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27.01.2012
Verfahrensrecht

FG Niedersachsen: Erweiterung einer Prüfungsanordnung

Der BFH hat das FG-Urteil insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wird, dass die Prüfungserweiterung auf die Umsatzsteuer für das Jahr 2002 rechtswidrig war.
BFH, Urteil vom 21.06.2012, IV R 42/11 
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Betriebliche Steuerarten, die schon aufgrund der ursprünglichen Prüfungsanordnung Prüfungsgegenstand geworden sind, dürfen auch dann in die Prüfungserweiterung einbezogen werden, wenn sich der Sachverhalt in diesen Steuerarten von vornherein nicht auswirken kann.

Sachverhalt

Streitig war im vorliegenden Fall, ob das Finanzamt die ursprüngliche Prüfungsanordnung für die Klägerin für alle Steuerarten auf das Jahr 2002 erweitern durfte. Die ursprüngliche Prüfungsanordnung erstreckte sich auf den Zeitraum 2003 bis 2005 und umfasste die Umsatzsteuer, gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie die Gewerbesteuer.

Während der bereits begonnenen Außenprüfung wurde zwischen dem Finanzamt und der Klägerin streitig, mit welcher Bemessungsgrundlage und mit welchem AfA-Satz ein Betriebsgrundstück in der Bilanz anzusetzen sei. Daraufhin dehnte das Finanzamt die Außen¬prüfung durch erweiterte Prüfungsanordnung auf 2002 und für alle drei genannten Steuerarten aus. Nach Ansicht des Finanzamtes reiche es für die Erweiterung aus, dass für den Zeitraum mit Mehrsteuern zu rechnen sei. Nicht erforderlich sei, ob dies für jede geprüfte Steuerart gelte. Auch dürfe das Gericht Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze auslegen, sondern müsse sich insoweit an der Verwaltungsübung orientieren, da nur diese Verwaltungsübung Bindungswirkung entfalten könne. Jedenfalls in Niedersachsen werde eine zeitliche Erweiterung einer Prüfungsanordnung immer auf alle Steuerarten der bisherigen Prüfungsanordnung erstreckt.

Die Klägerin war der Ansicht, die Außenprüfung habe nicht auf das Jahr 2002 erweitert werden dürfen. Deshalb sei eine Prüfungserweiterung schon nach der BpO nicht möglich gewesen. Im Übrigen seien eventuell fehlerhafte Bilanzansätze des Streitjahres 2002 auch in den geprüften Jahren 2003 bis 2005 durch Teilwertabschreibung etc. korrigierbar gewesen.

Entscheidung

Die Klage ist hinsichtlich der erweiterten Prüfungsanordnung für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2002 sowie für die Gewerbesteuer für 2002 unbegründet. Bei Betrieben, zu denen die Klägerin gehört, soll der Prüfungszeitraum nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Diese Beschränkung der Prüfung auf drei Besteuerungszeiträume gilt nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO jedoch u.a. dann nicht, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist. Im Streitfall bestand im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung aufgrund konkreter Umstände die Vermutung, dass mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin in dem Veranlagungszeitraum 2002 hinsichtlich des anzusetzenden gewerblichen Gewinns zu rechnen war. Das Finanzamt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine abschließende Prüfung der streitigen materiellen Rechtslage nicht in Rahmen der Überprüfung der Prüfungsanordnung erfolge und dies dem Rechtsbehelfsverfahren nach der Außenprüfung vorbehalten ist (BFH-Beschluss vom 03.03.2006). Liegen wie im Streitfall die Voraussetzungen für eine zeitliche Erweiterung der Prüfungsanordnung vor, hat das Finanzamt gemäß § 194 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 196 und § 5 AO zu entscheiden, ob und inwieweit es den Prüfungsumfang wegen der in § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO aufgeführten Sachverhalte erweitert. Das Finanzamt hat im Streitfall weder die gesetzlichen Grenzen des ihm in § 194 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 196 AO eingeräumten Ermessens überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck des § 194 Abs. 1 Satz 2 AO nicht entsprechenden Form Gebrauch gemacht hat, als es den Prüfungszeitraum hinsichtlich der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Gewerbesteuer auf das Jahr 2002 erweiterte.

Die Klage ist jedoch hinsichtlich der erweiterten Prüfungsanordnung für die Umsatzsteuer und den Prüfungszeitraum 2002 begründet. Im Streitfall bestand im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung aufgrund konkreter Umstände insoweit gerade nicht die Vermutung, dass mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin in dem Veranlagungszeitraum 2002 hinsichtlich der Umsatzsteuer zu rechnen war. Die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Prüfungszeitraumes nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO lagen demnach unstreitig insoweit nicht vor. Die Entscheidung des Finanzamtes, gleichwohl die Prüfung auch auf die Umsatzsteuer 2002 zu erweitern, erweist sich daher als ermessensfehlerhaft. Die erweiterte Prüfungsanordnung ist deshalb insoweit rechtwidrig. Eine pauschale Erstreckung einer erweiterten Prüfungsanordnung auf alle in der zugrundeliegenden Prüfungsanordnung festgelegten Steuerarten ist nicht vorgesehen und auch gar nicht sachlich gerechtfertigt. Die Behauptung des Finanzamtes, den Prüfungszeitraum jeweils generell für alle zunächst geprüften Steuerarten zu erweitern, findet weder in der BpO eine Stütze noch hat das Finanzamt anderweitige das Ermessen leitende Verwaltungsvorschriften vorgelegt, nach denen eine solche Handhabung in Niedersachsen üblich sei.

Betroffene Normen

§§ 194 Abs. 1, 196 AO, § 4 Abs. 3 BpO (2000)
Streitjahr 2002

Fundstelle

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 18.06.2010, 3 K 155/08

Weitere Fundstellen

BFH, Beschluss vom 03.03.2006, IV B 39/04, BFH/NV 2006, S. 1250

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