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15.03.2012
Verfahrensrecht

BFH: Willkür- und Schikaneverbot bei Erlass einer Prüfungsanordnung

Grundsätzlich darf eine Außenprüfung voraussetzungslos angeordnet werden. Sie muss aber dem Zweck dienen, die steuerlichen Verhältnisse des Geprüften aufzuklären. Lässt sich das Finanzamt von anderen, sachfremden Erwägungen leiten, kann dies gegen das Willkür- und Schikaneverbot verstoßen mit der Folge, dass die Anordnung rechtswidrig ist. Ein Verstoß gegen das Willkür- und Schikaneverbot ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die angeordnete Außenprüfung ein in irgendeiner Weise umsetzbares Ergebnis haben könnte.

Sachverhalt

Der Kläger ist selbständiger Rechtsanwalt. Im Streit ist die Rechtmäßigkeit einer ihm gegenüber ergangenen Prüfungsanordnung, die nach seinem Vorbringen willkürlich und aus sachfremden Erwägungen veranlasst worden sein soll.

Mit Schreiben vom 08.03.2005 erhielt der Kläger eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2001 bis 2003 ohne weitere Begründung unter Bezugnahme auf § 193 Abs. 1 AO. Der Kläger legte gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, die Durchführung einer Außenprüfung sei unverhältnismäßig. Es sei allenfalls mit einem geringfügigen Mehrergebnis zu rechnen. Seine steuerlichen Verhältnisse seien seit Jahren unverändert und bekannt. Er, der Kläger, vertrete seit Jahren einen Beamten der Finanzverwaltung (X) wegen behördeninternen Mobbings; die Prüfung sei nur aufgrund der bestehenden Differenzen zwischen diesem Mandanten und der Finanzverwaltung angeordnet worden. Einspruch und Klage des Rechtsanwalts hatten keinen Erfolg.

Entscheidung

Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung erfordert weitere tatsächliche Feststellungen.

Ob und in welchem Umfang eine Außenprüfung bei einem Steuerpflichtigen angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung. Im Streitfall hat das Finanzamt die äußeren Grenzen des Ermessens nicht überschritten. Nach § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung unter anderem zulässig bei Steuerpflichtigen, die - wie der Kläger - freiberuflich tätig sind. Weitere Anforderungen enthält die Norm nicht. Es handelt sich um eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung.

Die Prüfungsanordnung wäre auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich - wie der Kläger behauptet - bei einer Prüfung ein allenfalls nur geringfügiges steuerliches Mehrergebnis ergäbe. Eine Prüfungsanordnung bedarf zu ihrer Begründung grundsätzlich nicht der voraussichtlichen Erzielung eines steuerlichen Mehrergebnisses, weil sie auch die Verifikation der Angaben des Steuerpflichtigen bezweckt.

Hingegen hat es das FG zu Unrecht dahingestellt sein lassen, ob der Vortrag des Klägers, der Prüfungsanordnung lägen außersteuerliche Gesichtspunkte zu Grunde, zutreffend ist. Die Außenprüfung dient der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen (§ 194 Abs. 1 AO). Sie bezweckt nach § 2 Abs. 1 BpO "die Ermittlung und Beurteilung der steuerlich bedeutsamen Sachverhalte, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen (§§ 85, 199 Abs. 1 AO). Bei der Anordnung und Durchführung von Prüfungsmaßnahmen sind im Rahmen der Ermessensausübung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit der Mittel und des geringstmöglichen Eingriffs zu beachten". Hieraus ist zu entnehmen, dass die Entscheidung, eine Außenprüfung vorzunehmen, sich nur von der für geboten erachteten Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse leiten lassen darf. Daraus folgt, dass das Auswahlermessen des Finanzamts bei Anordnung einer Außenprüfung jedenfalls seine Grenze im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und im Willkür- und Schikaneverbot findet (BFH-Urteil vom 29.10.1992).

Im Streitfall ist die Behauptung des Klägers, das Finanzamt habe bei Erlass der Prüfungsanordnung gegen das Willkür- und Schikaneverbot verstoßen, nach seinen umfänglichen, konkretisierten Ausführungen zu tatsächlichen Besonderheiten nicht von der Hand zu weisen. Deshalb kommt es im Streitfall entscheidungserheblich auf die Frage an, ob das Finanzamt die Außenprüfung beim Kläger aus sachfremden Erwägungen angeordnet hat. Das FG hätte den Sachverhalt in diesem Punkt weiter aufklären müssen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben und zur Nachholung der unterbliebenen Feststellungen an das FG zurückzuverweisen.

Betroffene Norm

§ 193 Abs. 1 AO
Streitjahr 2005

Anmerkungen

Deloitte hat im Wege einer Online-Umfrage Großbetriebe mit Umsatzerlösen größer 10 Mio. Euro oder mehr als 250 Mitarbeitern nach den Hintergründen für Mehrergebnisse aus Betriebsprüfungen befragt. An der Umfrage haben 733 Unternehmensvertreter teilgenommen. Unter anderem abgefragt wurde das Klima während der Betriebsprüfung. Hier gibt die Mehrzahl der Unternehmen ein freundliches oder sachlich/neutrales Klima an, jeder Zehnte nennt ein angespanntes, jeder Hundertste sogar ein feindliches Klima. Unternehmen, welche ein angespanntes oder feindliches Klima angeben, sehen sich mehrheitlich relevanten oder sehr starken Nachforderungen ausgesetzt, siehe Deloitte Tax-News.

Vorinstanz

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.06.2007, 8 K 10097/06 B

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28.09.2011, VIII R 8/09, BStBl II 2012, S. 395

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 29.10.1992, IV R 47/91, BFH/NV 1993, S. 149

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