Die EU-Kommission hat dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat am 21.09.2017 eine Mitteilung über ein faires und effizientes Steuersystem für den digitalen Binnenmarkt in der Europäischen Union vorgelegt. Der vorliegende Artikel fasst die Vorschläge zusammen und würdigt diese kritisch.
Am 21.09.2017 hat die EU-Kommission dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat eine Mitteilung über ein faires und effizientes Steuersystem für den digitalen Binnenmarkt in der Europäischen Union vorgelegt. Nach Auffassung der Kommission ist die Besteuerung von Unternehmen der digitalen Wirtschaft eine der wesentlichen Herausforderungen der Europäischen Union. Sie fordert eine faire und effiziente Besteuerung der digitalen Wirtschaft im europäischen Binnenmarkt. In der Mitteilung beschreibt die Kommission die Schwierigkeiten bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft in einem Steuersystem, das für „konventionelle Geschäftsmodelle“ entwickelt wurde. Sie gibt vier Beispiele für Geschäftsmodelle, bei denen die Besteuerung mit dem konventionellen System zu Problemen führt:
Um langfristig ein faires und effizientes Besteuerungssystem für die digitale Wirtschaft zu schaffen, beabsichtigt die EU-Kommission die Einführung der Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB, engl. Common Consolidated Corporate Tax Base, CCCBT). Ferner seien Anpassungen der Betriebsstättenbesteuerung und der Verrechnungspreismodelle für die digitale Wirtschaft notwendig. Der EU-Kommission ist bewusst, dass der Prozess hin zu einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage langfristig angelegt und damit nicht unmittelbar umsetzbar ist. Aus diesem Grund werden zusätzliche kurzfristige und ergänzende Maßnahmen in Betracht gezogen. Beispiele dafür sind:
Folgende Aspekte sollten in der weiteren Diskussion berücksichtigt werden:
Definition digitale Wirtschaft: Eine Diskussion über die Angemessenheit des bestehenden Steuersystems für die digitale Wirtschaft ist begrüßenswert. Dennoch ist eine stärker differenzierte Diskussion notwendig. Die Einteilung in „konventionelle Geschäftsmodelle“ gegenüber „digitalen Geschäftsmodellen“ erscheint zu vereinfacht im Angesicht der umfangreichen Möglichkeiten an Geschäftsmodellen im derzeitigen Wirtschaftsleben. Auch traditionelle Wertschöpfungsketten werden immer mehr um digitale Elemente ergänzt. Ebenso ist es nicht einfach „digitale Wirtschaft“ zu definieren, wie die vier doch sehr unterschiedlichen Beispiele aus der Mittelung der EU-Kommission zeigen. Für ein Besteuerungssystem explizit für die digitale Wirtschaft oder der digitalen Elemente von Wertschöpfungsketten ist in einem ersten Schritt eine präzise Definition notwendig, was unter den Begriff der digitalen Wirtschaft oder digitalen Wertschöpfungselementen fällt. Anstatt „digital“ zu einer Voraussetzung für die Besteuerung zu machen, sollte in Erwägung gezogen werden, was objektiv als Besteuerungsanknüpfungspunkt in einer digitalen Wertschöpfungskette angesehen werden kann. Ferner ist der Titel „Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ unglücklich. Erweckt er doch den Eindruck, als wären die in Rede stehenden Unternehmen bisher gar nicht besteuert worden.
Technische Überlegungen: Es ist verständlich, dass zu diesem Zeitpunkt der politischen Diskussion viele Punkte der technischen Umsetzung noch ungeklärt sind. Allerdings sind die vorgeschlagenen kurzfristigen Maßnahmen noch deutlich zu unspezifisch und benötigen weitere Ausführungen über die technische Umsetzung. Zum Beispiel ist die Definition und die Abgrenzung des Umsatzes noch nicht ausreichend beschrieben. Darüber hinaus ist der Begriff „unversteuertes oder unzureichend besteuertes Einkommen“ weiter zu substantiieren. Gerade bei der Maßnahme der „Ausgleichssteuer“ ist fraglich, wer die Besteuerung dokumentiert und die Nachweispflicht der gezahlten Steuern trägt.
Internationale Standards: Die ins Auge gefasste Besteuerung der digitalen Wirtschaft muss im Kontext von internationalen Abkommen und Standards geprüft werden. Insbesondere ist die Aufnahme des Besteuerungsrechts in Doppelbesteuerungsabkommen mit Ländern außerhalb des EU-Binnenmarktes zu klären, um etwaige Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Ferner sollte geprüft werden ob etwaige Anpassungen nicht besser an die Hinzurechnungsbesteuerung anknüpfen denn ein neues System zu implementieren.
Faire Besteuerung: Die Perspektive um die “faire” Besteuerung ist erläuterungsbedürftig. In der momentanen Ausgestaltung erscheint es so, als ob Unternehmen bisher nicht besteuert werden. Die gemachten Beispiele zur „fairen“ bzw. nicht “fairen” Besteuerung unterstreichen dies. Dort werden Zahlungen aus der EU z. B. für Online-Services an ein Drittland aufgegriffen. Was nicht betont wird ist die Besteuerung in dem Drittland. Sofern dort nicht besteuert würde, wäre das im Steuerwettbewerb der Staaten die Entscheidung des Drittlandes. Warum die Besteuerung im Land des Dienstleistungsempfängers fairer ist als im Ort des Dienstleistungserbringers bleibt unklar.
Volkswirtschaftliche Effekte: Es fehlt an einer dezidierten Analyse von volkswirtschaftlichen Effekten mit Blick auf die Steuereinnahmen der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere ist zu erwarten, dass die Umsätze vieler deutscher Mittelständler dann nicht mehr in Deutschland, sondern im Ausland besteuert würden, wenn sie an digitale Elemente anknüpfen.
Ausblick: Nach derzeitigem Stand erscheint es schwierig, den Ausgang der Initiative zu prognostizieren. Insbesondere der erneute Widerstand Mitte Oktober von Staaten wie Irland und Luxemburg zu den vorgeschlagenen Maßnahmen lassen einen einstimmigen Beschluss, der bei Besteuerungsfragen notwendig ist, schwierig erscheinen. Irland und Luxemburg begrüßen zwar generell einen abgestimmten Prozess, allerdings auf internationaler anstatt europäischer Ebene. Gleichwohl könnten die neuerlichen Diskussionen um OECD BEPS Aktionspunkt 1 zuletzt mit einer öffentlichen Anhörung am 1. November an der Universität Berkley politisches Moment erzeugen. Nach einem erfolgreichen Beschluss hätten die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit zur Umsetzung in nationales Recht.
Europäische Kommission, Ein faires und effizientes Steuersystem in der Europäischen Union für den digitalen Binnenmarkt
Europäische Kommission, Übersicht zur „Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB)“, siehe auch Deloitte Tax-News
OECD, OECD invites public input on the tax challenges of digitalisation
www.deloitte-tax-news.de | Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.
This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice. |