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26.06.2013
Verfahrensrecht

Der Rücktritt vom Versuch im Steuerstrafrecht

In der Öffentlichkeit werden Fälle „mißglückter“ Selbstanzeigen derzeit ausgiebig diskutiert. In bestimmten Konstellationen kann auch im dem allgemeinen Strafrecht angelegte Grundsatz des „Rücktritts vom Versuch“ Straffreiheit bringen.

Der Rücktritt vom Versuch im Steuerstrafrecht

Eine wirksame Selbstanzeige gemäß § 371 der Abgabenordnung (AO) steht wegen der restriktiven Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und den Gesetzesänderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz unter hohen Voraussetzungen. Nach § 371 Abs. 1 AO müssen alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang angezeigt werden. Gemäß § 371 Abs. 2 AO ist eine Selbstanzeige u.a. schon dann insgesamt unwirksam, wenn auch nur wegen einer der Steuerstraftaten ein Sperrgrund (z.B. die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung) vorliegt. Die sogenannte Teilselbstanzeige ist nach neuem Recht nicht mehr möglich.

Im Rahmen der Nachmeldungsberatung kann es deshalb im Einzelfall sinnvoll sein, auch die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 des Strafgesetzbuches (StGB) in Betracht zu ziehen. Der Rücktritt vom Versuch ist ein allgemeines Rechtsinstitut des Strafrechts, das neben der strafbefreienden steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige steht und eigenen Regelungen unterliegt.

Vorbereitungshandlungen und Unmittelbares Ansetzen

Ein Rücktritt vom Versuch ist dann möglich, wenn der Täter bereits willentlich unmittelbar zur Steuerhinterziehung angesetzt hat, der Erfolg der Straftat (die Steuerverkürzung) aber noch nicht eingetreten ist.

Vom unmittelbaren Ansetzen zur Steuerhinterziehung sind straflose Vorbereitungshandlungen abzugrenzen.

Straflose Vorbereitungshandlungen liegen zum Beispiel dann vor, wenn nur erst der Entschluss gefasst wird, Steuern zu hinterziehen.

Allein das bewusst unrichtige Ausfüllen und Unterschreiben eines Steuererklärungsformulars ist ebenfalls noch straflose Vorbereitungshandlung.

Auch eine Absprache mit Lieferanten über den Austausch unrichtiger Rechnungen oder die Nichterteilung von Rechnungen zum Zweck einer wechselseitigen unrichtigen oder Unterlassenen Buchung von Geschäftsvorfällen, die sich steuermindernd auswirken, ist noch straflose Vorbereitung einer Steuerhinterziehung.

Bei Veranlagungssteuern (z.B. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder Erbschaftsteuer) beginnt der strafbare Versuch erst durch die falsche Angaben gegenüber dem Finanzamt (z.B. durch Einwerfen des Briefes mit der Steuererklärung bei der Post) oder unterlassene Angaben zum Fälligkeitszeitpunkt. Die Steuerhinterziehung ist hingegen noch nicht vollendet, da die Steuerverkürzung noch nicht eingetreten ist.

Kein Versuchsstadium bei Anmeldungssteuern

Bei Fälligkeitssteuern, die als Anmeldungssteuern ausgestaltet sind (Lohnsteuer, Umsatzsteuervoranmeldungen) gibt es grundsätzlich kein Versuchsstadium, weil die rechtzeitige (falsche) Anmeldung oder die unterlassene Anmeldung zum Fälligkeitszeitpunkt bereits zur Vollendung der Steuerhinterziehung führt. Denn bereits die zu niedrige Steueranmeldung hat nach § 168 Satz 1 AO die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

Ein Rücktritt vom Versuch der Umsatzsteuerhinterziehung dürfte aber auch dann noch möglich sein, wenn mit der Umsatzsteuervoranmeldung die unrichtige Erstattung von Vorsteuer geltend gemacht wird. In diesem Fall ist Voraussetzung für die Erstattung die Zustimmung des Finanzamtes gemäß § 168 Satz 2 und 3 AO.

