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14.12.2017
Unternehmensteuer

BFH: Verklammerungsrechtsprechung auch bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern

Die sog. Verklammerungsrechtsprechung, wonach der Ankauf, die Vermietung und der Verkauf von Wirtschaftsgütern zu einer einheitlichen, die private Vermögensverwaltung überschreitenden Tätigkeit verklammert sein können, ist nicht auf bewegliche Wirtschaftsgüter beschränkt, sondern gilt gleichermaßen für unbewegliche Wirtschaftsgüter. Eine Verklammerung kann auch dann vorliegen, wenn im Zeitpunkt der Veräußerung die in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG genannten Haltefristen bereits abgelaufen sind.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GbR, erklärte im Streitjahr 2003 aus der Vermietung folgender bebauter Grundstücke Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:

Rathauserweiterungsgebäude: Die Stadt E räumte der Klägerin 1986 an einem Grundstück für die Dauer von 20 Jahren ein Erbbaurecht mit der Pflicht ein, hierauf ein Dienstgebäude an das vorhandene Rathaus anzubauen. Das entsprechend errichtete Gebäude wurde auf die Dauer von 20 Jahren an die Stadt E vermietet. Das Erbbaurecht endete vereinbarungsgemäß im Jahr 2007. Die Klägerin erhielt von der Stadt E eine für den Fall des Erlöschens des Erbbaurechts durch Zeitablauf vereinbarte Entschädigung.

Straßenverkehrsamt: Der Landkreis G bestellte der Klägerin 1992 ein Erbbaurecht an einem Grundstück. Die Klägerin verpflichtete sich, auf dem Grundstück ein Straßenverkehrsamt zu errichten und dieses dem Landkreis anschließend bis zum 31.12.2013 zu vermieten. Mit Erlöschen des Erbbaurechts am 31.12.2013 stand der Klägerin eine Entschädigung zu.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Klägerin bei den beiden Dienstgebäuden den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten habe und stellte gewerbliche Einkünfte fest. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt.

Entscheidung

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben, da nicht ausgeschlossen sei, dass die Klägerin über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung hinausgegangen ist.

Das Überschreiten des Rahmens der privaten Vermögensverwaltung ist nach der Rechtsprechung des BFH ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19.01.2017, IV R 50/14). Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird bei der Vermietung von Grundstücken überschritten, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung des Grundbesitzes im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 24.06.2009, X R 36/06).

Der BFH bestätigt das FG zunächst insoweit, als die Tätigkeit der Klägerin nicht allein wegen den von vornherein geplanten Veräußerungen der beiden Dienstgebäude infolge des Erlöschens der Erbbaurechte gegen Zahlung einer Entschädigung über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung hinausgegangen sei. Zudem bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Drei-Objekt-Grenze überschritten habe. Gleichzeitig stelle die Drei-Objekt-Grenze aber keine Freigrenze für den Steuerpflichtigen dar.

Für die Vermietung von beweglichen Wirtschaftsgütern hat der BFH bereits mit Urteil vom 08.06.2017 (IV R 30/14) entschieden, dass die Grenze der privaten Vermögensverwaltung dann überschritten wird, wenn das Geschäftskonzept darin besteht, die Wirtschaftsgüter zu kaufen, zwischenzeitlich zu vermieten und zu verkaufen, und bereits bei Aufnahme der Tätigkeit festgestanden hat, dass sich das erwartete positive Gesamtergebnis nur unter Einbeziehung des Erlöses aus dem Verkauf der vermieteten Wirtschaftsgüter erzielen lässt. In einem solchen Fall sind die Teilakte einer derart gemischten Tätigkeit nicht getrennt zu würdigen, sondern zu einer einheitlichen Tätigkeit zu verklammern.

Der BFH erweitert nun diese sog. Verklammerungsrechtsprechung auf unbewegliche Wirtschaftsgüter. Lässt sich das erwartete positive Gesamtergebnis nur unter Berücksichtigung des Veräußerungserlöses der vermieteten Wirtschaftsgüter erzielen, tritt die Umschichtung der Vermögenswerte – unabhängig davon, ob es sich um bewegliche oder unbewegliche Wirtschaftsgüter handelt – gegenüber der Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund, so die Auffassung des BFH.

Diese Rechtsprechung zur Verklammerung ist nach Ansicht des BFH auch nicht auf solche Fälle beschränkt, bei denen zwischen An- und Verkauf nur eine kurzfristige zwischenzeitliche Vermietung erfolgt. Unerheblich sei auch, wenn im Zeitpunkt der Veräußerung die in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG genannte Haltefrist bereits abgelaufen war (vgl. BFH-Urteil vom 22.01.2003, X R 37/00).

Unter Beachtung dieser Grundsätze hält der BFH die vom FG im Streitfall angeführte Begründung, wonach der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten sei, weil die „Verklammerungsrechtsprechung“ zum einen wegen der 20-jährigen Vermietung der Bauwerke, zum anderen wegen der nicht beabsichtigten Reinvestition des Veräußerungserlöses in andere Vermietungsobjekte nicht anwendbar sei, für unzutreffend.

Im Streitfall hat das FG allerdings keine Feststellungen dazu getroffen, ob bereits im Zeitpunkt der Aufnahme der jeweiligen Tätigkeit im Zusammenhang mit den Dienstgebäuden festgestanden hat, dass sich das jeweils erwartete positive Gesamtergebnis nur unter Einbeziehung der vereinbarten Entschädigung für die zu errichtenden Dienstgebäude erzielen lässt. Dies hat das FG nun noch in der Weise nachzuholen, dass für jedes Objekt (Rathauserweiterungsgebäude, Straßenverkehrsamt) jeweils getrennt eine Prognose anzustellen ist, ob für den Zeitraum der tatsächlichen Vermögensnutzung ein Totalüberschuss (Überschuss der steuerpflichtigen Einnahmen über die Erwerbsaufwendungen) erzielt wird. Sollte diese Prognose zu einem Totalüberschuss führen, wäre die Grenze der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten.

Sollte hingegen die Tätigkeit der Klägerin über den Bereich der privaten Vermögensverwaltung hinausgegangen sein, wäre u.a. noch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 1 EStG zu prüfen. Eine Tätigkeit ist grundsätzlich nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist. Wären bei beiden Dienstgebäuden die Teilakte zu einer einheitlichen Tätigkeit zu verklammern, müsste infolge tatsächlicher Wiederholung des Geschäfts die Nachhaltigkeit bejaht werden. Dem stünde der Zeitraum von mehr als sechs Jahren zwischen dem Beginn beider Objekte nicht entgegen.

Betroffene Normen

§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 15 Abs. 1 S. 1 EStG
Streitjahr 2013

Anmerkung

Im Streitfall standen die nach Ablauf der jeweiligen Erbbaurechte zu zahlenden Entschädigungen bereits im Vorhinein fest. Dies ist wohl eine in der Praxis nicht unbedingt ganz typische Gestaltung.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28.09.2017, IV R 50/15, BStBl II 2017 Seite 230

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 08.06.2017, IV R 30/14, BStBl II 2017, S. 1061, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 19.01.2017, IV R 50/14, BStBl II 2017, S. 456, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 24.06.2009, X R 36/06, BStBl II 2010, S. 171
BFH, Urteil vom 22.01.2003, X R 37/00, BStBl II 2003, S. 464

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