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22.10.2015
Verfahrensrecht

BFH: Nachträgliche Anschaffungskosten als rückwirkendes Ereignis

Die Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids wegen eines rückwirkenden Ereignisses ist auch dann nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO möglich, wenn der Sachverhalt (hier Beteiligungsveräußerung), auf den sich das Ereignis auswirkt, nicht im Ausgangsbescheid enthalten war. Steht im Falle von nachträglichen Anschaffungskosten wegen Ausfalls von Gesellschafterdarlehen dessen Uneinbringlichkeit jedoch beim Erlass des Steuerbescheides bereits fest, stellt der endgültige Ausfall kein rückwirkendes Ereignis dar.

Sachverhalt

Die Klägerin hielt sämtliche Anteile an der A-GmbH und gewährte dieser ein Darlehen. Für einen Teil dieses Darlehens wurde als Sicherheit die Einräumung einer nachrangigen Grundschuld an einem Grundstück vereinbart. Im Streitjahr 2003 veräußerte die Klägerin ihre Anteile und erklärte in der für dieses Jahr eingereichten Steuererklärung im Februar 2004 keine Einkünfte aus § 17 EStG. Die GmbH verzeichnete seit dem Jahr 2003 Auftragsrückgänge, der im Juni 2004 gestellte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde jedoch im November 2004 mangels Masse abgewiesen. Die Klägerin betrieb in der Folgezeit aus der eingetragenen Grundschuld die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Dabei wurde in 2008 ein Versteigerungserlös erzielt, wovon die Klägerin aufgrund der vorrangigen Besicherung durch die Sparkasse allerdings keinen Anteil erhielt. in 2005 erließ das Finanzamt einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid 2003, in dem antragsgemäß keine Einkünfte aus § 17 EStG erfasst wurden. In 2008 beantragte die Klägerin, ihren Darlehensausfall als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen eines Veräußerungsverlusts bei § 17 EStG in der Veranlagung 2003 zu berücksichtigen. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG stellte fest, dass bei Erlass des Bescheids für 2003 der Darlehensverlust der Klägerin bereits insoweit realisiert sei, als das Darlehen nicht besichert gewesen sei.

Entscheidung

Im Streitfall sei hinsichtlich der ausgefallenen Darlehensbeträge eine Differenzierung vorzunehmen. Soweit das FG hinsichtlich des unbesicherten und bereits in 2003 ausgefallenen Darlehensanteils eine Änderung des Bescheids abgelehnt habe, sei seine Entscheidung zutreffend.

Nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 181 Abs. 1 S. 1 AO ist ein Feststellungsbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Das Ereignis muss nachträglich eintreten, weil nur in diesem Fall die Notwendigkeit besteht, die Bestandskraft zu durchbrechen. Konnte das Ereignis bei Erlass des betreffenden Bescheids bereits berücksichtigt werden, greift die Vorschrift nicht ein (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil vom 25.02.2009).

Es mangele hinsichtlich des unbesicherten Darlehensbetrags an einem rückwirkenden Ereignis. Denn auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen war der Darlehensbetrag in Höhe der nicht besicherten Summe bereits im Jahr 2003 und damit bereits vor Erlass des erstmaligen Verlustfeststellungsbescheids uneinbringlich geworden. An einem rückwirkenden Ereignis fehle es, wenn das Finanzamt erst nachträglich Kenntnis von einem bereits gegebenen Sachverhalt (hier: Veräußerung einer qualifizierten Beteiligung, Entstehung nachträglicher Anschaffungskosten) erlange.

Allerdings habe das FG unzutreffend die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO verneint, soweit es hinsichtlich des in 2008 endgültig ausgefallenen Darlehensbetrags das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses verneint habe.

Soweit das FG auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen die Anwendung des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ablehne, weil die Veräußerung der Beteiligung im Veranlagungszeitraum 2003 zunächst nicht erklärt und damit auch nicht der Besteuerung unterworfen worden war, folge der Senat dem nicht. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dahingehend, dass die Norm nur dann Anwendung finden solle, wenn der "Sachverhalt in seiner ursprünglichen Gestalt" bereits steuerlich erfasst sei und eine Änderung eines Veräußerungsgewinns oder -verlusts nach § 17 EStG auf der Grundlage dieser Vorschrift demnach nur erfolgen könne, wenn ein Gewinn oder Verlust bereits in der Einkommensteuererklärung enthalten und nachfolgend im zu ändernden Ausgangsbescheid erfasst sei, lasse sich dem Wortlaut des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO nicht entnehmen (so bereits BFH-Urteil vom 22.07.2008).

Betroffene Norm

§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

Streitjahr 2003

Vorinstanz

FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.07.2014, 3 K 77/10, EFG 2015, S. 52

Fundstelle

BFH, Urteil vom 16.06.2015, IX R 30/14, BStBl II 2017 Seite 94

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 25.02.2009, IX R 95/07, BFH/NV 2009, S. 1393, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 22.07.2008, IX R 79/06, BStBl II 2009, S. 227

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