Aktuell:
- Verkündet im Bundesgesetzblatt am 27.03.2024, BGBl 2024 I Nr. 108
- Bundesrat hat am 22.03.2024 dem Gesetz zugestimmt
Vermittlungsausschuss vom 21.02.2024
Das Schicksal des Wachstumschancengesetzes ist weiter offen. Mit dem Beschluss des Vermittlungsausschusses wird das Gesetz deutlich abgespeckt, so werden zum Beispiel die Erleichterungen beim Verlustrücktrag und die Klimaschutz-Investitionsprämie gestrichen. Auch nach der Zustimmung des Bundestages ist die Zustimmung des Bundesrates zum Gesetz weiterhin offen.
Hintergrund
Der Vermittlungsausschuss, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern aus Bundestag und Bundesrat, hat in seiner Sitzung am 21.02.2024 mit einfacher Mehrheit Änderungen zum Wachstumschancengesetz verabschiedet. Es handelt sich um ein „unechtes Vermittlungsergebnis“, da es nicht von der CDU/CSU mitgetragen wurde. Somit ist die erforderliche Mehrheit im Bundesrat weiterhin offen. Dem Ergebnis des Vermittlungsverfahrens hat der Bundestag bereits am 23.02.2024 zugestimmt und formal das geänderte Gesetz verabschiedet. Diesem Gesetz muss noch der Bundesrat zustimmen.
Die wesentlichen Inhalte des vom Bundestag verabschiedeten, entsprechen des Beschlusses des Vermittlungsausschusses geänderten Gesetzes sind im Folgenden dargestellt. Dabei sind die Änderungen gegenüber dem vom Bundestag ursprünglich verabschiedeten Wachstumschancengesetz kursiv kenntlich gemacht.
Wesentliche Regelungen des Gesetzesbeschluss mit den Änderungen durch den Beschluss des Vermittlungsausschusses
Klimaschutz-Investitionsprämiengesetz – KlimaInvPG
Die Einführung einer Investitionsprämie zur steuerlichen Förderung von Investitionen in den Klimaschutz wird im Rahmen des Wachstumschancengesetz nicht weiterverfolgt.
Forschungszulagengesetz
Förderfähige Aufwendungen für Anschaffungen nach dem Tag der Verkündung des Wachstumschancengesetzes
- Ausweitung der Forschungszulage auf im begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben genutzte abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die für die Durchführung des Vorhabens erforderlich und unerlässlich sind: Zum förderfähigen Aufwand eines Wirtschaftsjahres gehört zukünftig auch die auf die Nutzung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgutes im begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben entfallende Wertminderung.
- nicht erforderlich: die verwendeten Wirtschaftsgüter wurden extra für das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben neu angeschafft oder hergestellt
Höhe der förderfähigen Aufwendungen
Erhöhung von 60 % auf 70 % des beim Anspruchsberechtigten für den Auftrag entstandenen Entgelts für nach dem Tag der Verkündung des Wachstumschancengesetzes in Auftrag gegebene Forschungs- und Entwicklungsvorhaben
Bemessungsgrundlage
die im Wirtschaftsjahr entstandenen förderfähigen Aufwendungen des Anspruchsberechtigten.
Für nach dem 01.01.2020 und vor dem 01.07.2020 entstandene förderfähige Aufwendungen: höchstens 2 Mio. Euro
Für nach dem 30.06.2020 und vor dem Tag der Verkündung des Wachstumschancengesetzes entstandene förderfähige Aufwendungen: höchstens 4 Mio. Euro
Für nach dem Tag der Verkündung des Wachstumschancengesetzes entstandene förderfähige Aufwendungen: höchstens 10 Mio. Euro
Hohe Zulage
KMUs sollen zusätzlich eine Erhöhung der Forschungszulage um 10 Prozentpunkte beantragen können.
Einkommensteuergesetz
- Die Verbesserungen bei den Sofortabschreibungen geringwertiger Wirtschaftsgüter und den Abschreibungsmöglichkeiten zu den Sammelposten sollen nicht umgesetzt werden.
