Überträgt eine Gebietskörperschaft den ihr obliegenden Rettungsdienst für medizinische Notfälle und den Krankentransport für betreuungspflichtige Patienten auf eine Eigengesellschaft, kann diese steuerbegünstigt im Sinne der Abgabenordnung sein.
Die Klägerin, eine von einem Landkreis als alleinigem Gesellschafter gegründete GmbH, betreibt einen Rettungsdienst in Brandenburg. Nach dem Brandenburgischen Rettungsdienstgesetz obliegt die Trägerschaft des bodengebundenen Rettungsdienstes den Landkreisen und kreisfreien Städten, die diese Aufgabe pflichtgemäß als Selbstverwaltungsaufgabe erfüllen. Der im Gesellschaftsvertrag festgelegte Zweck der Klägerin besteht insbesondere in der bedarfsgerechten und flächendeckenden Notfallrettung, dem Krankentransport, der Sofortreaktion in besonderen Fällen sowie der Errichtung und dem Betrieb von Rettungswachen. Der Vertrag regelt zudem, dass die Gesellschaft nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen soll, ihre Mittel ausschließlich für satzungsmäßige Zwecke verwenden soll und selbstlos tätig ist. Der Landkreis darf als alleiniger Gesellschafter weder Gewinnanteile noch sonstige Zuwendungen aus Mitteln der GmbH erhalten.
Im Dezember 2002 schloss der Landkreis mit der GmbH einen Dienstleistungsvertrag ab, der am 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist. Seitdem setzt sie ihre Fahrzeuge auf dem Gebiet der Notfallrettung sowie für betreuungspflichtige Krankentransporte ein, d.h. für die Beförderung kranker Personen, für die ein ärztlicher Transportschein erforderlich ist, weil sie während der gesamten Fahrt auf Grund ihres Gesundheitszustands dauerhaft überwacht bzw. betreut werden müssen.
Die GmbH beantragte die Anerkennung als gemeinnützige und somit von der Körperschaft- und der Gewerbesteuer befreite Körperschaft i.S. der §§ 51 ff AO. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt) lehnte den Antrag ab und erließ jeweils einen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheid, die jeweils über 0 € lauteten. Er war der Auffassung, die GmbH werde nicht selbstlos tätig, weil sie als kommunale Eigengesellschaft eine hoheitliche Pflichtaufgabe ihres Gesellschafters erfülle. Im ersten Rechtszug gab das FG Berlin-Brandenburg der Klage statt.
Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet und führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an die Vorinstanz. Diese hatte angenommen, dass die GmbH gemeinnützigen Zwecken diene, da diese i.S. des § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung tätig werde. Dieser Auffassung ist der BFH nicht gefolgt. Die Hilfe in individuellen Krankheitsfällen und somit auch die Notfallrettung stellen daher keine Tätigkeiten auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung i.S. des § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO dar.
Der BFH ist jedoch der Auffassung, dass Rettungsfahrten und Krankentransporte mit ärztlicher Betreuung mildtätigen Zwecken i.S. von § 53 Nr. 1 AO dienen. Danach verfolgt eine Körperschaft mildtätige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Eine solche mildtätige Tätigkeit übt die GmbH mit ihren Rettungsfahrten aus. Der Umstand, dass sie in die Erfüllung der der Gebietskörperschaft auferlegten Pflichtaufgaben eingeschaltet ist, steht der Steuerbegünstigung nicht entgegen.
Die Sache ist an das Finanzgericht zurückverwiesen worden, weil der BFH aufgrund fehlender Feststellungen der Vorinstanz nicht hinreichend beurteilen konnte, ob die GmbH mit ihrer Mittelverwendung dem Selbstlosigkeitsgebot entsprochen hat. Im Gemeinnützigkeitsrecht sind Zuwendungen der begünstigten Gesellschaft an ihren Träger untersagt. Ein Verstoß gegen dieses Prinzip kann auch dann angenommen werden, wenn die GmbH für ihre an den Landkreis erbrachten Leistungen nicht angemessen bezahlt worden ist.
Sowohl die Finanzverwaltung als auch Teile der Literatur haben bislang eine Gemeinnützigkeitsfähigkeit des Staates grundsätzlich abgelehnt. Dies galt auch für solche Sachverhalte wie dem vorliegenden, in dem sich die öffentliche Hand über eine sog. Eigengesellschaft, die in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ihres Trägers eingebunden ist, privatwirtschaftlich betätigt. Der BFH hatte die Frage, ob auch diese Gesellschaften gemeinnützig tätig sind, bisher offen gelassen. Daher dürfte in der steuerlichen Praxis die Gemeinnützigkeitsfähigkeit von Eigengesellschaften, insbesondere kommunaler Rettungsdienst-GmbHs, von der Finanzverwaltung überwiegend versagt worden sein. Mit dem vorliegenden Urteil ist nun erstmals höchstrichterlich klargestellt, dass dem nicht so sein muss. Kommunale Rettungsdienst-GmbHs in öffentlicher Hand können mildtätige Zwecke i.S. von § 53 Nr. 1 AO verfolgen, einen Betrieb der Wohlfahrtspflege i.S.d. § 66 AO unterhalten und daher durchaus steuerbegünstigt sein. Auf der Basis dieses Urteils sollten kommunale Rettungsdienst-GmbHs die Anerkennung – insbesondere auch im Hinblick auf § 52 Abs. 2 Nr. 11 AO – erneut prüfen lassen.
§ 52 Abs. 2 Nr. 2 AO i.d.F. vor dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. Oktober 2007 (BGBl I 2007, 2332, BStBl I 2007, 815)
§ 53 Nr. 1 AO i.d.F. vor dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. Oktober 2007 (BGBl I 2007, 2332, BStBl I 2007, 815)
Streitjahr 2002
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.02.2012, 6 K 6086/08, EFG 2012, S. 1088
BFH, Urteil vom 27.11.2013,I R 17/12
BFH, Urteil vom 06.02.2013, I R 59/11, BStBl II 2013, S. 603
BFH, Urteil vom 07.03.2007, I R 90/04, BStBl II 2007, S. 628
BFH, Urteil vom 31.10.1984, I R 21/81, BStBl II 1985, S. 162
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