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13.04.2015
Transfer Pricing

Besonderheiten der chemischen Industrie auf dem steuerlichen Gebiet der Verrechnungspreise

Die chemische Industrie ist die drittgrößte Industriesparte in Deutschland und zusammen mit der Pharmaindustrie führend in Europa. Es wird prognostiziert, dass sich die chemische Industrie in Deutschland und auf den Weltmärkten dynamischer entwickelt als die restlichen Industriezweige. Die zunehmende Internationalisierung der Wertschöpfungskette verlangt die Einhaltung diverser Verrechnungspreisregularien, denn auch auf dem steuerlichen Gebiet der Verrechnungspreise zeichnen sich veränderte Rahmenbedingungen ab. Der derzeitige mediale Fokus auf Base Erosion and Profit Shifting („BEPS“) tangiert folglich auch die chemische Industrie. Dies erfordert eine entsprechende Operationalisierung der Verrechnungspreise und Überwachung der einzuhaltenden Verrechnungspreisvorschriften in den jeweiligen Ländern.

Die chemische Industrie ist die drittgrößte Industriesparte in Deutschland mit einem Gesamtumsatz von fast EUR 150 Mrd. im Jahre 2013. Führend in Europa betrug im Jahr 2013 der Anteil Deutschlands am Gesamtumsatz der Chemie- und Pharmaindustrie innerhalb der Europäischen Union 26%, gefolgt von Frankreich, Italien und den Niederlanden. Weltweit rangiert Deutschland mit einem Weltmarktanteil von 5% auf dem vierten Platz, hinter China (mit 31%), den USA (mit 16%) und Japan (mit etwas über 5%).

Der folgende Beitrag liefert einen beispielhaften Überblick über einige Besonderheiten der chemischen Industrie. Gleichermaßen werden die Herausforderungen der chemischen Industrie auf dem steuerlichen Gebiet der Verrechnungspreise betrachtet.

I. Charakteristika der chemischen Industrie

1. Produktvielfalt

Die chemische Industrie weist ein breites Produktsortiment auf, das in zwei Produktsegmente unterteilt werden kann: den Basischemikalien, unter die Petrochemikalien und Derivate, anorganische Grundchemikalien sowie Polymere fallen, und den Spezialchemikalien, d.h. Fein- und Spezialchemikalien insgesamt sowie Verbraucherchemikalien. Basischemikalien werden meist in Massenproduktion hergestellt und als sog. Commodities gehandelt. Spezialchemikalien werden dagegen meist in geringeren Mengen produziert und an individuelle Kundenbedürfnisse angepasst. Kennzeichnend für Basischemikalien ist, dass die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle vor allem auf Kostenersparnissen und Standortvorteilen beruhen. Hierbei sind sowohl die Verfügbarkeit der Rohstoffe, die Rohstoffpreise, die Infrastruktur als auch die Transport- und Logistikwege sowie etwaige Skaleneffekte entscheidende Faktoren. Ein Charakteristikum der Spezialchemikalien ist Innovation, da sie in der Regel entwickelt werden, um neue Märkte und Anwendungsbereiche zu erschließen. Kennzeichnend für Spezialchemikalien sind zudem komplexe Syntheseschritte im Rahmen des Herstellungsprozesses.

Aufgrund der Produktvielfalt sowohl in den Basis- als auch Spezialchemikalien ist die Wertschöpfungskette innerhalb der chemischen Industrie mannigfaltig. Die chemischen Erzeugnisse sind vielfältig einsetzbar und durchlaufen bis zum Verkauf an den Endkunden mehrere Verarbeitungsstufen. Kennzeichnend für die chemische Industrie ist daher, dass die Wertschöpfungskette im Einzelfall dezidiert zu analysieren ist. Mit über 80% geht der größte Anteil der chemischen Erzeugnisse zur Weiterverarbeitung an in- und ausländische Kunden aus den Bereichen Kunststoffverarbeitung, Fahrzeugbau und Bauindustrie. Im Fahrzeugbau werden in vielfältiger Weise vor allem Polymere eingesetzt, wohingegen im Baugewerbe die Nachfrage nach Silizium steigt. Lediglich etwas weniger als 20% der chemischen Produkte gehen direkt an den Endverbraucher.