- Verbesserung bei der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG: Erhöhung von 20 % auf 40 %.
- Befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung: Die degressive Abschreibung (AfA) für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31.03.2024 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt werden, kann wieder in Anspruch genommen werden. Dabei darf der anzuwendende Prozentsatz höchstens das Zweifache des bei der Absetzung für Abnutzung in gleichen Jahresbeträgen in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 20 Prozent nicht übersteigen.
- Befristete Einführung einer degressiven Gebäude-AfA: Möglichkeit des Ansatzes einer degressiven AfA für zwischen dem 30.09.2023 und dem 01.10.2029 angeschafften oder hergestellten Wohngebäuden. Bei einem Wechsel auf die lineare AfA ist der dann anzusetzende Prozentsatz unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer zu ermitteln. Voraussetzung: Belegenheit innerhalb der EU/EWR, Abschreibungssatz: 5 %
- Sonderabschreibung § 7b EStG: Die Kostenbezugsgrößen für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung für die Herstellung neuer Mietwohnung werden angehoben. So soll die Baukostenobergrenze von 4.800 Euro auf 5.200 Euro pro Quadratmeter steigen. Die Obergrenze bei der Bemessungsgrundlage für die Abschreibung soll 4.000 Euro je Quadratmeter betragen. Darüber hinaus wird der zeitliche Anwendungsbereich bis zum 01.10.2029 erweitert.
- Dienstwagenbesteuerung: Der Höchstbetrag für die Inanspruchnahme des Viertels der 1%-Bemessungsgrundlage bei rein elektrischen Dienstwagen, die nach dem 31.12.2023 angeschafft werden, für die private Nutzung soll von 60.000 Euro auf 70.000 Euro Listenpreis angehoben werden (§ 6 Abs 1 Nr. 4 S. 2 Nr. 3 u. S. 3 Nr. 3 EStG). Die weitere, im Gesetzesbeschluss des Bundestages noch vorgesehene Änderung für Hybrid-Fahrzeuge soll nicht umgesetzt werden.
- Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer soll von 8 auf 9 Euro angehoben werden (§ 9 Abs. 4a S. 3 EStG). Die Anhebung der Verpflegungspauschalen sowie des Freibetrages für Betriebsveranstaltungen soll nicht umgesetzt werden.
- Die Grenze für den Betriebsausgabenabzug von Geschenken an Geschäftsfreunde soll von 35 auf 50 Euro angehoben werden.
- Übermittlung Identifikationsnummer an Arbeitgeber: Die Finanzämter sollen die Identifikationsnummer des Arbeitnehmers auf Anfrage an den Arbeitgeber mitteilen, wenn dieser für den Arbeitnehmer bereits eine Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2022 (mittels eTin) übermittelt hat und der Arbeitgeber zugleich versichert, dass das Dienstverhältnis über den 31.12.2022 hinaus fortbestanden hat. Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung, dem Arbeitgeber die Identifikationsnummer mitzuteilen (§ 39e Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG), trotz Aufforderung nicht nachgekommen sein.
- Die Anwendung der Fünftelregelung im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens nach § 39b EStG wird ab dem Lohnsteuerabzug ab dem 01.01.2025 gestrichen.
- Anhebung der Steuerfreigrenze für private Veräußerungsgeschäfte von 600 auf 1.000 Euro (§ 23 Abs. 3 S. 5 EStG).
- Anpassung Altersentlastungsbetrag und Versorgungsfreibetrages: Die jahresbezogenen Prozentsätze sowie die Höchstbeträge für den Altersentlastungsbetrag und den Versorgungsfreibetrag werden mit Wirkung für den Lohnsteuerabzug ab dem 01.01.2025 angepasst.
- Maßnahmen zur Verbesserung der Thesaurierungsbegünstigung; Die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG soll durch eine Reihe von Maßnahmen attraktiver gemacht werden:
- Der erstmalige Antrag soll keiner Frist mehr unterliegen und kann bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids, bei einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt werden.
