Der Eintritt der Heilungswirkung nach den Übergangsregelungen zum gesetzlichen Erfordernis des dynamischen Verweises auf § 302 AktG hängt vom Verhalten des Steuerpflichtigen ab. Deshalb tritt bei Beendigung der steuerlichen Organschaft vor dem 01.01.2015 die Heilungswirkung nicht ein, wenn der Steuerpflichtige durch eine nach außen erkennbare Handlung den Willen äußert, eine Heilung des "fehlerhaften" Gewinnabführungsvertrages nicht herbeiführen, sondern die Rechtsfolgen des "fehlerhaften" Gewinnabführungsvertrages tragen zu wollen.
Eine KG, die sämtliche Anteile der A GmbH hält, schloss als Organträgerin im März 2004 mit der GmbH als Organgesellschaft einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV) ab. Dieser EAV enthielt keinen Verweis auf § 302 Abs. 4 AktG und wurde im April 2012 gekündigt. In den Streitjahren 2007-2011 wurde der EAV auch tatsächlich durchgeführt und das Einkommen sowie der Gewerbeertrag der GmbH der Klägerin zugerechnet. Das Finanzamt ging bei der Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen der KG und der GmbH von einer bestehenden Organschaft aus. Die KG war hingegen der Auffassung, dass die Organschaft zwischen ihr und der GmbH nicht anzuerkennen sei, weil der EAV keinen Verweis auf § 302 Abs. 4 AktG enthalte. Einkommen und Gewerbeertrag der GmbH seien ihr daher nicht zuzurechnen.
Hinweis: Aufgrund einer speziellen Interessenlage (im Zusammenhang mit § 35 EStG: Keine Anrechnung der GewSt-Messbeträge von Enkel-Personengesellschaften, die über eine Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft gehalten werden, bei der KG aufgrund neuer BFH-Rechtsprechung, Urteil vom 22.09.2011, IV R 3/10) war die Nichtanerkennung der Organschaft für die KG vorteilhafter.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG Münster ging davon aus, dass aufgrund der rückwirkend anwendbaren Regelungen in § 34 Abs. 10b S. 2 und 3 KStG (i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013) der unzureichende Verweis des EAV auf § 302 AktG geheilt worden sei.
Der BFH ist entgegen der Auffassung des FG der Auffassung, dass zwischen der KG und der A GmbH keine steuerrechtlich anzuerkennende Organschaft bestanden hat.
Gesetzliche Grundlagen
Mit dem o.g. Gesetz vom 20.02.2013 wurde in § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG das zwingende Erfordernis eines "dynamischen" Verweises auf § 302 AktG verankert. Zugleich wurden in § 34 Abs. 10b KStG Übergangsregelungen getroffen. Danach steht es der Anwendung der §§ 14 bis 16 KStG für Veranlagungszeiträume, die vor dem 01.01.2015 enden, nicht entgegen, wenn der Gewinnabführungsvertrag (GAV), der vor dem 21.02.2013 abgeschlossen wurde, keinen den Anforderungen des § 17 S. 2 Nr. 2 KStG entsprechenden Verweis auf § 302 AktG enthält, wenn eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG tatsächlich erfolgt ist und eine Verlustübernahme entsprechend § 17 S. 2 Nr. 2 KStG bis zum Ablauf des 31.12.2014 wirksam vereinbart wird (§ 34 Abs. 10b S. 2 KStG n.F.). Nach Satz 3 des § 34 Abs. 10b KStG n.F. ist für die Anwendung des Satzes 2 die Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG nicht erforderlich, wenn die steuerrechtliche Organschaft vor dem 01.01.2015 beendet wurde.
Fehlerhafter EAV
Im Streitfall war im EAV eine Verlustübernahme nicht entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart worden. Denn der EAV enthielt keine Verjährungsregelung, die der im Dezember 2004 eingeführten Verjährungsvorschrift des § 302 Abs. 4 AktG entsprochen hat.
Anpassungsobliegenheit
Der BFH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung offen gelassen, innerhalb welcher zeitlichen Grenze nach Inkrafttreten des § 302 Abs. 4 AktG im Dezember 2004 ein vor diesem Zeitpunkt vereinbarter Vertrag ("Altvertrag") anzupassen ist. Er stellt nun fest, dass mit Blick auf diese Anpassungsobliegenheit jedenfalls eine jahrelange Untätigkeit für die Anerkennung der Organschaft schädlich ist. Und so liege der Streitfall, da zu Beginn des ersten Streitjahres (2007) immer noch keine dem § 302 Abs. 4 AktG entsprechende Verjährungsregelung zwischen der KG und der GmbH vereinbart worden war.
Keine Heilung des fehlerhaften EAV durch Übergangsregelungen
Auch die gesetzlichen Übergangsregelungen führten im Streitfall nicht zur Heilung des fehlerhaften EAV und damit auch nicht zur steuerrechtlichen Anerkennung der Organschaft.
Im Streitfall wurde die Organschaft vor dem 01.01.2015 beendet. Trotzdem könne nicht von einer rückwirkenden Heilung des fehlerhaften EAV ausgegangen werden, so der BFH. § 34 Abs. 10b S. 3 KStG n.F. sei lediglich eine Ergänzung des Satzes 2, der den Eintritt der Heilungswirkung vom Verhalten des Steuerpflichtigen abhängig macht. Dann müsse allerdings auch bei Beendigung der Organschaft vor der gesetzlichen Neuregelung dem Willen des Steuerpflichtigen entsprochen werden, wenn dieser ausdrücklich dem möglichen Eintritt einer Heilungswirkung widerspricht.
Begünstigender Charakter des § 34 Abs. 10b S. 3 KStG n.F.
Denn Satz 3 ordne nicht etwa den Eintritt der Heilungswirkung bei vor 2015 beendeten Organschaften zwingend und ausnahmslos an. Er solle eben keine verschärfende Regelung darstellen, sondern eine Erleichterung und damit eine Erweiterung der Begünstigungswirkung aus Satz 2. Für den begünstigenden Charakter der Norm spreche weiter, dass Satz 3 im Gegensatz zu Satz 2 von der Obliegenheit befreie, den GAV ändern zu müssen, um die Heilungswirkung herbeizuführen, was auch zu einer Verfahrensvereinfachung führe.
Maßgeblichkeit des Willens des Steuerpflichtigen und keine zwingende Heilung
Des Weiteren stelle § 34 Abs. 10b S. 3 KStG n.F. den Eintritt der Heilungswirkung in das Belieben des Steuerpflichtigen, zumal die Änderung des GAV allein von diesem geschaffen werden müsse. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit dem rein ergänzenden Satz 3 einen vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängigen „Heilungszwang“ statuieren wollte oder dass die termingerechte Vertragskündigung die Heilungswirkung zwingend auslöst.
Der BFH kommt daher zu dem Ergebnis, dass von einer Heilungswirkung mithin nicht ausgegangen werden könne, wenn der Steuerpflichtige durch eine nach außen erkennbare Handlung den Willen äußere, eine Heilung nicht herbeiführen zu wollen.
Im Streitfall sei dies spätestens in der Einlegung von Rechtsbehelfen durch die Klägerin zu erkennen. Der GAV bleibe somit fehlerhaft. Folglich bestehe keine steuerrechtlich anzuerkennende Organschaft.
§ 17 S. 2 Nr. 2 KStG, § 34 Abs. 10b S. 2 und 3 KStG, § 302 AktG
Streitjahr 2007-2011
Finanzgericht Münster, Urteil vom 27.11.2019, 13 K 2898/16 G,F
BFH, Urteil vom 03.05.2023, I R 7/20
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