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12.07.2018
Unternehmensteuer

EuGH: Kommissionsentscheidung zur Sanierungsklausel nichtig

Aktuell: Die Europäische Kommission ist mittlerweile in Umsetzung der EuGH-Urteile (C-203/16 P, C-208/16 P, C-209/16 P und C-219/16 P) zu dem Schluss gekommen, dass die Sanierungsklausel keine staatliche Beihilfe im Sinne der EU-Vorschriften darstellt (Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 22.01.2020).

Aktuell: Mit dem Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsgesetz (JStG 2018) wurde die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG rückwirkend ab 2008 wieder in Kraft gesetzt (siehe Deloitte Tax-News).

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Entscheidung der Kommission zur Beihilfeeigenschaft der sog. Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG nichtig ist. Für die Kommission stellt diese Entscheidung einen schweren Rückschlag mit möglicherweise weitreichenden Auswirkungen dar. Die tragenden Gründe lassen sich aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Vahl entnehmen, der vorliegend die Selektivität der Sanierungsklausel verneint, weil diese für sanierungsbedürftige Unternehmen nur die allgemeine Verlustverrechnungsmöglichkeit als Referenzmaßstab wiederherstellt.

Mit der Entscheidung des EuGH zur Sanierungsklausel hat die Kommission eine schmerzhafte Niederlage erlitten. Der EuGH hat der „Abkürzung“ der Bestimmung der Selektivität einer steuerlichen Regelung im Hinblick darauf, ob eine steuerlich begünstigende Regelung nicht allen Unternehmen in rechtlicher und tatsächlich vergleichbarer Situation offensteht, eine Absage erteilt und die klassische dreistufige Prüfung wieder etabliert. Er betont, dass das „Referenzsystem“ in einem breiten Ansatz bestimmt werden muss. Danach stellt die Ausnahme von einer nachteiligen Regelung (hier der Verlustverrechnungseinschränkung bei Anteilsinhaberwechsel) nur den allgemeinen Grundsatz der Verlustverrechnung wieder her.

Hintergrund

Die Europäische Kommission hatte im Jahr 2011 beschlossen, dass die sogenannte Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG eine verbotene Beihilfe darstellt. Die Folge war die Rückforderung der betreffenden ersparten Steuern infolge der Verrechnung der Verluste mit späteren Gewinnen.

Der Insolvenzverwalter der zwischenzeitlich insolventen Heitkamp BauHolding GmbH klagte, neben vielen anderen Unternehmen und der deutschen Bundesregierung, gegen die Kommissionsentscheidung und bekam nun in zweiter Instanz durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) recht. Das Europäische Gericht war in erster Instanz noch der Europäischen Kommission gefolgt.

Entscheidung

Die Sanierungsklausel lässt unter bestimmten Bedingungen ausnahmsweise eine vollständige Verlustverrechnung trotz ansonsten schädlichem Anteilseignerwechsel von mehr als 25 % zu, wenn der Anteilserwerb im Rahmen einer Sanierung erfolgt. Der Ausschluss der Verlustverrechnung im Übrigen sollte den Handel mit Verlustvorträgen („Mantelkauf“) unterbinden. Die Kommission und das ihr folgende Europäische Gericht sahen darin eine Begünstigung von sanierungsbedürftigen Unternehmen, die sich hinsichtlich der Möglichkeit der Verlustverrechnung in “rechtlich und tatsächlich vergleichbarer“ Situation wie andere, nicht sanierungsbedürftige Unternehmen befänden. Als Referenzsystem und damit Maßstab für eine Begünstigung sollte die Einschränkung der Verlustverrechnung im Falle eines Anteilseignerwechsels anzusehen sein.

Der Generalanwalt Vahl, dem der EuGH in seiner Entscheidung vom 28.06.2018 gefolgt ist, sah demgegenüber in dem grundsätzlich zulässigen Verlustvortrag, der durch § 8c KStG für den Fall des Anteilswechsels eingeschränkt wird, das Referenzsystem. Als Rückausnahme soll danach nur die Grundregel der Verlustverrechnungsmöglichkeit wiederhergestellt werden. Da somit die Kommission das Referenzsystem falsch bestimmt hatte, wurde ihre Entscheidung vom EuGH für nichtig erklärt.

Hinweise

Ob der EuGH damit allerdings bestätigt hat, dass die Sanierungsklausel keine Beihilfe ist, ist unklar. Letzteres wäre allerdings erforderlich, damit nach § 34 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 KStG die Sanierungsklausel rückwirkend automatisch wieder anwendbar wird. Zwar hat der EuGH sehr deutlich eine Nichtigkeit der Kommissionsentscheidung erkannt, er hat aber nicht explizit geurteilt, dass die Sanierungsklausel keine Beihilfe ist. Dies war angesichts des Charakters einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV auch nicht möglich. Angesichts der sehr klaren Aussagen des EuGH zur Bestimmung des Referenzsystems erscheint es aber schwierig für die Kommission, an ihrer Einschätzung zur Selektivität festzuhalten und somit erneut eine Beihilfeentscheidung zu erlassen. Um die Sanierungsklausel wieder in Kraft zu setzen, bedarf es der Veröffentlichung des EuGH-Urteils im Bundesgesetzblatt; diese sollte nun hoffentlich bald erfolgen.

Bereits in anderen aktuellen Fällen der Steuerinitiative der Kommission ist die Praxis der Kommission, wie bei der Prüfung der Selektivität das Referenzsystem zu bestimmen ist, ein Zankapfel. Mit der aktuellen Entscheidung hat der EuGH klargemacht, dass die Selektivität sorgfältig und eigenständig zu prüfen ist und dass dabei das Referenzsystem anhand des breiteren rechtlichen Rahmens zu bestimmen ist und Regelungen nicht künstlich aus diesem Rahmen herausgelöst werden dürfen.

Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob die von der Kommission als mögliche Beihilfe identifizierten Ausnahmen in den britischen Regeln zu ausländisch kontrollierten Unternehmen („CFC Rules“) dann auch „nur“ die Nichtbesteuerung der ausländischen Aktivitäten der betreffenden Unternehmen wiederherstellen.

Betroffene Norm

§ 8c Abs. 1a KStG

Vorinstanzen

EuG, Urteil vom 04.02.2016, T-287/11, Heitkamp BauHolding, siehe Deloitte Tax-News
Kommission, Beschluss vom 26.01.2011, C 7/2010, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 22.01.2020 

EuGH, Urteil vom 28.06.2018, C-203/16 P, Andres (Insolvenzverwalter der Heitkamp BauHolding), siehe auch englischer Beitrag

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