2. Kapitalintensität

Die chemische Industrie ist eine sehr kapitalintensive Branche. Technologisch moderne Sachanlagen sichern eine kostengünstige und effiziente Produktion. Neben der Kapitalausrüstung selbst, ist darüber hinaus die effiziente Nutzung, Handhabung und Einstellung der Anlagen erfolgskritisch. Wesentliche Erfolgsfaktoren sind somit einerseits technologisches Know-How und Erfahrung und andererseits die Investitionsfähigkeit des Unternehmens. Die in der chemischen Industrie erforderlichen erheblichen Investitionen stellen häufig eine bedeutende Markteintrittsbarriere für potenzielle Wettbewerber dar.

3. Kontinuierliche Prozesse und Kuppelproduktion

Eine weitere wichtige Besonderheit der chemischen Industrie ist der Umstand, dass zahlreiche chemische Prozesse oft nicht skalierbar sind, kontinuierliche Prozesse darstellen und zusätzlich innerhalb der Prozesskette unterschiedliche Nebenprodukte abwerfen. Chemische Prozesse können also nicht beliebig beschleunigt, verlangsamt oder gar angehalten und wieder gestartet werden. Anfallende Nebenprodukte können sowohl Abfallprodukte als auch selbständig verwertbare Produkte sein. Diese Nebenprodukte entstehen in mehr oder weniger festem Verhältnis zur Produktionsmenge des Hauptprodukts. Allerdings können Nebenprodukte unter Umständen einen eigenen Wertbeitrag generieren und somit eine eigene Wertschöpfungskette nach sich ziehen. Im Rahmen der Kontinuität der Prozesse müssen jeweils effiziente und effektive Lösungen gefunden und implementiert werden.

II. Verrechnungspreise in der chemischen Industrie

Wie für alle international tätigen Unternehmensgruppen hat auch innerhalb der chemischen Industrie die Bedeutung von Konzernverrechnungspreisen zugenommen. In Anbetracht aktueller Entwicklungen wie beispielsweise der Diskussionen und legislativen Maßnahmen zum Thema Base Erosion and Profit Shifting („BEPS“) wird sich dieser Trend auf absehbare Zeit fortsetzen.

Über diese grundsätzliche Entwicklung hinaus ist die chemische Industrie im Zusammenhang mit Konzernverrechnungspreisen mit zusätzlichen spezifischen Herausforderungen konfrontiert. Diese ergeben sich direkt aus den bereits dargestellten Besonderheiten der Branche. Die nachfolgenden Punkte sollen spezifische Fragestellungen exemplarisch verdeutlichen:

1. Kosteneffiziente Massenproduktion von Commodities

Die chemische Industrie unterliegt dauerhaft umweltrechtlichen Vorgaben und es müssen besondere Sicherheitsauflagen im Produktionsprozess berücksichtigt werden. Commodities werden in Massenproduktion hergestellt und die Wertschöpfung ist in der Regel über verschiedene Standorte verteilt. Vorteilhaft wirkt sich die Vermeidung von Kaskadeneffekten aus. Somit sind durch die Produktion von Commodities in großen Chargen Kosteneinsparungen möglich. Allerdings sind die Logistikkosten bezogen auf die Produktion über mehrere Standorte zu berücksichtigen. Logistikkosten entstehen im Rahmen des Transports und der Logistik der chemischen Erzeugnisse, als Zwischenschritte des Produktionsprozesses, die Kostenbasis. Je mehr Standorte im Rahmen des Produktionsprozesses involviert sind, desto höher sind somit die Logistikkosten. Auch die Verfügbarkeit von Vorprodukten, die unter Umständen zu Engpässen im Produktionsprozess führen können, stellt einen kritischen Erfolgsfaktor dar. Eine langfristige Produktionsplanung ist daher essenziell.

