Nach der Durchführung umfangreicher Untersuchungen hat das JTPF im Frühjahr einen finalen Bericht vorgelegt, der konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit der EU-Schiedskonvention als Änderungsvorschläge in Bezug auf den Verhaltenskodex zum Schiedsverfahren unterbreitet.
Mit den in Artikeln 6 ff. geregelten Verständigungsverfahren und Schlichtungsverfahren bietet die EU-Schiedskonvention seit nunmehr 20 Jahren EU-Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Doppelbesteuerungen durch Gewinnberichtigungen bei verbundenen Unternehmen in Verrechnungspreisfällen (Art. 9 OECD-MA) oder bei der Gewinnzurechnung von Stammhaus und Betriebstätten (Art. 7 OECD-MA) zu beseitigen. Da die Schiedskonvention selbst nur rudimentäre Verfahrensregeln enthält, richtet sich die Durchführung eines Verfahrens in der Praxis nach dem vom JTPF entwickelten „Verhaltenskodex für die Durchführung des Schiedsübereinkommens“. Am 12.03.2015 hat das JTPF einen finalen Bericht zur Verbesserung der Funktionsweise der Schiedskonvention beschlossen, der Vorschläge zur Änderung des Verhaltenskodex enthält. Der Bericht sowie dessen Empfehlungen beruhen auf den Ergebnissen umfangreicher Untersuchungen, die vom JTPF durchgeführt wurden. Im Folgenden wird ein Überblick über die aus deutscher Sicht wesentlichen vorgesehenen Änderungen geboten.
Im Bericht werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die mit der Durchführung von Verständigungsverfahren betrauten Behörden in ausreichendem Maße mit den zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Ressourcen, insbesondere qualifiziertem Personal sowie Finanzmitteln, auszustatten. Gerade im Hinblick auf das Bundeszentralamt für Steuern als zuständige deutsche Behörde wäre eine personelle Aufstockung sicherlich von Vorteil, zumal auch wegen der wachsenden Anzahl von (Vorab-)Verständigungsverfahren immer wieder Verzögerungen im Verfahrensablauf zu bemerken sind.
Der Bericht weist zudem darauf hin, dass die Lösung von Qualifikationskonflikten wie zum Beispiel die Klärung der Frage des Bestehens einer Betriebsstätte nicht vom Anwendungsbereich der EU-Schiedskonvention umfasst ist, sondern im Regelfall vorab die Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) erfordert. Hierbei ist der Dreijahresfrist zur Antragstellung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Insoweit soll der Steuerpflichtige daher zwei Anträge auf Einleitung von Verständigungsverfahren (nach DBA sowie EU-Schiedskonvention) stellen, die gleichwohl in einem Dokument kombiniert werden können. Allerdings beginnt der Zweijahresfristlauf zur Einsetzung des Beratenden Ausschusses nicht vor Beendigung des Verständigungsverfahrens nach DBA.
Zudem wird darauf hingewiesen, dass die in Artikel 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention vorgesehene Betriebsstättengewinnzuordnung regelmäßig dem Artikel 7 des OECD Musterabkommens folgt, der eine Selbständigkeitsfiktion der Betriebstätte vorsieht (sogenannter „Authorised OECD Approach – AOA“). Allerdings soll dies nicht gelten, wenn die jeweilige Vorschrift des zur Anwendung gelangenden DBAs vom Wortlaut des OECD Musterabkommens abweicht.
In Fällen von Gewinnanpassungen soll der Steuerpflichtige nunmehr über die bestehenden Verfahren zur Beseitigung von Doppelbesteuerung unterrichtet werden. Der Bericht empfiehlt zudem, dass Verständigungen mit der Betriebsprüfung oder unilaterale Vorabverständigungsverfahren keinen Verzicht auf die Durchführung eines Verständigungsverfahrens voraussetzen sollen. Dieser Vorschlag bedeutet eine erhebliche Verbesserung der Rechtsposition des Steuerpflichtigen, zumal in der Praxis von der deutschen Betriebsprüfung in den überwiegenden Fällen ein umfangreicher Verzicht auf Rechtsbehelfe als Einigungsvoraussetzung gefordert wird.
