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24.09.2015
Unternehmensteuer

Nds. FG: Voraussetzungen für eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen

Mit Urteil vom 22.11.2016 hat der BFH entschieden, dass das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass die bloße Beherrschungsmöglichkeit nicht ausreicht, um eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen nach § 8c KStG zu begründen.
BFH, Urteil vom 22.11.2016, I R 30/15, siehe Deloitte Tax News 
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Nds. FG (Vorinstanz):
Um von einer Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen i.S.v. § 8c Abs. 1 S. 3 KStG ausgehen zu können, reicht allein das gemeinschaftliche Halten der Beteiligung an einer Verlustgesellschaft nicht aus. Vielmehr muss die Gruppe nicht nur bei und im Hinblick auf den Erwerb der Anteile, sondern auch im Anschluss an den Erwerb tatsächlich einen beherrschenden einheitlichen Einfluss bei der Verlustgesellschaft ausüben.

Sachverhalt

Bei der Klägerin, einer GmbH, hat das Finanzamt den vollständigen Untergang des Verlustabzugs nach § 8c KStG angenommen, nachdem im Streitjahr 2010 53 % der Anteile an der Klägerin an drei Erwerber veräußert worden waren. Jeder Erwerber erlangte dabei eine mittelbare Beteiligung in Höhe von 17,67 % der Anteile der GmbH. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei den drei Erwerbern um eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen im Sinne des § 8c Abs. 1 S. 3 KStG handele und rechnete daher die Einzelerwerbe zusammen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzamt habe zu Unrecht den vollständigen Verlustuntergang nach § 8c KStG angenommen. Die Vorschrift des § 8c Abs. 1 S. 3 KStG, wonach als Erwerber auch eine „Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen“ gilt, sei eng auszulegen.

Unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen einer Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen anzunehmen ist, sei bisher in veröffentlichter Rechtsprechung der Finanzgerichte und des BFH nicht behandelt worden. Nach Auffassung in der Literatur seien folgende Indizien nicht ausreichend um gleichgerichtete Interessen anzunehmen:

  • Das reine gemeinschaftliche Halten der Beteiligung an einer Verlustgesellschaft.
  • Ein gemeinsames Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft.

Eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen liege nach der Gesetzesbegründung und der von der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 04.07.2008) vertretenen Auffassung regelmäßig bei Erfüllen der folgenden Voraussetzungen vor:

  • Beherrschung der Kapitalgesellschaft durch die Erwerber.
  • Bei Abstimmung zwischen den Erwerbern (Vertrag nicht erforderlich), z.B., wenn Erwerber zur einheitlichen Willensbildung zusammenwirken.
  • Wenn die Erwerber bei der Bemessung ihrer jeweiligen Tantiemen im Zusammenwirken gemeinsame Interessen verfolgen. Eine übereinstimmende Höhe der Gehälter und das zeitliche Zusammenfallen der Beschlussfassung reichen aus.

Daraus leitet das Nds. FG ab, dass eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen dann vorliege, wenn mehrere Erwerber bei und im Hinblick auf den Erwerb von Anteilen an einer Verlustgesellschaft zusammenwirken und diese Gruppe im Anschluss an den Erwerb (durch Stimmbindungsvereinbarungen, Konsortialverträge oder andere verbindliche Abreden) einen beherrschenden einheitlichen Einfluss bei der Verlustgesellschaft ausüben kann. Maßgeblicher Zeitpunkt sei dabei der Erwerbszeitpunkt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt müssten die Erwerber Abreden im Hinblick auf das spätere gemeinsame Beherrschen der Gesellschaft getroffen haben. Die reine Möglichkeit des Beherrschens genüge nicht. Maßgebend sei, ob die Gruppe von Erwerbern die Gesellschaft tatsächlich beherrscht.

Im Streitfall gäbe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerber über das Halten der gemeinsamen Beteiligung an der Klägerin Absprachen zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen getroffen haben. Der zeitgleiche, in denselben Verträge und mit gleichen Beteiligungsquoten vereinbarte Hinzuerwerb sei kein hinreichendes Indiz für die Annahme gleichgerichteter Interessen der Erwerber. Auch die Möglichkeit der Beherrschung der Klägerin durch die drei Erwerber aufgrund der von ihnen mittelbar gehalten Mehrheit der Stimmrechte reiche allein nicht.

Daher könne es dahinstehen, ob die Annahme gleichgerichteter Interessen darüber hinaus erfordere, dass der Zweck der Interessen-/Stimmrechtsbündelung außerdem auf die Nutzung der steuerrechtlichen Verlustvorträge gerichtet sein müsse, wie es teilweise in der Literatur vertreten werde.

Betroffene Norm

§ 8c Abs. 1 S. 3 KStG
Streitjahr 2010

Anmerkung
Da § 8c Abs. 1 S. 2 und 3 KStG aus den o.g. Gründen im Streitfall nicht anzuwenden sei, bedürfe es – wie das Nds. FG anmerkt – keiner Entscheidung über die Frage, ob das FG – ebenso wie das FG Hamburg § 8c Abs. 1 S. 1 KStG in seinem Vorlagebeschluss vom 04.04.2011, siehe Deloitte Tax-News – für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG ansieht.

Fundstellen 
BFH, Urteil vom 22.11.2016, I R 30/15, siehe Deloitte Tax News 
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.02.2015, 6 K 424/13, BFH-anhängig: I R 30/15

Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7-S 2745-a/08/10001, BStBl I 2008, S. 736
Finanzgericht Hamburg, Vorlagebeschluss vom 04.04.2011, 2 K 33/10, DStR 2011, S. 1172, BVerfG:anhängig 2 BvL 6/11FG, siehe Deloitte Tax-News 

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