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13.07.2016
Unternehmensteuer

BFH: Kein vorläufiger Rechtsschutz gegen Solidaritätszuschlag

Mit Beschluss vom 15.06.2016 kommt der BFH entgegen der Auffassung des Nds. FG zu dem Schluss, dass das öffentliche Interesse am Vollzug des SolZG das Interesse der Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes überwiege (siehe unter Anmerkung). 
                                                                                                            
Nds. FG

Mit Beschluss vom 22.09.2015 hat das Niedersächsische FG die Vollziehung eines Bescheides über die Festsetzung des Solidaritätszuschlages für das Jahr 2012 aufgehoben. Das FG ist von der Verfassungswidrigkeit des der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Solidaritätszuschlaggesetzes überzeugt.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Vollziehung des Bescheids über die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für 2012 wegen verfassungsrechtlicher Zweifel aufzuheben ist. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Entscheidung

Das Finanzamt habe die beantragte Aufhebung der Vollziehung des Bescheids über die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für 2012 zu Unrecht nicht gewährt.

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 3 S. 1 2. HS FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt gemäß § 69 Abs. 2 S. 7 FGO an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung.

Die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung setze nicht voraus, dass die gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe überwiegen. Das FG sei von der Verfassungswidrigkeit des der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Solidaritätszuschlaggesetzes überzeugt. Mit Beschluss vom 21.08.2013 habe es daher dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 verfassungsgemäß ist (SolZ 2007). Die für das Jahr 2007 ausschlaggebenden Gründe für die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes gelten nach Auffassung des FG uneingeschränkt auch für das im Streitjahr 2012 anzuwendende Solidaritätszuschlaggesetz.

In Rechtsprechung und Fachliteratur sei umstritten, ob bei der Aussetzung oder Aufhebung von Steuerbescheiden aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die ihnen zugrunde liegenden Vorschriften ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu verlangen sei. Im Streitfall könne dahingestellt bleiben, ob eine Abwägung des individuellen Interesses des Antragstellers und des öffentlichen Interesses geboten sei. Denn hier stehe dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers ein überwiegendes öffentliches Interesse, insbesondere das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung, nicht entgegen.

Der Umstand, dass dem Fiskus durch die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung erhebliche
Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe drohten sei dann nicht entscheidungserheblich, wenn die Wahrnehmung und Erfüllung der öffentlichen Aufgaben durch den drohenden Einnahmeausfall nicht gefährdet sei. Der Staat erziele in jüngster Zeit Rekordsteuereinnahmen und könne sich im Zweifel am Kapitalmarkt zu historisch niedrigen Zinsen refinanzieren.

Entgegen der BFH-Rechtsprechung in der Vergangenheit habe der II. Senats BFH neuerdings entschieden, dass eine Aussetzung der Vollziehung nicht dann ausscheide, wenn zu erwarten sei, dass vom BVerfG eine Vorschrift nicht rückwirkend für nichtig erklärt werde (BFH-Beschluss vom 21.11.2013, so auch BFH-Beschluss vom 18.12.2013). Der geänderten Auffassung des II. Senats des BFH schließe sich das FG an. Denn eine Prognoseentscheidung, wie das BVerfG zukünftig entscheiden werde, könne nicht seriös getroffen werden.

Anmerkung

BFH versagt vorläufigen Rechtsschutz gegen Solidaritätszuschlag
Mit Beschluss vom 15.06.2016 kommt der BFH entgegen der Auffassung des Nds. FG zu dem Schluss, dass das öffentliche Interesse am Vollzug des SolZG das Interesse der Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes überwiege. Dem stehe nicht entgegen, dass das Nds. FG mit Beschluss vom 21.08.2013 das BVerfG erneut zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes angerufen habe (siehe Deloitte Tax-News). Es könne offen bleiben, ob der Vorlagebeschluss des Nds. FG vom 22.09.2015 ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der festgesetzten Solidaritätszuschläge begründen könne. Der BFH habe bereits früher entschieden, dass das SolZG verfassungsgemäß sei (Urteile vom 21.07.2011 II R 52/10, BStBl II 2012, S. 43, siehe Deloitte Tax-News und II R 50/09, BFH/NV 2011, S. 1685). Das BVerfG habe die dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.

Betroffen Norm

§ 69 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 3 S. 1 2. HS FGO, § 69 Abs. 2 S. 7 FGO

Streitjahr 2012 

Fundstellen

BFH, Beschluss vom 15.06.2016, II B 91/15, BStBl II 2016 Seite 846

Pressemitteilung Nr. 47/16 vom 06.07.2016

Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 22.09.2015, 7 V 89/14
Pressemitteilung vom 19.10.2015

Weitere Fundstellen

Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 21.08.2013, 7 K 143/08, BVerfG-anhängig: 2 BvL 6/14

BFH, Beschluss vom 21.11.2013, II B 46/13, BStBl. II 2014, S. 263, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Beschluss vom 18.12.2013 I B 85/13, BStBl. II 2014, S. 947, siehe Deloitte Tax-News

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