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01.06.2023
Unternehmensteuer

BFH: Keine Auflösung negativer Ergänzungsbilanzen bei entgeltlichem Gesellschafteraustritt

Die negativen Ergänzungsbilanzen, die aufgrund des Eintritts eines neuen Gesellschafters in eine bestehende Personengesellschaft für die Altgesellschafter nach § 24 UmwStG zum Zweck der Buchwertfortführung gebildet worden sind, sind nicht gewinnwirksam aufzulösen, wenn der neu eingetretene Gesellschafter nachfolgend gegen Zahlung einer Abfindung unter dann gebotener Auflösung der für ihn gebildeten positiven Ergänzungsbilanz aus der Personengesellschaft ausscheidet. 

Sachverhalt

Die M-GmbH beteiligte sich im Jahr 2005 unter Zahlung einer Bareinlage, die zum Teil auf ihrem Festkapitalkonto und zum Teil in der gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklage erfasst wurde, als Kommanditistin an der bereits bestehenden C-KG. Die Bareinlage überstieg dabei die (anteiligen) steuerlichen Buchwerte der C-KG. Zur Vermeidung der Aufdeckung der stillen Reserven führte die C-KG gemäß § 24 Abs. 2 UmwStG die Buchwerte fort. Zu diesem Zweck wurden, soweit die Einlage in die gesamthänderisch gebundene Rücklage die der M-GmbH zuzurechnenden anteiligen Buchwerte der C-KG überstieg, für die M-GmbH eine positive Ergänzungsbilanz und für die übrigen Altgesellschafter negative Ergänzungsbilanzen aufgestellt (sog. Nettomethode).

Zum 01.01.2011 schied die M-GmbH gegen Zahlung einer Abfindung wieder aus der C-KG aus und ihr Gesellschaftsanteil wuchs den Altgesellschaftern an. Während die positive Ergänzungsbilanz der M-GmbH im Streitjahr von der C-KG aufgelöst wurde, führte die C-KG die negativen Ergänzungsbilanzen der Altgesellschafter fort. Finanzamt und FG gelangten zu der Auffassung, dass die für die Altgesellschafter bestehenden negativen Ergänzungsbilanzen – korrespondierend zur Auflösung der positiven Ergänzungsbilanz der ausgeschiedenen M-GmbH – gewinnwirksam aufzulösen sind.

Entscheidung

Der BFH kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass die negativen Ergänzungsbilanzen der Altgesellschafter infolge des entgeltlichen Ausscheidens der M-GmbH aus der C-KG nicht aufzulösen, sondern fortzuführen sind.

Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine bestehende Personengesellschaft

Wird ein neuer Gesellschafter in eine bestehende Personengesellschaft aufgenommen und leistet dieser Gesellschafter für die Übernahme der Gesellschafterstellung eine Zahlung in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft (Bareinlage), dann bringen nach ständiger Rechtsprechung des BFH steuerrechtlich die bisherigen Gesellschafter (Altgesellschafter) ihre Mitunternehmeranteile an der bisherigen Personengesellschaft nach § 24 UmwStG in eine um den eintretenden Gesellschafter erweiterte neue Mitunternehmerschaft ein (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 20.09.2007, IV R 70/05).

Die Regelung des § 24 Abs. 1 UmwStG setzt voraus, dass die Altgesellschafter Mitunternehmer der neuen erweiterten Mitunternehmerschaft werden. Für die Anwendung des § 24 Abs. 1 UmwStG ist es dabei nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung, der Verwaltungsauffassung und der herrschenden Meinung in der Literatur ausreichend, wenn bei erstmaliger Einräumung der Mitunternehmerstellung der Wert des eingebrachten Betriebsvermögens neben dem Kapitalkonto I (Festkapitalkonto) auch dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto gutgeschrieben wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17.07.2008, I R 77/06; BMF-Schreiben vom 11.11.2011, Rn. 24.07 i.V.m. BMF-Schreiben vom 26.07.2016).

Übertragung dieser Grundsätze auf den zugrundeliegenden Streitfall

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze auf den streitgegenständlichen Fall unterfiel aus Sicht des BFH der im Jahr 2005 erfolgte Eintritt der M-GmbH gegen eine Bareinlage in die C-KG für die Altgesellschafter insgesamt der Regelung des § 24 UmwStG und die C-KG durfte das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert nach § 24 Abs. 2 S. 1 UmwStG ansetzen. Die Buchwertfortführung sei im Streitfall dabei zulässigerweise bilanziell nach der sog. Nettomethode dargestellt worden (vgl. auch BFH-Urteil vom 25.04.2006, VIII R 52/04). Dem stehe nicht entgegen, dass die Altgesellschafter für die Einbringung ihrer Mitunternehmeranteile nicht nur eine Gutschrift auf dem Festkapitalkonto, sondern auch auf dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto erhalten haben. Die negativen Ergänzungsbilanzen wurden laut BFH für die Altgesellschafter daher zu Recht gebildet.

