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11.02.2021
Unternehmensteuer

BFH: Nachweis der Einlagenrückgewähr bei Ausschüttungen einer EU-Kapitalgesellschaft

​Während inländische Anteilseigner einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft selbst den Nachweis führen können, dass ein bestimmter Bezug als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist, sind inländische Anteilseigner einer EU-Kapitalgesellschaft darauf angewiesen, dass auf Antrag der EU-Kapitalgesellschaft die Einlagenrückgewähr gesondert festgestellt wird (vgl. § 27 Abs. 8 KStG). Dies ist verfassungsgemäß. Offen bleibt, ob ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt.

Sachverhalt

Der unbeschränkt steuerpflichtige Kläger war an der österreichischen I-AG beteiligt, welche im Streitjahr 2011 beschloss, einen Teil ihres Bilanzgewinns auszuschütten. Nach der Dividendenbekanntmachung der I-AG handelte es sich bei der ausgeschütteten Dividende nach österreichischem Steuerrecht um eine Einlagenrückzahlung.

Nach Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Ausschüttung der I-AG um eine nicht steuerbare Einlagenrückzahlung. Finanzamt und FG behandelten die Ausschüttung mangels einer von der I-AG bescheinigten Einlagenrückgewähr hingegen als steuerpflichtigen Kapitalertrag.

Gesetzliche Grundlagen und Hintergrund

Gemäß § 27 Abs. 8 S. 1 KStG können auch EU-Kapitalgesellschaften eine Einlagenrückgewähr an ihren inländischen Gesellschafter erbringen. Die Einlagenrückgewähr ist in entsprechender Anwendung der § 27 Abs. 1-6 KStG und der §§ 28 und 29 KStG (also nach deutschem Steuerrecht) zu ermitteln (vgl. § 27 Abs. 8 S. 2 KStG). Der als Einlagenrückgewähr zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der EU-Kapitalgesellschaft gesondert festgestellt (vgl. § 27 Abs. 8 S. 3 KStG). Der Antrag ist nach § 27 Abs. 8 S. 4 KStG bis zum Ende des Kalenderjahrs zu stellen, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Leistung erfolgt ist. Soweit Leistungen nicht als Fall der Einlagenrückgewähr gesondert festgestellt worden sind, gelten sie als Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 9 EStG (vgl. § 27 Abs. 8 S. 9 KStG).

Während die Regelung des § 27 Abs. 8 KStG ausschließlich für EU-Kapitalgesellschaften gilt, hat der BFH entschieden, dass auch Drittstaaten-Kapitalgesellschaften die Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr eingeräumt werden muss (vgl. BFH-Urteil vom 10.4.2019, I R 15/16). Für die Einlagenrückgewähr von Drittstaatengesellschaften ist dem BFH zufolge mangels gesetzlicher Grundlage ein gesondertes Feststellungsverfahren weder nach § 27 Abs. 1 S. 2 KStG noch nach § 27 Abs. 8 KStG durchzuführen. Die inländischen Anteilseigner können hier den Nachweis einer Einlagenrückgewähr im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens selbst erbringen (vgl. BFH-Urteil vom 10.4.2019, I R 15/16). In der Literatur wird kritisiert, dass Drittstaaten-Gesellschaften insbesondere im Hinblick auf die Nachweispflichten besser gestellt sind als EU-Kapitalgesellschaften.

Entscheidung

Der BFH kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Kapitalerträge aus der Ausschüttung der I-AG als steuerpflichtige Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG und nicht als Einlagenrückgewähr gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zu berücksichtigen sind. Dem stehen auch verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen.

