabverständigungen ein eingehendes Prüfverfahren einer belgischen Steuervorschrift eingeleitet hat (siehe Deloitte Tax-News)

Die Steuerregelung des Art. 185 § 2 (b) im belgischen Steuergesetzbuch (Code des Impôts sur les Revenus/Wetboek Inkomstenbelastingen), ermöglicht es Konzernunternehmen ihre Körperschaftssteuerpflicht in Belgien auf der Grundlage sogenannter Steuervorentscheide zu "Gewinnüberschüssen" wesentlich zu mindern. Ihrem Wesen nach gestattet ein solcher Steuervorentscheid multinationalen Konzern mit einer Tochtergesellschaft in Belgien, ihre Körperschaftssteuerschuld um jene Gewinne zu mindern, die angeblich nur daher rühren, dass das Tochterunternehmen Teil eines multinationalen Konzerns ist. Innerhalb eines eigenständigen Unternehmens wären diese Gewinne nicht erwirtschaftet worden. Um solche Steuerminderungen geltend machen zu können, benötigt ein Unternehmen die vorherige Zustimmung der belgischen Steuerverwaltung im Rahmen eines Steuervorentscheids. Dies begünstige, so die Argumentation der Kommission, lediglich multinationale Konzerne, während belgische, ausschließlich inländisch tätige Unternehmen keinen Anspruch auf diesen Vorteil haben. Aus diesem Grund bezweifelt die Kommission, dass eine solche Steuerregelung wie die des Art. 185 § 2 (b) im belgischen Steuergesetzbuch mit den Beihilferegelungen des Art. 107 AEUV vereinbar ist. Die Kommission sieht hier die Gewährung eines selektiven Vorteils an multinationale Unternehmen, die eine Verzerrung des europäischen Binnenwettbewerbs bedeutet.

Schlussbemerkungen

Die Aktivitäten der Task Force für Steuerplanungspraktiken der Kommission nehmen sichtlich Fahrt auf. Seit Juni 2013 prüft die Kommission nun schon die verbindlichen Steuerauskünfte der Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Beihilfevorschriften. Mit den vier förmlichen Prüfverfahren Apple in Irland, Starbucks in den Niederlanden, Fiat Finance & Trade und Amazon S.à.r.l., in Luxemburg griff sie erstmals mutmaßliche Einzelbeihilfen an.

Im speziellen Fall von Belgien steht eine Steuervorschrift im Mittelpunkt des Interesses der Kommission. Diese unterwirft die Anwendung der Steuervorschriften durch die nationalen Steuerverwaltungen dem Beihilferecht. Demnach darf die nationale Steuerverwaltung einzelnen Unternehmen keine selektiven Vorteile durch eine unsachgemäße Anwendung der nationalen steuerlichen Vorschriften gewähren. Insbesondere auch die Folgewirkung einer ggf. positiven Feststellung eines Verstoßes gegen das EU-Beihilfenrecht sind nicht geklärt, könnten aber beträchtlich sein.

Daneben prüft die Kommission nun auch umfassend die Steuerpraxis weiterer sechs Mitgliedstaaten (Irland, Luxemburg, Malta, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Zypern). Diese sind aufgefordert, Informationen über ihre Steuerentscheide zu liefern und zu bestätigen, ob sie verbindliche Steuerentscheide erteilen. Falls ja, sollen sie eine Liste aller Unternehmen bereitstellen, die zwischen 2010 bis 2013 einen Steuerentscheid erhalten haben. Schließlich hat die Kommission bei den zehn Mitgliedstaaten, die über eine Regelung für die Besteuerung geistigen Eigentums (der sogenannten „Patentbox-Regelung“) verfügen (Belgien, Frankreich, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Portugal, Spanien, Ungarn, das Vereinigte Königreich und Zypern), Auskünfte über die betreffende Regelung eingeholt.

Fundstellen

Schreiben der Kommission C(2014) 7156 an den Mitgliedstaat Luxemburg im Beihilfeverfahren SA.38944 (2014/C) veröffentlicht am 15.01.2015 (engl.)

Pressemitteilung der EU Kommission vom 17.12.2014 (engl.)

Pressemitteilung der EU Kommission vom 03.02.2015 (engl.)

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