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18.05.2011
Verfahrensrecht

Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Regierungsentwurf vorgelegt

Das Bundeskabinett hat am 04.05.2011 den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BeitrRLUmsG) beschlossen. Die Richtlinie des EU-Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (Richtlinie 2010/24/EU) soll durch das EU-BeitrG in nationales Recht umgesetzt werden. Das EU-BeitrG soll am 01.01.2012 in Kraft treten, das damit überholte EG-Beitreibungsgesetz (BGBl 2007 I, S. 2897) soll gleichzeitig außer Kraft treten.

EU-Beitreibungsgesetz (EU-BeitrG-neu)

Um den Anforderungen des Binnenmarktes gerecht zu werden, soll der Informationsaustausch innerhalb der EU verbessert und der Anwendungsbereich der Amtshilfe erweitert werden:

  • Anwendungsbereich und anzuwendendes Recht (§ 1 EU-BeitrG-neu): Der Anwendungsbereich der Amtshilfe zwischen Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten soll erweitert und abstrakt auf Steuern und Abgaben aller Art abgestellt werden. Für eingehende und ausgehende Ersuchen wird auf die AO verwiesen. Das EU-BeitrG ist ein Nebengesetz der AO, sodass die darauf beruhenden Verwaltungsanweisungen ebenfalls anzuwenden sind (§ 1 Abs. 4 EU-BeitrG-neu). 
  • Erteilung von Auskünften auf Ersuchen (§ 5 EU-BeitrG-neu): Die zuständige Behörde soll der ersuchenden Behörde alle Auskünfte mitteilen, die bei der Beitreibung einer Forderung voraussichtlich erheblich sein werden. Der Standard des Art. 26 des OECD-Musterabkommens soll umgesetzt werden. 
  • Erteilung von Auskünften ohne Ersuchen (§ 6 EU-BeitrG-neu): Eine erleichterte Auskunftserteilung ohne Ersuchen soll in den Fällen ermöglicht werden, in denen es um die Erstattung von Steuern und Abgaben geht. Bei der Umsatzsteuer ist eine Auskunftserteilung ohne Ersuchen nicht vorgesehen, es sei denn, es handelt sich um die Einfuhrumsatzsteuer. 
  • Zustellung von Dokumenten (§§ 7, 8 EU-BeitrG-neu): Dem Zustellungsersuchen ist ein Standardformblatt beizufügen. 
  • Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen (§§ 9, 10 EU-BeitrG-neu): Bei Beitreibungsersuchen von anderen Mitgliedstaaten soll die Beitreibung einer Forderung nur bei Bestehen eines Vollstreckungstitels im ersuchenden Mitgliedstaat vorgenommen werden dürfen. Die Forderung soll wie eine inländische Forderung behandelt werden (§ 9 EU-BeitrG-neu). Ein Beitreibungsersuchen in andere Mitgliedstaaten soll nur möglich sein, sofern die Voraussetzungen für die Vollstreckung in Deutschland gegeben sind. Bevor ein Beitreibungsersuchen gestellt wird, sind zuerst alle nach der AO vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten auszuschöpfen (§ 10 EU-BeitrG-neu). 
  • Ersuchen um Sicherungsmaßnahmen(§ 12 EU-BeitrG-neu): Bei eingehenden Ersuchen müssen die Sicherungsmaßnahmen auch nach nationalem Recht und der Verwaltungspraxis beider Mitgliedstaaten in einer vergleichbaren Situation getroffen werden können. Das Ersuchen um Sicherungsmaßnahmen erfolgt auf einem Standardformblatt. 
  • Ablehnungsgründe (§ 14 EU-BeitrG-neu): Ein Ersuchen auf Beitreibung einer Forderung kann bei Unbilligkeit abgelehnt werden. Eine Amtshilfe soll nicht vorgenommen werden, wenn die Forderung insgesamt weniger als 1.500 Euro beträgt. 
  • Anwesenheit von Bediensteten (§§ 17, 18 EU-BeitrG-neu): Bedienstete aus einem Mitgliedstaat sollen behördlichen Ermittlungen in einem anderen Mitgliedstaat beiwohnen oder an diesen teilnehmen können. 
  • Standardformblätter und Kommunikationsmittel (§ 19 EU-BeitrG-neu): Die Benutzung von Standardformblättern soll die Zusammenarbeit der Behörden erleichtern und sprachliche Hürden überbrücken. Die elektronische Übermittlung soll der Vereinfachung und der Beschleunigung der Verfahren dienen. 
  • Weiterleitung von Auskünften und Dokumenten (§ 21 EU-BeitrG-neu): Das Steuergeheimnis und der Schutz, den die AO für entsprechende Informationen vorsieht, gelten auch für die erteilten Auskünfte anderer Staaten.