- Erhöhung des begünstigungsfähigen Gewinns um die gezahlte Gewerbesteuer und die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer nach § 34a Abs. 1 EStG entnommen werden
- Erleichterungen bei der Nachversteuerung
- Die Änderungen können erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2024 in Anspruch genommen werden.
- Die Verbesserungen des steuerlichen Verlustrücktrages entfallen
- Mindestgewinnbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG): Die Prozentgrenze bei der sog. Mindestgewinnbesteuerung soll ab dem Veranlagungszeitraum 2024 bis zum Veranlagungszeitraum 2027 von 60 Prozent temporär auf 70 Prozent angehoben werden. Ab 2028 soll der Prozentsatz wieder 60 Prozent betragen. Diese Erhöhung des Prozentsatzes gilt jedoch nicht für die Gewerbesteuer.
- Reform der Zinsschranke: Die Änderungen der Zinsschranke wurden bereits im Rahmen des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes umgesetzt, siehe Deloitte Tax News.
- Zinshöhenschranke wird ersetzt: Die ursprünglich vorgesehene Zinshöhenschranke wird durch eine Ergänzung in § 1 AStG ersetzt. Für die Berücksichtigung von grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe werden besondere Anforderungen definiert. Eine vergleichbare Regelung hatte sich bereits im Referentenentwurf des ATAD-UmsetzungsG befunden, die dann aber im weiteren Gesetzgebungsprozess nicht weiter verfolgt wurde (siehe Deloitte Tax News).
- Die Verbesserung der Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden soll nicht umgesetzt werden.
- Datenaustausch Unternehmen und private Kranken-/Pflegeversicherungen: Um bürokratischen Aufwand bei der (lohn-)steuerlichen Behandlung der Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung zu mindern, soll ein umfassender elektronischer Datenaustausch zwischen den Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, der Finanzverwaltung und den Arbeitgebern eingeführt werden (JStG2020). Der ursprünglich vorgesehene Start zum 01.01.2024 wird um 2 Jahre bis zum 01.01.2026 verschoben.
Körperschaftsteuergesetz
Steigerung der Attraktivität der Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG
Anwendungsbereich:
- Erweiterung von Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaften auf alle Personenhandelsgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft oder eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Antragstellung bei neugegründeten Gesellschaften:
- Möglichkeit für neu gegründete Gesellschaften, den Antrag erst bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags zu stellen (statt spätestens ein Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahres, ab dem die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gelten soll), um von vorneherein zur Körperschaftsbesteuerung zu optieren
- Entsprechend für Körperschaften, bei Formwechsel in eine eingetragene Personengesellschaften
Steuerneutrale Ausübung der Option:
- Nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass in Sonderfällen, in denen die Beteiligung an einer Komplementärin einer optierenden Kommanditgesellschaft eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, diese Beteiligung nicht in die optierende Gesellschaft eingebracht wird
Ausschüttungsfiktion:
- Thesaurierte Gewinne gelten grundsätzlich so lange nicht als ausgeschüttet, bis sie entnommen werden.
- Noch stärkere Annäherung an steuerliche Behandlung einer echten Kapitalgesellschaft
Umwandlungssteuergesetz
Änderung des § 15 Abs. 2 UmwStG
Rückführung der Möglichkeiten zu steuerneutralen Spaltungen auf ihren ursprünglich vom Gesetzgeber intendierten Anwendungsbereich.
Aufhebung der bisherigen BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 11.08.2021, I R 39/18):
- Veräußerungen von Anteilen an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft unterhalb der 20%-Grenze oder nach Ablauf der Fünfjahresfrist für die Buchwertfortführung bei Abspaltungen sind unschädlich.
Anwendungsbeginn:
- Gilt erstmals für Spaltungen, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das für die Wirksamkeit des jeweiligen Vorgangs maßgebende öffentliche Register nach dem 14.07.2023 erfolgt.
