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18.04.2019
Verfahrensrecht

BFH: Inländische Buchführungspflicht einer ausländischen Gesellschaft

Eine im Ausland nach ausländischem Recht bestehende Buchführungspflicht eines Steuerpflichtigen begründet regelmäßig zugleich eine Buchführungspflicht im Inland nach § 140 AO (so auch BMF-Schreiben vom 16.05.2011). Eine Mitteilung seitens des Finanzamtes hat nicht zu erfolgen.

Sachverhalt

Eine AG liechtensteinischen Rechts ist mit ihren Einkünften aus der Vermietung eines im Inland belegenen Grundstücks beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Zudem unterliegt sie nach liechtensteinischem Recht der Buchführungspflicht. Nachdem die AG für das Jahr 2010 aus der Vermietung des Grundstücks einen als gewerbliche Einkünfte zu erfassenden Gewinn erklärt hatte, wollte das Finanzamt die Gesellschaft durch eine Mitteilung nach § 141 Abs. 2 S. 1 AO zusätzlich zur Buchführung nach deutschem Steuerrecht verpflichten. Das FG bestätigte die Vorgehensweise des Finanzamtes.

Entscheidung

Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, dass die Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht rechtswidrig ist, da sich die Buchführungspflicht der Gesellschaft bereits aus § 140 AO i.V.m. ihrer Buchführungspflicht aus liechtensteinischem Recht ergibt.

Gesetzliche Grundlage

Nach § 140 AO hat derjenige, der nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen. Dadurch werden insbesondere die Buchführungspflichten nach dem deutschen Handelsgesetzbuch in steuerliche Mitwirkungspflichten transformiert.

Kontroverse Diskussion über die Auslegung von § 140 AO

Ob sich auch eine materiell-rechtliche Buchführungspflicht isoliert nach Maßgabe von § 140 AO i.V.m. ausländischem Recht ergeben kann, ist umstritten (bejahend u.a. BMF-Schreiben vom 16.05.2011; verneinend u.a. FG Nürnberg, Urteil vom 28.02.2013, 6 K 875/11). Auch der BFH konnte diese Frage bislang offenlassen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15.10.2015, I B 93/15).

Verweis des § 140 AO auch auf ausländische Buchführungspflichten

Der BFH schließt sich nun der Auffassung an, wonach die Regelung des § 140 AO nicht nur auf inländische, sondern auch auf ausländische Buchführungspflichten verweist. Die in § 140 AO verwendete Formulierung "andere Gesetze" beschränke sich nicht nur auf inländische Rechtsnormen. Zudem werde diese Auslegung durch den mit § 140 AO verfolgten Zweck, möglichst viele außersteuerliche Pflichten für das deutsche Steuerrecht nutzbar zu machen und dadurch den Steuergesetzgeber zu entlasten, bestätigt.

Rechtsstaatliche Bedenken stehen Auslegung nicht entgegen

Den rechtsstaatlichen Bedenken, dass die durch § 140 AO in innerstaatliches Recht transformierten ausländischen Rechtsnormen naturgemäß nicht den Maßgaben des deutschen Grundgesetzes und der Kontrolle des deutschen Gesetzgebers unterliegen, könne nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen dadurch begegnet werden, dass eine Rechtsnorm eines anderen Staates grundsätzlich dann nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist.

Betroffene Norm

§ 140 AO

Streitjahr 2011

Anmerkungen

Der Steuerpflichtige hat im Streitfall sein Ziel, eine inländische Buchführungspflicht abzuwenden, nicht erreicht. Zwar hat der BFH die Mitteilung des Finanzamtes über den Beginn der Buchführungspflicht als rechtswidrig erklärt, kommt aber zu dem Ergebnis, dass sich die Verpflichtung zur Buchführung bereits aus § 140 AO ergibt. Diese Auffassung vertritt auch die Finanzverwaltung in ihrem Schreiben vom 16.05.2011, was das Finanzamt wohl nicht berücksichtigt bzw. übersehen hat. Für die Praxis gilt es, bei Bestehen einer Buchführungspflicht nach ausländischem Recht, grundsätzlich auch der inländischen Buchführungspflicht nachzukommen. Eine Mitteilung seitens des Finanzamtes hierzu hat nicht zu erfolgen. 

Vorinstanz

Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25.05.2016, 3 K 1521/11, EFG 2016, S. 2024 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 14.11.2018, I R 81/16, lt. BMF-Schreiben vom 12.07.2019 zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen 

Pressemitteilung Nr. 22 vom 17.04.2019 

Weitere Fundstellen

BFH, Beschluss vom 15.10.2015, I B 93/15, BStBl II 2016, S. 66, siehe Deloitte Tax-News 

Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 28.02.2013, 6 K 875/11, EFG 2013, S. 1018

BMF, Schreiben vom 16.05.2011, IV C 3-S 2300/08/10014, BStBl I 2011, S. 530, Tz. 3

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