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22.03.2022
Transfer Pricing

BFH: Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei sog. personallosen Betriebsstätten

Der BFH nimmt in seinem Urteil vom 24.11.2021 zur Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei sog. personallosen Betriebsstätten Stellung. Dabei stellt er sich in einigen Punkten gegen die Verwaltungsauffassung.

Sachverhalt

Eine inländische KG, deren Kommanditanteile von einer KG dänischen Rechts gehalten werden und deren persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH dänischen Rechts ist, betreibt seit dem Jahr 2011 auf einem gepachteten Grundstück im Inland Windenergieanlagen. Sie verfügt weder in der Bundesrepublik Deutschland noch im Königreich Dänemark über eigene Mitarbeiter. Die technische und kaufmännische Betriebsführung erfolgt durch zwei deutsche Service- bzw. Verwaltungsgesellschaften auf Grundlage von Betriebsführungs- und Serviceverträgen.

Das FA änderte die streitgegenständliche Bescheide und ging dabei davon aus, dass aufgrund der Änderungen und Ergänzungen des § 1 Abs. 5 und 6 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 26.06.2013 (BStBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) ab dem 01.01.2013 alle Vermögensgegenstände, Schulden und Geschäftsvorfälle abweichend von den Vorjahren, in denen einen Zuordnung zur inländischen Betriebsstätte erfolgte, erstmals der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Dänemark zuzuordnen seien. Hierdurch sei das gesamte Vermögen der Antragstellerin steuerrechtlich "entstrickt" worden.

Hintergrund

Mit den Änderungen und Ergänzungen des § 1 Abs. 5 und 6 AStG i.d.F. Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde der sog. Authorized OECD Approach (AOA) in nationales Recht umgesetzt. Hiernach sind Betriebstätten als eigenständige und unabhängige Unternehmen zu fingieren und im Rahmen einer Funktions- und Risikoanalyse sind ihnen Vermögenswerte, Chancen und Risiken entsprechend der in der Betriebsstätte ausgeübten Personalfunktionen zuzuordnen.

Um die Herausforderungen, die sich bei bestimmten Arten von Wertschöpfung ohne Personaleinsatz, beispielweise Solaranlagen, Windkraftanlagen oder Servern stellen, zu adressieren, hat die Finanzverwaltung die nur sie selbst bindenden VWG BsGa mit ihrem Schreiben vom 17.12.2019 um eine Textziffer 6a ergänzt, um die Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern bei Betriebsstätten ohne maßgebliche Personalfunktion (sog. funktionslose Betriebsstätten) zu regeln.​

Entscheidungsgründe

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes, das eine Entstrickung aufgrund einer (Neu-)Zuordnung der Wirtschaftsgüter zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Ausland unterstellt, weil in der inländischen Betriebsstätte (Windpark) kein Personal vorhanden ist, stellt der BFH infrage, ob § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG überhaupt die Rechtsfolge einer Entstrickung begründen kann. Der Senat schließt sich insoweit der Meinung im Schrifttum an, wonach die „allgemeine Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG und die Neuregelung in § 1 Abs. 5 AStG in ihrem "tatbestandlich-systematischen Ausgangspunkt" wie in ihren Rechtswirkungen "unverbunden" nebeneinanderstehen". Aus Sicht der Richter lässt sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG und insbesondere dessen Satz 3 nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG (Einkünftekorrektur) und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den im jeweiligen Unternehmensteil ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre. „Eine entsprechende "Ausstrahlwirkung" kann in § 1 Abs. 5 AStG auch nicht hineingelesen werden. Hierfür spricht auch die systematische Stellung der Vorschrift im AStG“.

Der BFH führt ferner zu seiner, in Tz. 2.2.4.1 des BMF-Schreibens zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften vom 26.09.2014 (BStBl I 2014, 1258), zitierten Rechtsprechung mit ihrer funktionsgetragenen Betrachtungsweise aus, dass dieser nicht entnommen werden kann, „dass allein die Personalfunktion als maßgebender Zuordnungsparameter anzusehen wäre“. Da die Regelungen der Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichs­grundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Abs. 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstätten­gewinnaufteilungsverordnung --BsGaV--) aufgrund des zeitlichen Anwendungsbereichs – Wirtschafts­jahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen – nicht einschlägig sind, ist aus Sicht des Gerichts fraglich, ob eine maßgebende Personalfunktion ausschließlich durch beim Unternehmen angestelltes Personal ausgeübt werden kann. Vielmehr scheidet eine Berücksichtigung des Personals der deutschen Service- bzw. Verwaltungsgesellschaften, das auf der Grundlage von Betriebsführungs- und Serviceverträgen die technische und die kaufmännische Betriebsführung der Windenergieanlagen übernimmt, nicht grundsätzlich aus, da das „Gesetz nicht das für eine Einschränkung adäquate Tatbestandsmerkmal "eigenes (Personal)" verwendet.“

Schließlich zweifelt der BFH an, ob die Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei personallosen Betriebsstätten auf Basis von Personalfunktionen überhaupt anwendbar ist. Auch mit Blick auf die Äußerungen der Finanzverwaltung in Tz. 6a VWG BsGa, wonach unter Verweis auf die OECD Betriebsstättenbericht vom 22.07.2010, eine „andere Zuordnung“ auf Basis der Nutzung des Wirtschaftsgutes bei Betriebsstätten auch ohne jegliche Personalfunktionen möglich sein soll, schließt der BFH eine nutzungsbasierte Zuordnung nicht aus.

Zusammenfassung

Das aktuelle Urteil des BFH zeigt einmal mehr die Streitanfälligkeit der Betriebsstättenbesteuerung, namentlich der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und etwaiger Änderungen eben dieser Zuordnung. Wenngleich das Abstellen auf – maßgebliche – Personalfunktionen in Kombination mit einer umfassenden Funktions- und Risikoanalyse in der überwiegenden Zahl von Fällen zu sachgerechten Ergebnissen führt, zeigt der Streitfall, dass dies nur solange gilt, wie „Personal“ und „Funktion“ bzw. „Wertschöpfung“ zusammenfallen.

Der vorliegende Fall zeigt außerdem, dass der Versuch der Finanzverwaltung die Herausforderungen von Wertschöpfung ohne Personaleinsatz durch die Einführung der Tz. 6a BsGa zu lösen, nicht geglückt ist (siehe Deloitte Tax-News).

Richtungsweisend, auch weit über die Fallkonstellation personalloser Betriebsstätten hinaus, wäre eine Entscheidung des BFHs zur Frage gewesen, ob die nationalen Entstrickungsregelungen auch dann zur Anwendung kommen, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands allein aufgrund staatlichen Handelns (z.B. durch Abschluss eines neuen DBA mit der Folge des Wechsels von der Freistellung- zur Anrechnungsmethode oder wegen der innerstaatlichen Umsetzung des AOA als gesetzliche Regelung der Betriebsstättenbesteuerung) ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Aufgrund der vorliegenden Fallkonstellation und der genannten Entscheidungsgründe ist der BFH dieser Frage nicht nachgegangen.

Betroffene Normen

​§ 1 Abs. 5 Satz 3 AStG
​§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG

Streitjahr
​2021

Fundstelle

​BFH, Beschluss vom 24.11.2021, I B 44 /21 (AdV)

Weitere Fundstellen

BMF: Gewinnzuordnung bei Betriebsstätten ohne Personalfunktion, siehe Deloitte Tax-News

Ihre Ansprechpartner

Dr. Manuel Imhof
Partner

maimhof@deloitte.de
Tel.: +49 69 75695 6223

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