Keine Auflösung der negativen Ergänzungsbilanzen bei Ausscheiden der M-GmbH

Nach Auffassung des BFH ist – bei entgeltlichem Ausscheiden der M-GmbH - zwar die positive Ergänzungsbilanz der M-GmbH aufzulösen und dadurch der nach § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG bei der C-KG zu erfassende gewerbesteuerpflichtige Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils der M-GmbH (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) zu reduzieren. Es bestehe aber keine Rechtsgrundlage dafür, die anlässlich des Beitritts der M-GmbH für die Altgesellschafter zu Recht gebildeten negativen Ergänzungsbilanzen korrespondierend zur gebotenen Auflösung der positiven Ergänzungsbilanz der M-GmbH ebenfalls aufzulösen.

Mitunternehmerbezogenheit der Ergänzungsbilanzen

In Ergänzungsbilanzen werden laut BFH die individuellen steuerrechtlichen Verhältnisse des betroffenen Mitunternehmers abgebildet (vgl. auch BFH-Urteil vom 16.12.2021, IV R 7/19). Das in der positiven Ergänzungsbilanz der M-GmbH ausgewiesene Mehrkapital stellt einen Korrekturposten zu den Wertansätzen in der Gesamthandsbilanz für die Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens dar (vgl. BFH-Urteil vom 20.11.2014, IV R 1/11). Diese positive Ergänzungsbilanz ist dabei streng mitunternehmerbezogen (vgl. BFH-Urteil vom 20.10.2015, VIII R 33/13), weil sie einen Mehraufwand des Mitunternehmers bezüglich der erworbenen ideellen Anteile an den Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens ausweist. Ebenso sind die negativen Ergänzungsbilanzen der Altgesellschafter streng mitunternehmerbezogen, so der BFH. Denn mittels dieser Bilanzen seien Veräußerungsgewinne der Altgesellschafter nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG neutralisiert worden.

Danach könne die Veräußerung oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils nur diejenige (positive oder negative) Ergänzungsbilanz beeinflussen, die mit diesem Mitunternehmeranteil in Zusammenhang steht. Im Streitfall habe allein die M-GmbH ihren Mitunternehmeranteil veräußert. Bei den Altgesellschaftern liege indes kein Veräußerungs- oder Aufgabetatbestand vor. Der Umstand, dass sich die Ergänzungsbilanzen bei Anwendung der sog. Nettomethode aufgrund der Abschreibungsgrundsätze nach § 7 EStG zunächst der Höhe nach mit umgekehrten Vorzeichen gleich entwickeln, spiegele dabei lediglich eine rechnerische und keine inhaltliche Korrespondenz wider.

Keine Abhängigkeit der Besteuerungsfolgen von der bilanziellen Darstellungsmethode im Zeitpunkt des Gesellschaftereintritts

Außerdem können nach Auffassung des BFH die Besteuerungsfolgen bei einem späteren entgeltlichen Ausscheiden des neu eingetretenen Gesellschafters nicht davon abhängen, welche bilanzielle Darstellungsmethode im Zeitpunkt des Beitritts gewählt wurde. Vielmehr müssten beide Bilanzierungsmethoden – die sog. Brutto- und die sog. Nettomethode – dieselben Besteuerungsfolgen nach sich ziehen, sowohl im Zeitpunkt der Einbringung als auch beim späteren entgeltlichen Ausscheiden des neu eingetretenen Gesellschafters. Auch bei der Bruttomethode seien die negativen Ergänzungsbilanzen der Altgesellschafter bei Gesellschafteraustritt fortzuführen, da die Mehrwerte bei dieser Methode bereits in der Gesamthandsbilanz abgebildet werden.

Keine Regelung in § 24 UmwStG

Der BFH weist darauf hin, dass sich Abweichendes auch nicht aus § 24 UmwStG ergibt. Diese Norm enthält keine Regelung, wonach die Altgesellschafter ihre bisherigen stillen Reserven sofort versteuern müssen, wenn der neu eingetretene Gesellschafter seinen Mitunternehmeranteil veräußert oder aufgibt. Insbesondere regelt diese Norm keine von den Mitunternehmern zu beachtenden Sperrfristen.

Betroffene Normen

§ 24 UmwStG

Streitjahr 2011

Vorinstanz

​Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 09.09.2019, 3 K 52/17, EFG 2020, S. 298 

Fundstelle

​BFH, Urteil vom 23.03.2023, IV R 27/19, ​lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen.

Weitere Fundstellen

​BFH, Urteil vom 16.12.2021, IV R 7/19, BStBl II 2023, S. 378

BFH, Urteil vom 20.10.2015, VIII R 33/13, BStBl II 2016, S. 596

BFH-Urteil vom 20.11.2014, IV R 1/11, BStBl II 2017, S. 34

BFH, Urteil vom 17.07.2008, I R 77/06, BStBl II 2009, S. 464

BFH, Beschluss vom 20.09.2007, IV R 70/05, BStBl II 2008, S. 265

BFH, Urteil vom 25.04.2006, VIII R 52/04, BStBl II 2006, S. 847

BMF, Schreiben vom 26.07.2016, IV C 6- S 2178/09/10001, BStBl I 2016, S. 684

BMF, Schreiben vom 11.11.2011, IV C 2-S 1978- b/08/10001//2011/0903665, Umwandlungssteuererlass, BStBl I 2011, S. 1314​ 

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