2. Kundennähe und Innovationsstärke in der Spezialchemie

Die Spezialchemikalien weisen ähnlich wie Commodities eine internationale Wertschöpfungskette verteilt auf verschiedene Standorte aus. Die Intensität von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten nimmt jedoch auf den der Basischemie nachgelagerten Wertschöpfungsstufen zu. Bei Spezialchemikalien gewinnt zudem die Kundennähe an Bedeutung, da diese in der Regel an die Kundenbedürfnisse angepasst ist. Es ist die Aufgabe des strategischen Managements die Erzeugung sowie die Gestaltung von Innovationen und den entwickelten Kundenstamm auch im Sinne einer effizienten Ressourcenallokation sicherzustellen. Im Rahmen dessen gibt es verschiedene Gestaltungsmodelle, wie beispielsweise die Implementierung eines Kostenpools für F&E-Tätigkeiten, eine Zentralisierung von IP-Eigentum oder die Einführung von Lizenzen. Das Design und die Implementierung einer effizienten und nachhaltigen Verrechnungspreisstruktur spielen hierbei bei der Gestaltung und Verwaltung des IPs eine große Bedeutung.

3. Kapitalintensität und Markteintrittsbarrieren

Die Produktion in der chemischen Industrie geht mit hohen Skalenerträgen einher, d.h. eine überproportionale Steigerung des Outputs ist bei proportionaler Erhöhung des Inputs zu erkennen. Der Markteintritt in die chemische Industrie mit hohem Produktionsvolumen setzt hohe Anfangsinvestitionen voraus. Demgegenüber würde ein Einstieg mit geringem Produktionsvolumen zu Kostennachteilen führen. Es ist fraglich, ob aus steuerlicher Sicht die Marktstellung aufgrund hoher getätigter Investitionen ein immaterielles Wirtschaftsgut darstellt. In diesem Zusammenhang ist die Identifikation des Entrepreneurs mit Schwierigkeiten verbunden. Der Entrepreneur muss aufgrund seines Funktions- und Risikoprofils als Strategieträger für die Anfangsinvestitionen aufkommen. Es sind jedoch in der Regel die Vertriebsgesellschaften, die über die relevanten Kundenbeziehungen verfügen. Sind folglich die (Routine-) Vertriebsgesellschaften die "eigentlichen" Entrepreneure? Sollten daher die Vertriebsgesellschaften lediglich durch ein Routineentgelt vergütet werden oder sollte ihnen aufgrund der starken Marktstellung eine angemessene Überrendite zugeschrieben werden? Entscheidend ist, dass die Vergütungssystematik das Funktions- und Risikoprofil der Vertriebsgesellschaften im Einzelfall widerspiegelt.

4. Kuppelproduktion

Im Rahmen von Kuppelprodukten fallen ausschließlich Gemeinkosten an, da ein technisch untrennbarer einheitlicher Produktionsprozess für mehrere Endprodukte durchgeführt wird. Aus den variablen Kosten der Kuppelproduktion können nicht die einzelnen Kostenbestandteile erfasst werden. Fraglich ist daher, wie ein fremdüblicher Verrechnungspreis für Kuppelprodukte ermittelt werden soll, falls keine Preisvergleichswerte vorliegen. Denkbar wäre die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode (Cost Plus „C+“ Method), wobei die Ermittlung der Kostenbasis von Kuppelprodukten eine besondere Schwierigkeit bedeutet. Eine Möglichkeit stellt die Zugrundelegung der Kostenbasis des Primärproduktes dar. Dies erscheint jedoch aus Fremdvergleichsgesichtspunkten nicht überzeugend. In der Praxis wird vielmehr das Restwert- und Verteilungsverfahren angesetzt. Ersteres knüpft an die Gesamtkosten des gesamten Produktionsprozesses an, vermindert diesen jedoch um die Erlöse aus der Verwertung des Nebenproduktes. Der dadurch verbleibende Wert ist üblicherweise auf Ebene des Primärprodukts als noch zu deckende Kosten der Kuppelproduktion auszuweisen. Offen bleibt hier jedoch, wie die Herstellungskosten der Nebenprodukte zu ermitteln sind. Beim Verteilungsverfahren werden hingegen die gemeinsamen Kosten der Kuppelprodukte auf der Grundlage von Aufteilungsschlüsseln verteilt. Die Zugrundelegung eines „sachgerechten“ Aufteilungsschlüssels kann jedoch in der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden sein.

5. Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten

Immaterielle Wirtschaftsgüter stellen für die Chemiebranche den wohl wichtigsten und nachhaltigsten Erfolgsgarant dar. Innovationen und das durch die Forschung erworbene Know-how sind folglich ein signifikanter Wertreiber. In der Praxis führen sogar häufig Innovationen in der chemischen Industrie zur Ausweitung des Produktportfolios in anderen Industriezweigen. Innovationen können einen erheblichen Umsatz generieren und die Marktposition eines Unternehmens stärken. Die intensiven Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten bergen jedoch auch erhebliche Risiken in sich. Eine Vielzahl an Forschungs- und Entwicklungsarbeiten enden nicht in erfolgsversprechenden Innovationen, sodass unter Umständen kein positiver Deckungsbeitrag erzielt wird.

Zudem kann die Identifikation des wirtschaftlichen Eigentümers der immateriellen Wirtschaftsgüter, die sich aus den Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten ergeben, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Vor allem in bestimmten Sachverhalten, in denen die Entwicklung der immateriellen Wirtschaftsgüter einen Prozess darstellt, an dem mehrere Konzerngesellschaften beteiligt sind, ist es schwierig zu ermitteln, welche legale Einheit das immaterielle Wirtschaftsgut geschaffen hat. Weiterhin muss geprüft werden, ob eine Diskrepanz zwischen dem rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentümer des immateriellen Wirtschaftsgutes vorliegt. Die OECD veröffentlichte am 16. September 2014 das Diskussionspapier „Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“. In Action Point 8 wird in Tz. 6.4 zwischen der Identifikation der rechtlichen Eigentümerschaft auf der einen Seite und der Zuordnung der Wertbeiträge auf der anderen Seite unterschieden. In einem ersten Schritt soll der rechtliche Eigentümer, basierend auf den Bedingungen und Konditionen der Vertragsbedingungen wie der Markenregistrierung, Lizenzverträgen sowie anderen relevanten Verträgen und Vereinbarungen, identifiziert werden. Darauf aufbauend soll in einem zweiten Schritt eine Analyse der ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgüter in Bezug auf die Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung, Schutz und Nutzung („EVESN“) der immateriellen Wirtschaftsgüter vorgenommen werden. Im Rahmen dessen ist zu hinterfragen, ob das tatsächliche Verhalten der Parteien mit den relevanten rechtlichen Vereinbarungen übereinstimmt. Wichtig ist hier jedoch, dass die Frage nach der (rechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentümerschaft unabhängig von der Frage zu beurteilen ist, wer welchen Wertbeitrag zu dem immateriellen Wirtschaftsgut geleistet hat. Ein höherer Wertbeitrag wird sich unter fremden Dritten in einer höheren Vergütung niederschlagen, sollte aber richtigerweise für sich genommen nicht die Identifizierung der Eigentumsverhältnisse beeinflussen.