Abgabenordnung
Internationale Risikobewertung
In Anlehnung an die bestehenden Verfahren ICAP und ETACA sowie der Offenheit für weitere Verfahren sollen spezifische gesetzliche Regelungen zu internationalen Risikobewertungsverfahren geschaffen werden (§ 89b – neu – AO)
Die Anpassung der AO und anderer Steuergesetze an das Personengesellschaftsrechts-modernisierungsgesetz (MoPeG) wurd zwischenzeitlich bereits im Rahmen des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes umgesetzt, siehe Deloitte Tax News.
Anhebung der Grenze für die Buchführungspflicht von 600.000 Euro auf 800.000 Euro Umsatz oder von 60.000 Euro auf 80.000 Euro Gewinn.
Die Ausweitung der Pflicht zur Mitteilung von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen auf innerstaatliche Steuergestaltungen wird in diesem Gesetzgebungsverfahren nicht mehr weiter verfolgt.
Gewerbesteuer
Anhebung der Stromerzeugungsschwelle für Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen
Die Unschädlichkeitsgrenze für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen soll ab dem Erhebungszeitraum 2023 auf einen maximalen Anteil der Einnahmen aus der Lieferung von Strom im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien oder aus dem Betrieb von Ladestationen für die Elektromobilität an den Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes von 20 Prozent (vorher 10 Prozent) steigen.
Umsatzsteuer
Einführung der obligatorischen eRechnung im B2B-Bereich
Definition der eRechnung:
strukturiertes elektronisches Format, das eine elektronische Verarbeitung ermöglicht und dem einheitlichen Format CEN 16931 entspricht
Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger verständigen sich auf ein anderes strukturiertes elektronisches Format, das die richtige und vollständige Extraktion der gesetzlich erforderlichen Angaben aus der elektronischen Rechnung ermöglicht
Streichung des Vorrangs der Papierrechnung
Beschränkung auf inländische B2B-Umsätze
Einführung des Begriffs der sonstigen Rechnung: andere elektronische Formate und die Papierrechnung
Beginn der Pflicht zur Nutzung der eRechnung am 01.01.2025
Übergangsregelung für die Ausstellung einer Papierrechnung oder bei Zustimmung des Empfängers Nutzung eines anderen elektronischen Formates:
- bis Ende 2026 möglich
- kleinere Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 800.000 Euro auch noch bis Ende 2027 möglich
- bis Ende 2027 bei eRechnung in einem für das EDI-Verfahren geeignete Format möglich
- Ausnahme: Kleinbetragsrechnung und Fahrausweise, hier können alle Rechnungsformate verwendet werden
Weitere Neuregelungen
- Erweiterung der Fiktion der Steuerschuld des Leistungsempfängers um die Übertragung von Emissionszertifikaten
- IST-Besteuerung: Anhebung der Grenze von 600.000 Euro auf 800.000 Euro
- Vierteljährliche UStVA: Erhöhung des Schwellwertes für die Befreiung von der vierteljährlichen Abgabe von 1.000 Euro auf 2.000 Euro
- Anerkennung aller Verfahrenspfleger als begünstigte Einrichtungen, die im Rahmen eines Betreuungs-, Unterbringungs- oder Freiheitsentziehungsverfahrens nach dem 3. oder 7. Buch des FamFG zur Unterstützung einer hilfsbedürftigen Person tätig sind.
- Steuersatzermäßigung für Zweckbetriebe gem. 66-68 AO
- Kein Vorziehen des Auslaufens des ermäßigten Steuersatzes auf Gas- und Stromlieferungen
Grunderwerbsteuer
Rechtsfähige Personengesellschaft
Diese Änderungen wurden bereits im Rahmen des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes umgesetzt, siehe Deloitte Tax News
Weiteres Vorgehen
Der Bundestag hat sich bereits in seiner Sitzung am 23.02.2024 mit dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses befassen und das Gesetz entsprechend der Empfehlung des Vermittlungsausschusses verabschiedet. Die nächste reguläre Bundesratssitzung findet am 22.03.2024 statt. Hier ist die erforderliche Zustimmung fraglich.
Fundstelle
Vermittlungsausschuss, Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness, BT-Drs. 20/10410