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14.01.2016
Verfahrensrecht

BFH: Auslegung eines finanzamtlichen Schreibens als verbindliche Auskunft

Für die Auslegung eines finanzamtlichen Schreibens als verbindliche Auskunft ist der sog. Empfängerhorizont maßgeblich, nicht der Erkenntnishorizont des Finanzamtes. Ausreichend ist somit, wenn beim Empfänger keinerlei Zweifel aufkommen können, dass das Finanzamt die Frage in verbindlicher Weise geklärt hat. Eine verbindliche Auskunft kann somit als solche vom Finanzamt unerkannt erteilt werden. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag auf Erteilung der Auskunft nicht den formellen Anforderungen entsprochen hat. Nicht erforderlich ist zudem, dass die Auskunftserteilung für die spätere Sachverhaltsverwirklichung ursächlich ist.

Sachverhalt

Der Kläger hatte seinen Wohnsitz in Deutschland und übte ab 31.03. des Streitjahres 2008 eine Tätigkeit als International Civilian Consultant bei der ISAF in Afghanistan aus. Mit Schreiben vom 28.11.2007 hatte der Kläger eine Anfrage unter dem Betreff „Befreiung von der Einkommensteuerpflicht“ an das Finanzamt gerichtet mit der Bitte um Überprüfung des Status der Einkommensteuerpflichtigkeit bzw. Befreiung von der Einkommensteuerpflicht. Das Finanzamt erwiderte mit Schreiben vom 12.02.2008 unter dem Betreff „Steuerliche Behandlung der Gehaltszahlungen der ISAF in Afghanistan“, dass die vorgesetzte Behörde gehört wurde und die Gehaltszahlungen an den Kläger ohne Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen seien. Später änderte das Finanzamt die geäußerte Rechtsauffassung und behandelte die Einkünfte des Klägers als steuerpflichtig. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Entscheidung

Das Urteil des FG sei aufzuheben. Die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus der Tätigkeit des Klägers für die ISAF in Afghanistan seien unabhängig von ihrer materiell-rechtlichen Beurteilung als steuerfrei zu behandeln, weil im finanzamtlichen Schreiben vom 12.02.2008 eine dahingehende verbindliche Auskunft i.S. von § 89 Abs. 2 S. 1 AO zu sehen sei, die im Streitfall Bindungswirkung entfalte.

Nach § 89 Abs. 2 S. 1 AO können Finanzämter auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Hierbei handele es sich um Verwaltungsakte (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 16.05.2013).

Das Schreiben des Finanzamtes vom 12.02.2008 sei unter den Umständen des Streitfalls als verbindliche Auskunft anzusehen. Indem das Finanzamt feststelle, dass das Gehalt, das der Kläger für die Tätigkeit bei der ISAF beziehen solle, ohne Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen sei, beantworte es die ihm gestellte einkommensteuerrechtliche Frage mit hinreichender Bestimmtheit. Aus dem Antrag ergebe sich klar, welcher Sachverhalt und welche Einkünfte betroffen seien.

Der Auslegung des finanzamtlichen Schreibens als verbindliche Auskunft stünden auch nicht die vom FG herausgestellten formellen Mängel der Anfrage entgegen. Insbesondere sei nicht entscheidend, ob dem Finanzamt bekannt gewesen sei, dass der Kläger eine verbindliche Auskunft habe stellen wollen. Denn es sei nicht der Erkenntnishorizont des Finanzamts, sondern der des Klägers (Empfängers) maßgebend. Dem Kläger sei das Schreiben des Finanzamtes und dessen Inhalt in einer Weise übermittelt worden, die aus der Sicht eines steuerlich nicht beratenen Empfängers keinerlei Zweifel daran aufkommen lasse, dass das Finanzamt die Frage in verbindlicher Weise, d.h. mit Rechtsbindungswillen, geklärt habe.

Dieser Auslegung des finanzamtlichen Schreibens vom 12.02.2008 stehe nicht entgegen, die Anfrage des Klägers habe nicht erkennen lassen, dass der Antritt der Stelle bei der ISAF von der steuerlichen Behandlung abhängig gewesen sei, wie es das FG ausführe.

Die verbindliche Auskunft entfalte daher hier im Verfahren über die Einkommensteuerfestsetzung Bindungswirkung. Aus der Einordnung der verbindlichen Auskunft als Verwaltungsakt folge, dass eine solche mit ihrer Bekanntgabe (§ 124 Abs. 1 S. 1, § 122 AO) wirksam werde und dass eine Rechtswidrigkeit für die Bindungswirkung ohne Bedeutung bleibe. Abweichend verhielte es sich nur, wenn die Auskunft nichtig wäre (vgl. § 124 Abs. 3, § 125 Abs. 1 AO). Dafür bestehe hier kein Anhaltspunkt.

Betroffene Norm
§ 89 Abs. 2 S. 1 AO
Streitjahr 2008

Vorinstanz
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.05.2014, 2 K 2244/12, EFG 2014, S. 1455

Fundstelle
BFH, Urteil vom 12.08.2015, I R 45/14

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 16.05.2013, V R 23/12, BStBl. II 2014, S. 325

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