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06.10.2016
Verfahrensrecht

MPI-Gutachten zur Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland

Das Max-Planck-Institut hat im Auftrag des BMF ein Gutachten zu einer möglichen Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland erstellt. Es kommt zu dem Ergebnis, dass eine verfassungs- und europarechtskonforme Anzeigepflicht möglich und sinnvoll ist. Allerdings wird von einer zu weiten oder speziell auf internationale Sachverhalte abzielenden Regelung abgeraten. Außerdem wird ein Ausgleich zu Gunsten der Steuerpflichtigen, z.B. durch mehr Rechtssicherheit, angeregt. Wie das BMF mit dem Gutachten umgehen wird und ob es tatsächlich zur Einführung einer Anzeigepflicht kommt, ist derzeit noch völlig offen.

Hintergrund

Das BMF hatte dem Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen (MPI) im Juli 2015 einen Forschungsauftrag zum Thema „Anzeigepflichten für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland – Hinweise für eine zulässige und zugleich effiziente Regelung“ erteilt. Die Entwicklung von Offenlegungsregelungen für aggressive Steuerplanungen (siehe Deloitte Tax-News) ist auch Teil des OECD-Aktionsplans gegen BEPS. In Deutschland gab es bereits im Rahmen des JStG 2007 und 2008 Überlegungen zur Einführung von Anzeigepflichten für Steuergestaltungen (§§ 138a, 379a AO-E), die jedoch nicht umgesetzt wurden. Im Jahr 2014 folgte eine Entschließung des Bundesrats, die u.a. die Aufforderung an die Bundesregierung enthielt, sich für die Einführung einer europaweiten Anzeige- und Registrierungspflicht von internationalen Steuergestaltungen einzusetzen und im Vorgriff darauf eine nationale Regelung zu schaffen (siehe Deloitte Tax-News). Im Rahmen dieser Diskussion wurden neben rechtspolitischen vor allem auch verfassungs- und europarechtliche Bedenken geltend gemacht.

MPI-Gutachten

In der Stellungnahme des MPI geht es nun ganz wesentlich darum, die verfassungs- und europarechtlichen Grenzen eines Anzeigepflichtsystems in Deutschland aufzuzeigen. Weiter wird die konkrete Ausgestaltung eines solchen Systems erörtert. Gleichzeitig weist das MPI aber auch darauf hin, dass die Einführung eines Anzeigepflichtsystems mit der Verbesserung der Planungssicherheit für Steuerpflichtige und deren Berater einhergehen sollte.

Rechtliche Grenzen der Anzeigepflicht
Die Implementierung einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen ins deutsche Recht sei sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich möglich. Dabei sei aus verfassungsrechtlicher Sicht neben der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen steuerberatenden Berufen hauptsächlich darauf zu achten, die Verhältnismäßigkeit der administrativen Belastung der steuerberatenden Berufe und der Steuerpflichtigen zu wahren. Daher sollte die Anzeigepflicht gezielt auf Fälle beschränkt werden, in denen ein besonderer Informationsbedarf besteht. Anders als noch im Rahmen der Diskussion in 2007 sollte – zur Vermeidung europarechtlicher Zweifel – keine speziell auf grenzüberschreitende Steuergestaltungen zugeschnittene Anzeigepflicht angestrebt werden.

Sinnhaftigkeit einer Anzeigepflicht in Deutschland
Es gebe aus Sicht des MPI gute Gründe für die Einführung eines Anzeigepflichtsystems. Allerdings sei wegen der verfassungsrechtlichen Grenzen der Anzeigepflicht und auch aus rechtspolitischen Erwägungen klar davon abzuraten, die Anzeigepflicht an dem Wunsch zu orientieren, möglichst alle potentiell unerwünschten steuerlich motivierten Gestaltungen zu erfassen. Ganz unabhängig von verfassungsrechtlichen Bedenken würde ein solches Anzeigepflichtsystem Verwaltung und Private derart massiv belasten, dass seine Nachteile die Vorteile klar überwiegen würden.

Der Kernbereich eines Anzeigepflichtsystems solle primär bei modellhaften, auf den wiederholten Einsatz angelegten Gestaltungen sowie bei besonders innovativen Gestaltungen liegen. Internationale Steuergestaltungen sollten nicht insgesamt aus dem Anwendungsbereich der Anzeigepflicht ausgeschlossen werden, sondern unter den gleichen Voraussetzungen wie rein nationale Gestaltungen anzeigepflichtig sein. Darüber hinaus auch nicht modellhafte und nicht innovative internationale Steuergestaltungen zu erfassen werde jedoch nicht empfohlen.

Richtiger Umgang mit dem Anzeigepflichtsystem
Das MPI plädiert in seinem Gutachten für eine zurückhaltende Festlegung der anzeigepflichtigen Gestaltungen und eine Vermeidung von Redundanzen. Der Gesetzgeber solle nicht versuchen, von anzeigepflichtigen Gestaltungen als solchen abzuschrecken. Ferner mahnt das MPI zur Umsicht bei den gesetzgeberischen Gegenmaßnahmen, da nicht vollständig durchdachte spezialgesetzliche Antimissbrauchsbestimmungen erheblich zur häufig beklagten Komplexität des Steuerrechts beitrügen und nicht selten Anknüpfungspunkte für neue Umgehungsgestaltungen böten.

Verhältnis von Anzeigepflicht und dem Anspruch der Steuerpflichtigen auf Rechtssicherheit
Zwar teilten die Autoren des Gutachtens nicht die rechtliche Kritik am Gesetzentwurf aus 2007, allerdings könnten sie einen rechtspolitisch wahren Kern erkennen: die Finanzverwaltung könnte sich einseitig einen Informationsvorteil verschaffen, den sie nicht – z. B. durch mehr Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen – ausgleicht. Die Einführung eines Anzeigepflichtsystems ohne gleichzeitige Verbesserung der Planungssicherheit für Steuerpflichtige und Berater würde laut Gutachten ein erhebliches Fairnessproblem begründen, weshalb Maßnahmen für mehr (Planungs-)Sicherheit – aus rechtspolitischer Sicht – dringend angezeigt seien. In diesem Zusammenhang wird angeregt, dass sich die Finanzverwaltung automatisch oder auf Antrag zur rechtlichen Einordnung einer angezeigten Gestaltung äußert.

Fundstelle
Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, Gutachten zur Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland, dem BMF am 15.07.2016 vorgelegte Fassung mit Aktualisierungen zum 23.09.2016

Weitere Fundstellen
Entschließung des Bundesrates zur Bekämpfung internationaler Steuergestaltungen, BR-Drs. 205/14 vom 23.05.2014, siehe Deloitte Tax-News 
OECD, BEPS Action 12, Mandatory Disclosure Rules, finaler Bericht, 05.10.2015, siehe Deloitte Tax-News 
Empfehlungen der Ausschüsse des BR zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 11.09.2007
Gesetzentwurf zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen, Stand 25.06.2007

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