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12.07.2018
Unternehmensteuer

BFH: Keine Abfärbung bei Verlusten

  • Rechtsprechungsänderung infolge gesetzlicher Neuregelung, siehe BFH, Urteil vom 30.06.2022, IV R 42/19, siehe Deloitte Tax-News
  • Aktuell: Änderung der Rechtslage durch das JStG2019 (mehr siehe unter Anmerkung)

                                                                                                                                

Negative Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit (z.B. aufgrund einer Betriebsaufspaltung) führen nicht zur Umqualifizierung der vermögensverwaltenden Einkünfte einer GbR.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GbR, vermietete in den Streitjahren 2003 bis 2006 Wohn- und Geschäftsräume. An ihr sind zu jeweils 50 % B und S beteiligt, die in gleicher Weise zu je 50 % an der IM-GbR sowie an der B&S-GmbH beteiligt sind. Die Klägerin vermietete Räumlichkeiten an die IM-GbR. Der Geschäftszweck der IM-GbR besteht im Knüpfen von Geschäftskontakten und dem Verwalten von Häusern; sie erzielte Einnahmen in Höhe von jährlich 2.400 Euro aus der Vermietung von Büroausstattung an die B&S-GmbH. Gegenstand der B&S-GmbH ist der gewerbliche An- und Verkauf von bebauten Grundstücken.

Finanzamt und FG qualifizierten die Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb. Es habe zwischen ihr und der IM-GbR eine Betriebsaufspaltung bestanden. Der zwischen der Klägerin und der IM-GbR geschlossene Mietvertrag sei im Streitzeitraum durchgeführt worden; die Klägerin habe lediglich ab dem Jahr 2000 auf die entstandenen Mietforderungen verzichtet.

Auch im Verhältnis zu der B&S-GmbH habe eine Betriebsaufspaltung bestanden. An der Gewinnerzielungsabsicht habe es nicht gefehlt. Denn die Anteile an der B&S-GmbH seien im Sonderbetriebsvermögen der Klägerin zu bilanzieren gewesen. Über die zu erwartenden Ausschüttungen ergebe sich dann die Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin.

Entscheidung

Nach Ansicht des BFH ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin gewerbliche Einkünfte aus Betriebsaufspaltungen mit der IM-GbR und der B&S-GmbH erzielt habe, die die Bagatellgrenze gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG überstiegen und deshalb zur Abfärbung auf sämtliche Einkünfte der Klägerin führten.

Betriebsaufspaltung mit der IM-GbR
Die Klägerin erzielt keine Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit auf Grund einer Betriebsaufspaltung mit der IM-GbR, weil es ihr an der dafür erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht fehlt.

Eine Betriebsaufspaltung hat nach der Rechtsprechung zur Folge, dass die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens als gewerblich i.S. von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG zu qualifizieren ist (BFH-Urteile vom 29.07.2015, IV R 16/13, Rz 13, und vom 20.08.2015, IV R 26/13, Rz 11). Einen Gewerbebetrieb unterhält das Besitzunternehmen allerdings nur dann, wenn auch die nach § 15 Abs. 2 EStG erforderliche Gewinnerzielungsabsicht vorliegt (BFH-Urteil vom 13.11.1997, IV R 67/96, unter 2.f).

Die Gewinnerzielungsabsicht des Besitzunternehmens fehlt grundsätzlich, wenn der mit Gewinnerzielungsabsicht tätigen Betriebsgesellschaft die wesentlichen Betriebsgrundlagen unentgeltlich oder zu einem nicht kostendeckenden Entgelt überlassen werden. Ist die Betriebsgesellschaft eine Kapitalgesellschaft kann eine Gewinnerzielungsabsicht sich allerdings aus höheren zu erwartenden Gewinnausschüttungen infolge des unangemessen niedrigen Nutzungsentgelts ergeben (BFH-Urteil vom 02.09.2009, I R 20/09). Ist Betriebsgesellschaft jedoch – wie im Streitfall – eine Personengesellschaft, kann ein höherer Gewinn der Betriebsgesellschaft nicht auf die Besitzgesellschaft durchschlagen. Der Klägerin fehlte danach die Gewinnerzielungsabsicht in Bezug auf die Überlassung der Räumlichkeiten in der C-Straße an die IM-GbR, denn diese erfolgte unentgeltlich.