Daneben beinhaltet der vorliegende Gesetzesentwurf insbesondere Änderungen folgender steuerrechtlicher Regelungen bzw. Regelungsbereiche, die im Wesentlichen zum 01.01.2012 in Kraft treten sollen:

Einkommensteuergesetz (EStG)

  • Neufassung der Regelungen des Lohnsteuerabzugsverfahrens: Mit diesem Regelungspaket soll die Anpassung der gesamten lohnsteuerlichen Verfahrensvorschriften an das neue elektronische Verfahren erfolgen, das ab 2012 flächendeckend angewendet werden soll. Mit der elektronischen Übermittlung der Lohnsteuerabzugsmerkmale fällt die Lohnsteuerkarte weg. (§§ 38a, 38b, 39 ff. –neu EStG-E). 
  • Beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmereinkünfte: Die Bindung der Gewährung von Grundfreibetrag und Sonderausgabenabzug an beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit soll enger werden, eine Inanspruchnahme über die Höhe der Arbeitnehmereinkünfte hinaus soll ausgeschlossen werden. (§ 50 Abs. 1 EStG-E). Die Änderung soll am Tag nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. 
  • Kirchensteuerabzug bei abgeltend besteuerten Kapitalerträgen: Die Erhebung der Kirchensteuer in Fällen des Steuereinbehalts durch Kreditinstitute soll zukünftig durch ein automatisiertes Abzugsverfahren erfolgen. Ein Wahlrecht, ob die Kirchensteuerbeträge durch die Kreditinstitute einbehalten werden, oder ob die Festsetzung im Veranlagungsverfahren erfolgt, soll zukünftig nicht mehr bestehen (§§ 51a, 52a EStG-E). Die Regelungen sollen am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. 
  • Riesterrente: Ein Mindestbeitrag von 60 Euro pro Jahr für mittelbar Zulagenberechtigte soll im Rahmen der steuerlich geförderten Altersvorsorge eingeführt werden. Dadurch soll vermieden werden, dass Altersvorsorgezulagen bei fehlerhafter Einschätzung eines Zulageanspruchs zurückgefordert werden müssen. Zu einer Fehleinschätzung kann es zum Beispiel kommen, wenn wegen Kindererziehung in den ersten drei Lebensjahren des Kindes eine Rentenversicherungspflicht und somit unmittelbare Zulagenberechtigung besteht, der in Elternzeit befindliche Elternteil jedoch von einer mittelbaren Zulagenberechtigung durch den anderen Ehegatten ausgegangen ist. Zulageberechtigten, die in der Vergangenheit in Unkenntnis ihres Zulagestatus zu geringe Altersvorsorgebeiträge geleistet haben, soll die Möglichkeit eingeräumt werden, Beiträge nachträglich zu entrichten. (§§ 10a Abs. 3, 79 ff. EStG-E).

Körperschaftsteuergesetz (KStG)

  • Aufhebung der sog. Sanierugsklausel des § 8c Abs. 1a KStG. Die Sanierungsklausel soll ab dem Veranlagungszeitraum 2011 aufgehoben werden. § 8c Abs. 1a KStG sah vom Untergang des Verlustvortrags ab, wenn es sich um einen Beteiligungserwerb zum Zwecke der Sanierung der Körperschaft handelt. Die Kommission hatte am 26.01.2011 entschieden, dass die Sanierungsklausel eine europarechtswidrige Beihilferegelung darstellt. Durch die Gesetzesänderung soll die Entscheidung der Europäischen Kommission umgesetzt werden. Von einer gesetzlichen Aufhebung der Vorschrift für die Veranlagungszeiträume 2008, 2009 und 2010 wird abgesehen, da die Bundesregierung eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der EU-Kommission vor dem EuGH erhoben hat. Die Änderung soll am Tag nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.

Bewertungsgesetz (BewG)

  • Ermittlung des gemeinen Werts im Sachwertverfahren. Mit der Überarbeitung der Ermittlung des gemeinen Werts im Sachwertverfahren soll eine Präzisierung der Gebäudeklassen und eine Anpassung der Regelherstellungskosten an die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Baupreisindizes erfolgen (Teil II der Anlage 24 BewG-E).

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG)

  • Antragsrecht für beschränkt Steuerpflichtige. Beschränkt steuerpflichtige Erwerber sollen ihren Vermögensanfall auf Antrag den Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen können (§ 2 Abs. 3 –neu ErbStG-E). Sie können dann den höheren Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG in Anspruch nehmen, müssen dann aber auch ihr gesamtes zugewendetes Weltvermögen vollständig der unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen. Mehrere Erwerbe innerhalb von zehn Jahren vor und nach dem Vermögensfall sollen nach Maßgabe des § 14 ErbStG zusammengerechnet werden, um sicherzustellen, dass keine Aufspaltung des Vermögens in mehrere Teile erfolgt. Die EU-Kommission hatte Deutschland aufgefordert, die Regelungen im ErbStG hinsichtlich der beschränkten Steuerpflicht zu ändern, da die unterschiedlichen Freibeträge gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Die Änderung soll am Tag nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.

Fundstelle

Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz -BeitrRLUmsG), BR-Drs. 253/11

Weiter Fundstellen

EU-Kommission, Entscheidung über die Unvereinbarkeit der Sanierungsklausel mit den EU-Beihilferegelungen, ausführlich hierzu in den Deloitte Tax-News
Bundesregierung, Entscheidung zur Klageerhebung gegen die Entscheidung der EU-Kommission, ausführlich hierzu in den Deloitte Tax-News

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