Vorliegen einer steuerpflichtigen Gewinnausschüttung

Die Regelung des § 27 Abs. 8 S. 9 KStG ordnet an, dass, soweit Leistungen nicht als Fall der Einlagenrückgewähr gem. § 27 Abs. 8 S. 1 KStG gesondert festgestellt werden, sie als Gewinnausschüttung gelten, die beim Anteilseigner zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen. Da für die Ausschüttung der I-AG nicht gesondert festgestellt worden ist, dass es sich um eine Einlagenrückgewähr gem. § 27 Abs. 8 S. 1 und 2 KStG handelt, gilt die Ausschüttung nach Ansicht des BFH als steuerpflichtige Gewinnausschüttung an den Kläger. Wird das Feststellungsverfahren von der EU-Kapitalgesellschaft wie im Streitfall nicht betrieben, ist der Bezug unmittelbar nach der Fiktionsregelung des § 27 Abs. 8 S. 9 KStG steuerpflichtig, so der BFH.

Mangelnde Nachweismöglichkeit des Anteilseigners ist verfassungsgemäß

Nach dem BFH ist es auch verfassungsgemäß, dass beim Kläger das Vorliegen einer steuerpflichtigen Gewinnausschüttung allein deshalb fingiert wird, weil die EU-Kapitalgesellschaft das Feststellungsverfahren gemäß § 27 Abs. 8 KStG nicht betreibt und der Kläger keine vom Feststellungsverfahren gemäß § 27 Abs. 8 KStG losgelöste Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für die von einer EU-Kapitalgesellschaft bezogene Ausschüttung hat. Der BFH begründet seine Auffassung damit, dass die unterschiedlichen Möglichkeiten der Anteilseigner von Drittstaaten- und EU-Kapitalgesellschaften, eine Einlagenrückgewähr nachweisen zu können, dadurch gerechtfertigt sind, dass sich beide Anteilseignergruppen in einer verfahrensrechtlich nicht vergleichbaren Ausgangslage befinden. Während für EU-Kapitalgesellschaften das Feststellungsverfahren gemäß § 27 Abs. 8 KStG gilt, besteht für Drittstaatengesellschaften per Gesetz keine Nachweismöglichkeit mittels eines Feststellungsverfahrens.

Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit nicht entscheidungserheblich

Zu der Frage, ob aufgrund der fehlenden individuellen Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr des inländischen Anteilseigners einer EU-Kapitalgesellschaft ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV vorliegen könnte, äußerte sich der BFH mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Denn im Streitfall seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Ausschüttung der I-AG nach den Vorgaben der Verwendungsfiktion in § 27 Abs. 1 S. 3 und 5 KStG als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren sein könnte.

Im Streitfall beruhe die Einordnung der Leistung als Einlagenrückgewähr auf der Ausübung eines Wahlrechts durch die I-AG nach österreichischem Steuerrecht. Allein die Behandlung der Ausschüttung der I-AG als Einlagenrückgewähr nach österreichischem Steuerrecht – unabhängig von den Grundsätzen der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 S. 3 und 5 KStG (also nach deutschem Steuerrecht) – zwinge nach den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit nicht dazu, diese Beurteilung für die inländische Besteuerung zu übernehmen (vgl. BFH-Urteil vom 14.09.2019, I R 15/16).  

Betroffene Normen

​§ 27 Abs. 8 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG, § 27 Abs. 1 S. 2, S. 3 und S. 5 KStG

Streitjahr 2011

Anmerkung

Offengelassene Fragestellung​

Offen bleibt die Frage, ob die fehlende individuelle Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr eines inländischen Anteilseigners einer EU-Kapitalgesellschaft die Kapitalverkehrsfreiheit verletzt, wenn tatsächlich nach deutschem Steuerrecht (also nach den Vorgaben der Verwendungsfiktion in § 27 Abs. 1 S. 3 und 5 KStG) eine Einlagenrückgewähr vorliegt und die EU-Kapitalgesellschaft das Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 8 KStG nicht führt. 

Vorinstanz

​Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 25.09.2017, 3 K 737/15, EFG 2017, S. 1951

Fundstelle

BFH, Urteil vom 27.10.2020, VIII R 18/17, BStBl. II 2022, S. 524

Weitere Fundstelle

BFH, Urteil vom 10.04.2019, I R 15/16, siehe Deloitte Tax-News

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