Betriebsaufspaltung mit der B&S-GmbH
Im Streitfall hat die Klägerin für die Überlassung der Räumlichkeiten an die B&S-GmbH kein Entgelt erhalten. Durch die Überlassung sind ihr lediglich Aufwendungen entstanden, die insoweit zu negativen – im Fall des Bestehens einer Betriebsaufspaltung gewerblichen – Vermietungseinkünften geführt haben.
Ob eine Betriebsaufspaltung mit der B&S-GmbH besteht, kann dahinstehen, da in den Streitjahren insoweit nur negative Einkünfte erzielt wurden, die jedenfalls nicht zur Umqualifizierung der vermögensverwaltenden Einkünfte führen, so der BFH.

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer OHG, KG oder anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt (sog. Abfärbewirkung). Bei besonders geringfügiger gewerblicher Betätigung soll es nach der Rechtsprechung des BFH aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht zu einer Abfärbung auf die übrigen Einkünfte kommen (grundlegend BFH-Urteil vom 11.08.1999, XI R 12/98). Fortentwickelt wurde diese Rechtsprechung durch Urteile des BFH, wonach freiberufliche Einkünfte einer GbR nicht insgesamt zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert werden, wenn die daneben erzielten Nettoumsatzerlöse aus der gewerblichen Tätigkeit 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 Euro im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen (BFH-Urteile vom 27.08.2014, VIII R 6/12 und VIII R).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung können nach Meinung des BFH allenfalls positive gewerbliche Einkünfte zu einer Abfärbung auf ansonsten vermögensverwaltende Einkünfte einer GbR führen. Ist eine vermögensverwaltende GbR u.a. auch in einer Weise tätig, die nach den Grundsätzen des § 15 Abs. 2 EStG als gewerblich zu beurteilen ist, ohne daraus aber positive Einkünfte zu erzielen, könne das Gewerbesteueraufkommen dadurch nicht gefährdet sein.

Der BFH konnte deshalb offen lassen, ob die für die Abfärbung auf freiberufliche Einkünfte entwickelte relative Bagatellgrenze von 3 % der schädlichen Nettoerlöse auch auf vermögensverwaltende Einkünfte übertragen werden kann, ob dort das Überschreiten einer Bagatellgrenze erst nach einem längeren Beobachtungszeitraum zur Abfärbung führen dürfte und welcher Einkunftsart die schädlichen Einkünfte bei Unterschreiten einer Bagatellgrenze zuzuordnen wären.

Betroffene Norm

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG

Streitjahre 2003 bis 2006

Anmerkung

BFH-Urteil vom 30.06.2022, IV R 42/19

Infolge der gesetzlichen Neuregelung im Rahmen des JStG hat der BFH mit Urteil vom 30.06.2022, IV R 42/19 (siehe Deloitte Tax-News) seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass Verluste aus einer gewerblichen Tätigkeit bei Überschreiten der Bagatellgrenze zu einer Umqualifizierung der im Übrigen vermögensverwaltenden Tätigkeit einer GbR führen.

JStG 2019

Als Reaktion auf die hier dargestellte Entscheidung des BFH nimmt das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 17.12.2019 (JStG 2019, siehe Deloitte Tax-News) mit einer Änderung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eine rückwirkende Klarstellung vor, die sicherstellt, dass auch zukünftig eine gewerbliche Abfärbung eintritt, wenn die gewerbliche Tätigkeit isoliert betrachtet zu einem Verlust führt.

Vorinstanz

Finanzgericht Münster vom 09.12.2014, 15 K 1556/11 F

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12.04.2018, IV R 5/15

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 29.07.2015, IV R 16/13, Rz 13, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 20.08. 2015, IV R 26/13, BStBl II 2016, S. 408, Rz 11, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 13.11.1997, IV R 67/96, BStBl II 1998, S. 254, unter 2.f

BFH, Urteil vom 02.09.2009, I R 20/09, BFH/NV 2010, S. 391

BFH, Urteil vom 11.08.1999, XI R 12/98, BStBl II 2000, S. 229

BFH, Urteil vom 27.08.2014, VIII R 6/12, BStBl II 2015, S. 1002, Rz 53 ff., siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 27.08.2014, VIII R 41/11, BStBl II 2015, S. 999, Rz 25 ff., siehe Deloitte Tax-News

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