Rücktritt vor Vollendung der Tat

Der Rücktritt vom Versuch muss vor der Vollendung der Tat, also vor dem Eintritt der Steuerverkürzung oder der Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile, erfolgen.

Die Tatvollendung tritt bei der rechtzeitigen, aber unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung mit dem Tag der Bekanntgabe des Steuerbescheides ein. Nach diesem Tag ist ein Rücktritt also nicht mehr möglich.

Die Tatvollendung bei unterlassenen Veranlagungssteuern wird für den Zeitpunkt angenommen, in dem die Steuer bei rechtzeitiger Veranlagung spätestens festgesetzt worden wäre. Dies ist dann der Fall, wenn in der konkreten Veranlagungsabteilung 95 % der Veranlagungen des Besteuerungszeitraumes erledigt sind. Nach der jüngsten Rechtsprechung des 1. Strafsenates des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 19.01.2011) ist bei einfach gelagerten Sachverhalten die Bearbeitungsfrist mit einem Jahr zu veranschlagen.

Rücktrittshandlung

Nach § 24 Abs. 1. Satz 1 Alt. 1 StGB kann der Täter von einem sogenannten unbeendeten Versuch allein durch die Aufgabe der weiteren Tatausführung zurücktreten. Bei einem solchen unbeendeten Versuch geht der Täter davon aus, dass er zwar mit der Tatausführung begonnen hat, jedoch ohne sein weiteres Dazutun - etwa dem Einreichen von gefälschten Belegen - die Tatvollendung nicht eintreten wird. Unterlässt der Täter also die Einreichung der gefälschten Belege und wird die Steuer dann korrekt festgesetzt, ist er vom Versuch der Steuerstraftat zurückgetreten.

Bei der unterlassenen Abgabe von Steuererklärungen und der Abgabe falscher Steuererklärungen, die nach der Vorstellung des Täters zu der zu niedrigen Festsetzung von Steuern führen (sog. beendeter Versuch), muss er hingegen aktiv gegenüber dem Finanzamt die unterlassenen Angaben nachholen oder die falschen Angaben korrigieren, um wirksam zurückzutreten.

Freiwilligkeit des Rücktritts

Der Rücktritt führt nur dann zu einer Strafbefreiung, wenn der Täter auch freiwillig vom Versuch zurückgetreten ist.

Der Täter handelt freiwillig, wenn er die Vollendung der Steuerhinterziehung aus selbst gesetzten Motiven nicht mehr erreichen will, also als „Herr seiner Entschlüsse“ von der Vollendung Abstand nimmt.

Die Frage der Freiwilligkeit ist im Einzelfall zu prüfen.

Konkrete Anwendungsfälle

Konkrete Anwendungsfälle des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch können sich zum Beispiel dann ergeben, wenn eine strafbefreiende Selbstanzeige z.B. wegen des Sperrgrundes der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nicht mehr möglich ist (s.o.).

Denkbar ist etwa der Fall, in dem ein Einzelkaufmann eine Prüfungsanordnung erhalten hat und deshalb weder seine betrieblichen Schwarzeinnahmen (ESt-Bescheid bereits ergangen) noch seine nicht erklärten Einnahmen aus privater Vermietung und Verpachtung der beiden Folgejahre (ESt-Erklärungen pflichtwidrig nicht abgegeben, 95 % der Veranlagung noch nicht durchgeführt) im Rahmen einer strafbefreienden Selbstanzeige geltend machen kann. Für die Einnahmen aus privater Vermietung und Verpachtung der Folgejahre kommt grundsätzlich der Rücktritt vom Versuch in Betracht.

Selbst wenn die Schwarzeinnahmen bereits durch den Prüfer entdeckt wären, wäre der Rücktritt für die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung immer noch möglich.

Fazit

Die vorangegangen Ausführungen machen deutlich, dass der Anwendungsbereich des Rücktritts vom Versuch der Steuerhinterziehung zwar nicht unbedingt groß, jedoch im Rahmen der Nachmeldungsberatung stets als Möglichkeit zu bedenken ist.

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