Zudem ist es fraglich, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen das immaterielle Wirtschaftsgut über einen bestimmten Zeitraum durch eine andere Konzerngesellschaft als dem ursprünglichen Eigentümer weiterentwickelt wurde (z.B. durch Erfahrungswerte). Inwiefern ist dem ursprünglichen Eigentümer ein Wertschöpfungsbeitrag an dem weiterentwickelten immateriellen Wirtschaftsgut zuzuschreiben? Es stellt sich die Frage, inwieweit der eigentliche Eigentümer von dem weiterentwickelten immateriellen Wirtschaftsgut profitieren sollte bzw. inwiefern eine Lizenz nur für das "ursprüngliche" (Alt-)immaterielle Wirtschaftsgut zu kalkulieren wäre. In der Praxis ist eine klare Trennung zwischen dem "ursprünglichen" und dem weiterentwickelten immateriellen Wirtschaftsgut meist nicht möglich.

6. Wahl der Verrechnungspreismethode

Auch im Hinblick auf die Bestimmung angemessener Verrechnungspreismethoden stellen sich spezifische Herausforderungen. Insbesondere im Bereich Commodities stellt sich die Frage, ob und inwiefern direkte Vergleiche mit Marktpreisen im Rahmen einer Preisvergleichsmethode (Comparable Uncontrolled Price „CUP“ Method) möglich sind. Fraglich ist vor allem die uneingeschränkte bzw. eingeschränkte Vergleichbarkeit der Commodities beispielweise im Hinblick auf subtile Produkteigenschaften wie dem Reinheitsgrad, der Kundenzertifizierung bestimmter Chargen oder den Produktionsanlagen. Zudem schränken die starken zeitlichen Marktpreisschwankungen, die sich aufgrund der Volatilität des Rohstoffmarktes ergeben, die Anwendung der Preisvergleichsmethode erheblich ein: Marktpreise auf dem Rohstoffmarkt ändern sich kontinuierlich. Eine minimale Änderung des Marktpreises kann aufgrund der hohen Transaktionsvolumina einen starken Einfluss auf den Konzernverrechnungspreis haben.

7. Umstrukturierungen

Die Notwendigkeit zur permanenten Realisierung von Effizienzsteigerungen in der Chemieindustrie wird auch in Zukunft immer wieder zu Umstrukturierungen der Wertschöpfungsketten zwingen. Solche Umstrukturierungen können einerseits auf eine Zentralisierung bestimmter Funktionen in einer Prinzipaleinheit ausgerichtet sein. Ziel hierbei ist üblicherweise die Vermeidung von Funktionsdoppelungen und die Realisierung von Synergien. Andererseits können Umstrukturierungen auch eher auf die Verlagerung bestimmter Aktivitäten an kostengünstigere Standorte abzielen. Aus Verrechnungspreissicht ist bei derartigen Umstrukturierungen vor allem die Frage relevant, inwiefern diese zu sogenannten „exit charges“ führen, weil hierbei übertragene (materielle und immaterielle) Wirtschaftsgüter und Vorteile fremdüblich zu entgelten sind.

In Deutschland sind seit 2008 in §1 Außensteuergesetz (AStG) und der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) neue Regelungen zu Funktionsverlagerungen in Kraft. Paragraph §1 Abs. 3, S. 9 AStG stellt hierzu fest: „Wird eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert und ist auf die verlagerte Funktion Satz 5 anzuwenden, weil für das Transferpaket als Ganzes keine zumindest eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte vorliegen, hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich auf der Grundlage des Transferpakets unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungssätze zu bestimmen“. Ist der Steuerpflichtige nicht in der Lage uneingeschränkt oder zumindest eingeschränkt vergleichbare Drittdaten vorzulegen, findet der sogenannte hypothetische Fremdvergleich Anwendung.

Auch die OECD hat in ihrem Bericht zu Umstrukturierungen (2010) Stellung genommen und definiert eine Umstrukturierung als grenzüberschreitende Verlagerung von Funktionen, Vermögen und Risiken innerhalb internationaler Konzernen. Im Rahmen von Umstrukturierungen sind für die OECD die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und die Einhaltung der OECD-Prinzipien zu Umstrukturierungen Voraussetzung. Der OECD-Bericht zu Umstrukturierungen präsentiert und diskutiert verschiedene Punkte, unter anderem:

  • die realistischen Alternativen, die den nahestehenden Personen vor der Umstrukturierung zur Verfügung standen;
  • Umverteilung von Gewinn-/ Verlustpotenzialen;
  • Verhalten der Parteien in einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Art und Weise; und
  • wirtschaftliche Substanz.