Der Bericht diskutiert und erläutert den zeitlichen Verfahrensablauf sowie die erforderlichen Verfahrenshandlungen der zuständigen Behörden und des Steuerpflichtigen. Zur Optimierung des Verfahrens werden insbesondere die folgenden Maßnahmen empfohlen:
Zur Vermeidung von widersprüchlichen Ergebnissen hinsichtlich eines Doppelbesteuerungsfalles schlägt der Bericht vor, eine Verständigungsvereinbarung nur dann umzusetzen, wenn diese vom Steuerpflichtigen akzeptiert wird und anhängige Rechtsbehelfe zurückgenommen werden. Dies ist in Deutschland bereits gängige Praxis (vgl. Tz. 4.2 und Tz. 5 Merkblatt zum Verständigungs- und Schiedsverfahren, BMF v. 13.07.2006).
Nach Artikel 8 EU-Schiedskonvention ist eine zuständige Behörde zur Einleitung des Verständigungsverfahrens nicht verpflichtet, wenn die zur Doppelbesteuerung führende Gewinnanpassung durch empfindlich zu bestrafende Verstöße gegen Steuervorschriften hervorgerufen wurde. Der Bericht stellt erneut klar, dass solche Verstöße nur in Ausnahmefällen zur Verweigerung des Verständigungsverfahrens durch die zuständige Behörde führen sollen. Zu diesen besonderen Fällen zählen nunmehr beispielsweise Steuerhinterziehung durch vorsätzlich fehlerhafte Deklaration, vorsätzliches Unterlassen und grobe Fahrlässigkeit.
Der Bericht stellt nunmehr klar, dass der Beratende Ausschuss nicht mehr nur die beteiligten Staaten vorladen kann, sondern gezielt auch diejenige Finanzbehörde, die den zur Doppelbesteuerung führenden Verwaltungsakt erlassen hat. Zudem sollen die zuständigen Behörden die Steuerpflichtigen über ihr bereits bestehendes Recht informieren, auf Antrag vom Beratenden Ausschuss angehört zu werden.
Insgesamt betrachtet der Bericht die sechsmonatige Frist für den Beratenden Ausschuss zur Abgabe einer Stellungnahme gemäß Artikel 11 Absatz 1 EU-Schiedskonvention als angemessen. Gleichwohl wird angeregt, dass die Mitgliedsstaaten vor Beginn dieser Frist alle für den Fall erforderlichen Unterlagen zusammen- und dem genannten Gremium rechtzeitig zum Beginn des Schiedsverfahrens bereitstellen. Hierdurch sollen etwaigen Fristverzögerungen entgegen gewirkt werden.
Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, die Vollziehung der Steuererhebung während der Durchführung von Verständigungs- und Schiedsverfahren auszusetzen, sofern dies auch für inländische Rechtsbehelfsverfahren vorgesehen ist. In Deutschland kann der Steuerpflichtige bislang wie in Rechtsbehelfsverfahren nach deutschem Verfahrensrecht die Aussetzung der Vollziehung beantragen.
Ebenfalls sollen Steuerpflichtige nicht durch unterschiedliche Verfahren der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Erhebung und Erstattung von Zinsen beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund wird den Steuerpflichtigen empfohlen, ausdrücklich zu beantragen, gegebenenfalls bestehende Zinsforderungen gleichsam zum Gegenstand des Verständigungsverfahrens zu machen.
Am Ende weist der Bericht darauf hin, dass das JTPF plant, zukünftig noch weitere Themenbereiche im Zusammenhang mit Verständigungs- und Schiedsverfahren zu erörtern. Zu diesen Themenbereichen zählen unter anderem:
Insgesamt bedeuten die vom Bericht des JTPF vorgeschlagenen Änderungen des Verhaltenskodex für den Steuerpflichtigen eine zu begrüßende Verbesserung der Verfahrenssituation. Hierbei sind vor allem diejenigen Empfehlungen von Bedeutung, die eine Optimierung der Verfahren fördern und gewährleisten sowie für eine umfassende Beseitigung von Doppelbesteuerung sorgen. Abzuwarten bleiben die Umsetzung der Empfehlungen sowie die Entwicklung der bereits angekündigten zukünftig vom JTPF zu diskutierenden Themenbereiche zur weiteren Optimierung der Funktionsweise der EU-Schiedskonvention.
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