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25.06.2012
Verfahrensrecht

BFH: Teileinspruchsentscheidung bezüglich unstreitiger Bestandteile

Ein Einspruch bezieht sich grundsätzlich auf alle Bestandteile eines Bescheids; die Finanzbehörde ist zur vollständigen Überprüfung des Bescheids verpflichtet. Eine Teileinspruchsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung, die regelmäßig sachdienlich ist, wenn sie das Einspruchsverfahren hinsichtlich aller nicht ausdrücklich angegriffener Bestandteile des Bescheids beendet. Sie kann sich auch auf nur unstreitige Teile eines Bescheids beziehen.

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. In ihrer Steuererklärung machten sie unter anderem Sonderausgaben für Vorsorgeaufwendungen geltend. Das Finanzamt erkannte die Sonderausgaben nur in begrenzter Höhe an. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und war wegen verschiedener Punkte vorläufig. Die Kläger legten Einspruch hinsichtlich der Abziehbarkeit von Rentenbeiträgen als Werbungskosten und der Nichtabziehbarkeit privater Steuerberatungskosten als Sonderausgaben ein. Das Finanzamt erließ eine Teileinspruchsentscheidung mit dem Inhalt, dass über die Nichtabziehbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen als vorweggenommene Werbungskosten und den Sonderausgabenabzug für private Steuerberatungskosten nicht entschieden wird. Die im Klageverfahren begehrte Aufhebung der Teileinspruchsentscheidung mit der Begründung, dass diese nur den Zweck verfolge, den Steuerbescheid hinsichtlich aller anderen Punkte bestandskräftig werden zu lassen, wies das Finanzgericht zurück.

Entscheidung

Die Revision ist unbegründet. Die Kläger wurden durch den Erlass der Teileinspruchsentscheidung nicht in ihren Rechten verletzt. Die isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung ist dann möglich und geboten, wenn die Beschwer des Klägers allein in der Einspruchsentscheidung liegt (vgl. BFH-Urteil vom 04.11.1987). Da sich die Kläger nur gegen die Rechtmäßigkeit der Teileinspruchsentscheidung wenden und die verfahrensrechtliche Lage wiederherzustellen begehren, die vor deren Erlass bestand, ist die isolierte Anfechtung der Teileinspruchsentscheidung zulässig.

Die Teileinspruchsentscheidung war formell und materiell rechtmäßig, denn die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Nach § 367 Abs. 2a S. 2 AO hat sie in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll. Wenn mit einem Einspruch einzelne Punkte gerügt werden, bedeutet das, dass der Einspruch auf streitige und unstreitige Bestandteile des Bescheids gerichtet ist. Wie sich aus der Verpflichtung zur vollständigen Überprüfung ergibt, bezieht sich ein Einspruch grundsätzlich unabhängig von seiner Begründung auf den gesamten Bescheid. Entgegen der Auffassung der Kläger sind daher auch die Teile des Bescheids zu prüfen, die nicht ausdrücklich angegriffen worden sind. Verfahrensrechtlich ist es grundsätzlich zulässig über den Einspruch nur insoweit zu entscheiden, als er sich auf nicht ausdrücklich benannte Streitpunkte bezieht. Wenn eine Einspruchsentscheidung auch nicht benannte Streitpunkte erfassen muss, so ist kein verfahrensrechtlicher Grund ersichtlich, dies für Teileinspruchsentscheidungen anders zu beurteilen.

Ob bei der Teileinspruchsentscheidung Sachdienlichkeit vorliegt (§ 367 Abs.2a S. 1 AO), ist, auch wenn es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, in vollem Umfange gerichtlich überprüfbar. Die Vorschrift unterscheidet zwischen der Sachdienlichkeit als Tatbestandsvoraussetzung und der mittels der Formulierung "kann" in das Ermessen der Finanzbehörde gestellten Rechtsfolge (vgl. BFH-Urteil vom 30.09.2010). Die Teileinspruchsentscheidung ist, wie sich aus der Formulierung "kann" ergibt, eine Ermessensentscheidung. Das Finanzamt hat dazu im Rahmen der Entscheidung ausgeführt, dass über den Einspruch entschieden werde, soweit er entscheidungsreif sei. Somit ist die Teileinspruchsentscheidung im Streitfall sachdienlich.

Ist eine Teileinspruchsentscheidung sachdienlich, so ist sie in der Regel auch ermessensgerecht. Das Ermessen ist insoweit vorgeprägt, so dass es keiner weiteren Begründung bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 30.09.2010). Eine Teileinspruchsentscheidung ist regelmäßig sachdienlich, wenn sie das Einspruchsverfahren hinsichtlich aller nicht ausdrücklich angegriffener Bestandteile des Bescheids beendet. Die streitbefangene Teileinspruchsentscheidung ist hinreichend bestimmt, da sie hinreichend genau erkennen lässt, über welchen Teil des Einspruchs entschieden ist. Die Rüge der Kläger, das Finanzamt habe lediglich Bestandskraft eintreten lassen wollen, geht fehl. Die Bestandskraft ist regelmäßige Rechtsfolge, wenn und soweit ein Bescheid nicht angegriffen wird.

Betroffene Norm
§ 363 Abs. 2 AO, § 367 Abs. 2a S. 2 AO, Streitjahr 2006

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 17.08.2009, 5 K 208/08, EFG 2010, S. 374

Fundstelle
BFH, Urteil vom 14.03.2012, X R 50/09, BStBl II 2012, S. 536

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 04.11.1987, II R 167/81, BStBl II 1988, S. 377
BFH, Urteil vom 30.09.2010, III R 39/08, BStBl II 2011, S. 11, siehe Deloitte Tax-News

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