Die aus diesen Regelwerken resultierenden Entgelte für Funktionsverlagerungen können regelmäßig erhebliche Volumina annehmen und bedeuten dazu häufig die faktische Vorabbesteuerung von zukünftigen Gewinnerwartungen, deren tatsächliche Realisierung fraglich erscheint und die zudem nur im Zielland der Verlagerung überhaupt realisierbar erscheinen. Eine zumindest teilweise Vorabbesteuerung im Ausgangsland der Verlagerung ist deshalb in vielen Fällen für die Finanzverwaltung im Zielland nicht konsensfähig. Erhebliche Risiken einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung sind deshalb die Folge. Umso mehr erscheint eine detaillierte Analyse der wirtschaftlichen Substanz der Umstrukturierung einschließlich einer sorgfältigen Verrechnungspreisanalyse zwingend.

III. Schlusswort

Laut einer Studie des VCI wird prognostiziert, dass die chemische Industrie bis 2030 jährlich um 4,5% wachsen wird. Sie entwickelt sich damit schneller als die gesamtdeutsche Industrie, für die ein Anstieg von 4% prognostiziert wird.

Die zunehmende Internationalisierung der Wertschöpfungskette in der chemischen Industrie verlangt die Einhaltung diverser Verrechnungspreisregularien, denn auch auf dem steuerlichen Gebiet der Verrechnungspreise sind veränderte Rahmenbedingungen erkennbar. Der derzeitige mediale Fokus auf BEPS tangiert folglich auch die chemische Industrie. Dies erfordert eine entsprechende Operationalisierung der Verrechnungspreise und Überwachung der einzuhaltenden Verrechnungspreisvorschriften in den jeweiligen Ländern.

Literatur:

CEFIC (2013): The European chemicals industry, Facts and Figures 2013, (Stand: 18.03.2015)

Hickman, A.; Sporken, E.; Midzio, M. (2011): Transfer Pricing in the European Chemical Industry, in: International Transfer Pricing Journal, Vol.18, No. 3.

OECD (2010): Report on the Transfer Pricing aspects of Business Restructurings, Chapter IX of the Transfer Pricing Guidelines vom 22.07.2010, Centre of Tax Policy and Administration, (Stand: 18.03.2015).

OECD (2014): Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, (Stand: 18.03.2015).

Renz, M.; Wilmanns, J. (2013): Internationale Verrechnungspreise, in: Handbuch für Praktiker, 1. Auflage, Weinheim.

Roeder, A; Schreiber, R. (2009): Funktionsverlagerungsverordnung, in: Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Kroppen, H-K. (Hg.), Band I, 10. Ergänzungslieferung, Köln.

VCI (2014): Branchenporträt der deutschen chemisch-pharmazeutischen Industrie, Verband der Chemischen Industrie e. V., (Stand: 18.03.2015)

VCI (2014): Chemische Industrie 2014 auf einen Blick, Verband der Chemischen Industrie e. V., (Stand: 18.03.2015).

VCI (2014): Chemiewirtschaft in Zahlen, Verband der Chemischen Industrie e. V., (Stand: 18.03.2015).

VCI (2014): Zahlen zur Chemie in Deutschland, Buch-Veröffentlichung des VCI-Präsidenten Karl-Ludwig Kley, Presseinformation v. 13.05.2014, (Stand: 18.03.2015).

Schmidtke, R.; Hautkappe, T. (2014): BEPS: Maßnahme 8 - Immaterielle Wirtschaftsgüter: Was ist wirklich neu? Verrechnungspreise direkt digital Nr. 10 v. 21.10.2014.

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